Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] wir auch ferner sehen/ wer doch der Pythagoras gewest/ dessen unser Poet gedencket.

Vom Pythagoras.

PYthagoras ist geboren gewest in dem Eyland Samos: und/ nach einiger Aussage/ in der Stadt Abdera. Sein Vatter hieß Mnesarchus. Dieser Pythagoras ist der erste/ so ein Philosophus/ oder Liebhaber der Weisheit genennet worden. Er war ein fleissiger Sucher der Weisheit und Gelehrtheit/ und ein Erforscher der gantzen Natur. Einige unter den Griechen wollen ihnen die Ehre von ihm allein zuschreiben/ vorgebende/ er habe nichts von andern Volckern gelernet. Allein es ist zur Gnüge bekandt/ das Pythagoras/ Plato/ Democritus/ Eudoxus/ Thales/ und andere mehr/ in Egypten/ bey den weisen Priestern gewesen. Daselbst an den seltsamen Pfeilern des Mercurius/ die voller tieffer Geheimnussen und Lehren/ mit sonderbaren Littern/ und mit mancherley Figuren und Bildungen/ so allein die Priester erklären und auslegen konten/ angedeutet und beschrieben waren/ viel hohe Wissenschafften und Geheimnusse zuerlernen. Diese ietztbemeldte Griechen sind/ von wegen ihrer fernen Reise/ und inständigen Suchens/ oder Begehrens/ würdig geachtet worden/ daß ihnen die Erkäntnus solcher Geheimnussen offenbaret würde. Diese Geheimnusse aber betraffen den Gottesdienst/ und die Astronomiam,oder Himmelskunst.

Es ist Pythagoras der vornemste Philosophus Was das Wort Sophist bedeute und Sophist in gantz Griechenland gewest. Das Wort Sophist wird/ in gutem und bösem Verstande/ gebraucht; in gutem/ bedeutet es nicht allein einen Sprachmeister und Redner/ sondern auch einen Liebhaber der Wissenschafften/ oder Philosophum: in bösen aber einen spitzfündig-betrüglicher Schluß-Redner/ der mehr Wesens von einem äusserlichem Schein/ oder von den Schalen/ weder von dem rechtem Kern der wesentlichen Warheit selbst/ machet/ und weiter nichts vorbringet/ dann ein vermummtes Angesicht/ und einen grossen Zierat gefärbter Worte/ auch/ durch List und allerhand zweideutige Reden/ die Einfältige zu verstricken suchet: Also/ daß ein Sophist auch einen Betrieger andeutet. Die weise Lehr-Sprüche des besagten Pythagoras/ und des Empedocles waren vorzeiten/ wie Plutarchus bezeuget/ bey den Griechen Pythagoras ein besonderer Musicus. für ihre Gesetze/ und Lebens-Regulen gehalten. Er war ein sonderbarer Vocal-Musicus/ welche Kunst er gleichfalls der Himmelskündigung wunderlich applicirte/ in Vergleichung der Music-Töne mit den Planeten und Sternen. Er war auch ein trefflicher Meister im Kämpffen oder Ringen/ hatte viel Länder durchreist/ enthielte sich viel in Italien in Calabrien/ welches damals von den Griechen/ das grosse Griechenland und Calabrien genennet wurde. Dann weil er die tyrannische Herrschung des Polycrates nicht vertragen konte: verließ er sein Vatterland/ und kam herüber in diese Landschafft/ allda man seinen Anhang/ die Italiänische Secte hieß.[Spaltenumbruch] Er war/ durch die gantze Welt berühmt/ hatte seinem Gehirn wunderbare und seltsame Meinungen eingedruckt/ wie unser Poet/ in diesem seinem letztem Buch darvon viel saget/ insonderheit von der Enthaltung des Fleisch-Essens/ von Wanderung der Seelen/ aus den Menschen/ in wilde Thiere/ und/ aus denen Thieren/ wiederum in die Menschen; und was dergleichen Händel mehr gewesen. Er hat ein streng und abgesondertes/ eingezognes Leben/ fast einem München gleich/ geführt/ sich mit Wenigen bekandt gemacht; dieweil er des gemeinen Volcks Freundschafft wenig geachtet. Er hatte einen Theil seines Anhangs/ oder Lehr-Schüler seiner Weisheit/ denen er zur ersten Lection ein fünfjähriges Stillschweigen/ wie wir anderwerts erzehlt haben/ aufgab. Diese seine Nachfolger hielten unter einander grosse Freundschafft/ und machten/ wann sie des Tages in Worten einige Mishälligkeit gehabt hatten/ ehe die Sonne unterging/ wieder Friede/ gaben einander die Hände wieder und nahm einer den andern in die Arme. Dieser weitberühmte tugendhaffte Mann ist endlich/ tyrannischer Weise/ von den Cyloniern gantz unschuldig/ lebendig verbranndt worden. Unser Poet vergleichet/ aus diesem Pythagoras/ sehr artlich die vier Jahrs-Theile/ mit des Menschen vier Lebenszeiten; Den Frühling/ mit der Kindheit; den Sommer/ mit der Jugend; den Herbst/ mit der Mannheit; und den Winter/ mit dem Alter: und setzet/ zu einen schlüßlichen Beweis seiner Beschreibung des Wandlungs-Buches/ daß auf der Welt nichts Beständiges/ sondern alles veränderlich und wandelbar sey. Weiter gedenckt er auch des Milons/ welchen wir gleichfalls/ zu erkennen/ wer er gewesen/ bemühet seyn wollen.

Vom Milon.

MIlon/ der berühmte und überaus-starcke Kämpffer ist gewest aus Calabria in Italien/ von der Stadt Croton. Dieser war so starck/ daß er auf seine Schultern fasste einen zweyjährigen Stier/ selbigen in einem Athem/ zu Rom/ rund um den Schau-Platz trug/ ihn darauf mit der Faust todt schlug/ und selbigen Tages annoch allein aufzehrte. Er nahm in seine Hande einen Granat-Apffel/ und konte ihm niemand einen Finger beugen/ geschweige dann denselben heraus nehmen. Jedoch hielte er ihn/ mit solcher Lindigkeit/ daß auch das geringste nicht dran versehret/ oder zerbrochen wurde. Wann er aufgerichts/ gantz frey/ mit beyden Füssen aneinander stunde/ war kein Mensch so starck/ daß er ihm in vollem Anlauf/ oder mit Gewalt/ auf ihn stossend einen Fuß von der Stelle rucken konte. Er bande ein ziemlich dickes Seil/ oder Strick fest um seine Stirn/ zoch seinen Athem ein/ erhub seine Adern und Haupt-Sennen mit solcher Krafft und Gewalt/ daß es augenblicklich in Stücken sprang. Er that die Hand auf/ ausgenommen den kleinen Finger: Den er geschlossen hielte: und war niemand/ der ihme denselben öffnen konte. Und viel andere

[Spaltenumbruch] wir auch ferner sehen/ wer doch der Pythagoras gewest/ dessen unser Poet gedencket.

Vom Pythagoras.

PYthagoras ist geboren gewest in dem Eyland Samos: und/ nach einiger Aussage/ in der Stadt Abdera. Sein Vatter hieß Mnesarchus. Dieser Pythagoras ist der erste/ so ein Philosophus/ oder Liebhaber der Weisheit genennet worden. Er war ein fleissiger Sucher der Weisheit und Gelehrtheit/ und ein Erforscher der gantzen Natur. Einige unter den Griechen wollen ihnen die Ehre von ihm allein zuschreiben/ vorgebende/ er habe nichts von andern Volckern gelernet. Allein es ist zur Gnüge bekandt/ das Pythagoras/ Plato/ Democritus/ Eudoxus/ Thales/ und andere mehr/ in Egypten/ bey den weisen Priestern gewesen. Daselbst an den seltsamen Pfeilern des Mercurius/ die voller tieffer Geheimnussen und Lehren/ mit sonderbaren Littern/ und mit mancherley Figuren und Bildungen/ so allein die Priester erklären und auslegen konten/ angedeutet und beschrieben waren/ viel hohe Wissenschafften und Geheimnusse zuerlernen. Diese ietztbemeldte Griechen sind/ von wegen ihrer fernen Reise/ und inständigen Suchens/ oder Begehrens/ würdig geachtet worden/ daß ihnen die Erkäntnus solcher Geheimnussen offenbaret würde. Diese Geheimnusse aber betraffen den Gottesdienst/ und die Astronomiam,oder Himmelskunst.

Es ist Pythagoras der vornemste Philosophus Was das Wort Sophist bedeute und Sophist in gantz Griechenland gewest. Das Wort Sophist wird/ in gutem und bösem Verstande/ gebraucht; in gutem/ bedeutet es nicht allein einen Sprachmeister und Redner/ sondern auch einen Liebhaber der Wissenschafften/ oder Philosophum: in bösen aber einen spitzfündig-betrüglicher Schluß-Redner/ der mehr Wesens von einem äusserlichem Schein/ oder von den Schalen/ weder von dem rechtem Kern der wesentlichen Warheit selbst/ machet/ und weiter nichts vorbringet/ dann ein vermummtes Angesicht/ und einen grossen Zierat gefärbter Worte/ auch/ durch List und allerhand zweideutige Reden/ die Einfältige zu verstricken suchet: Also/ daß ein Sophist auch einen Betrieger andeutet. Die weise Lehr-Sprüche des besagten Pythagoras/ und des Empedocles waren vorzeiten/ wie Plutarchus bezeuget/ bey den Griechen Pythagoras ein besonderer Musicus. für ihre Gesetze/ und Lebens-Regulen gehalten. Er war ein sonderbarer Vocal-Musicus/ welche Kunst er gleichfalls der Himmelskündigung wunderlich applicirte/ in Vergleichung der Music-Töne mit den Planeten und Sternen. Er war auch ein trefflicher Meister im Kämpffen oder Ringen/ hatte viel Länder durchreist/ enthielte sich viel in Italien in Calabrien/ welches damals von den Griechen/ das grosse Griechenland und Calabrien genennet wurde. Dann weil er die tyrannische Herrschung des Polycrates nicht vertragen konte: verließ er sein Vatterland/ und kam herüber in diese Landschafft/ allda man seinen Anhang/ die Italiänische Secte hieß.[Spaltenumbruch] Er war/ durch die gantze Welt berühmt/ hatte seinem Gehirn wunderbare und seltsame Meinungen eingedruckt/ wie unser Poet/ in diesem seinem letztem Buch darvon viel saget/ insonderheit von der Enthaltung des Fleisch-Essens/ von Wanderung der Seelen/ aus den Menschen/ in wilde Thiere/ und/ aus denen Thieren/ wiederum in die Menschen; und was dergleichen Händel mehr gewesen. Er hat ein streng und abgesondertes/ eingezognes Leben/ fast einem München gleich/ geführt/ sich mit Wenigen bekandt gemacht; dieweil er des gemeinen Volcks Freundschafft wenig geachtet. Er hatte einen Theil seines Anhangs/ oder Lehr-Schüler seiner Weisheit/ denen er zur ersten Lection ein fünfjähriges Stillschweigen/ wie wir anderwerts erzehlt haben/ aufgab. Diese seine Nachfolger hielten unter einander grosse Freundschafft/ und machten/ wann sie des Tages in Worten einige Mishälligkeit gehabt hatten/ ehe die Sonne unterging/ wieder Friede/ gaben einander die Hände wieder und nahm einer den andern in die Arme. Dieser weitberühmte tugendhaffte Mann ist endlich/ tyrannischer Weise/ von den Cyloniern gantz unschuldig/ lebendig verbranndt worden. Unser Poet vergleichet/ aus diesem Pythagoras/ sehr artlich die vier Jahrs-Theile/ mit des Menschen vier Lebenszeiten; Den Frühling/ mit der Kindheit; den Sommer/ mit der Jugend; den Herbst/ mit der Mannheit; und den Winter/ mit dem Alter: und setzet/ zu einen schlüßlichen Beweis seiner Beschreibung des Wandlungs-Buches/ daß auf der Welt nichts Beständiges/ sondern alles veränderlich und wandelbar sey. Weiter gedenckt er auch des Milons/ welchen wir gleichfalls/ zu erkennen/ wer er gewesen/ bemühet seyn wollen.

Vom Milon.

MIlon/ der berühmte und überaus-starcke Kämpffer ist gewest aus Calabria in Italien/ von der Stadt Croton. Dieser war so starck/ daß er auf seine Schultern fasste einen zweyjährigen Stier/ selbigen in einem Athem/ zu Rom/ rund um den Schau-Platz trug/ ihn darauf mit der Faust todt schlug/ und selbigen Tages annoch allein aufzehrte. Er nahm in seine Hande einen Granat-Apffel/ und konte ihm niemand einen Finger beugen/ geschweige dann denselben heraus nehmen. Jedoch hielte er ihn/ mit solcher Lindigkeit/ daß auch das geringste nicht dran versehret/ oder zerbrochen wurde. Wann er aufgerichts/ gantz frey/ mit beyden Füssen aneinander stunde/ war kein Mensch so starck/ daß er ihm in vollem Anlauf/ oder mit Gewalt/ auf ihn stossend einen Fuß von der Stelle rucken konte. Er bande ein ziemlich dickes Seil/ oder Strick fest um seine Stirn/ zoch seinen Athem ein/ erhub seine Adern und Haupt-Sennen mit solcher Krafft und Gewalt/ daß es augenblicklich in Stücken sprang. Er that die Hand auf/ ausgenommen den kleinen Finger: Den er geschlossen hielte: und war niemand/ der ihme denselben öffnen konte. Und viel andere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <div>
            <p><pb facs="#f0341" xml:id="pb-1288" n="[Metamorphosis, S. 165]"/><cb/><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">wir</persName> auch ferner sehen/ wer doch der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-305 http://d-nb.info/gnd/118597248 http://viaf.org/viaf/102862543">Pythagoras</persName> gewest/ dessen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-350 http://d-nb.info/gnd/118590995 http://viaf.org/viaf/88342447">unser Poet</persName> gedencket.</p>
            <p rendition="#c" xml:id="p1288.2">Vom <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-305 http://d-nb.info/gnd/118597248 http://viaf.org/viaf/102862543">Pythagoras</persName>.</p>
            <p><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-305 http://d-nb.info/gnd/118597248 http://viaf.org/viaf/102862543">PYthagoras</persName> ist geboren gewest in dem Eyland <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-186 http://www.geonames.org/254114/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7002673">Samos</placeName>: und/ nach einiger Aussage/ in der Stadt <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-2088 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7010712">Abdera</placeName>. Sein Vatter hieß <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3280">Mnesarchus</persName>. Dieser <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-305 http://d-nb.info/gnd/118597248 http://viaf.org/viaf/102862543">Pythagoras</persName> ist der erste/ so ein Philosophus/ oder Liebhaber der Weisheit genennet worden. Er war ein fleissiger Sucher der Weisheit und Gelehrtheit/ und ein Erforscher der gantzen Natur. Einige unter den Griechen wollen ihnen die Ehre von ihm allein zuschreiben/ vorgebende/ er habe nichts von andern Volckern gelernet. Allein es ist zur Gnüge bekandt/ das <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-305 http://d-nb.info/gnd/118597248 http://viaf.org/viaf/102862543">Pythagoras</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-892 http://d-nb.info/gnd/118594893 http://viaf.org/viaf/79033288">Plato</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-893 http://d-nb.info/gnd/11852464X http://viaf.org/viaf/49224361">Democritus</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2960 http://d-nb.info/gnd/11853131X http://viaf.org/viaf/10637157">Eudoxus</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1867 http://d-nb.info/gnd/118801732 http://viaf.org/viaf/10642256">Thales</persName>/ und andere mehr/ in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-331 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7014986">Egypten</placeName>/ bey den weisen Priestern gewesen. Daselbst an den seltsamen Pfeilern des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-342 http://d-nb.info/gnd/118641077 http://viaf.org/viaf/102459012">Mercurius</persName>/ die voller tieffer Geheimnussen und Lehren/ mit sonderbaren Littern/ und mit mancherley Figuren und Bildungen/ so allein die Priester erklären und auslegen konten/ angedeutet und beschrieben waren/ viel hohe Wissenschafften und Geheimnusse zuerlernen. Diese ietztbemeldte Griechen sind/ von wegen ihrer fernen Reise/ und inständigen Suchens/ oder Begehrens/ würdig geachtet worden/ daß ihnen die Erkäntnus solcher Geheimnussen offenbaret würde. Diese Geheimnusse aber betraffen den Gottesdienst/ und die <hi rendition="#aq">Astronomiam,</hi>oder Himmelskunst.</p>
            <p>Es ist <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-305 http://d-nb.info/gnd/118597248 http://viaf.org/viaf/102862543">Pythagoras</persName> der vornemste Philosophus <note place="right">Was das Wort Sophist bedeute</note> und Sophist in gantz <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-336 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=1000074">Griechenland</placeName> gewest. Das Wort Sophist wird/ in gutem und bösem Verstande/ gebraucht; in gutem/ bedeutet es nicht allein einen Sprachmeister und Redner/ sondern auch einen Liebhaber der Wissenschafften/ oder <hi rendition="#aq">Philosophum:</hi> in bösen aber einen spitzfündig-betrüglicher Schluß-Redner/ der mehr Wesens von einem äusserlichem Schein/ oder von den Schalen/ weder von dem rechtem Kern der wesentlichen Warheit selbst/ machet/ und weiter nichts vorbringet/ dann ein vermummtes Angesicht/ und einen grossen Zierat gefärbter Worte/ auch/ durch List und allerhand zweideutige Reden/ die Einfältige zu verstricken suchet: Also/ daß ein Sophist auch einen Betrieger andeutet. Die weise Lehr-Sprüche des besagten <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-305 http://d-nb.info/gnd/118597248 http://viaf.org/viaf/102862543">Pythagoras</persName>/ und des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1874 http://d-nb.info/gnd/118530224 http://viaf.org/viaf/86897976">Empedocles</persName> waren vorzeiten/ wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-343 http://d-nb.info/gnd/118595237 http://viaf.org/viaf/32140876">Plutarchus</persName> bezeuget/ bey den Griechen <note place="right"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-305 http://d-nb.info/gnd/118597248 http://viaf.org/viaf/102862543">Pythagoras</persName> ein besonderer Musicus.</note> für ihre Gesetze/ und Lebens-Regulen gehalten. Er war ein sonderbarer Vocal-Musicus/ welche Kunst er gleichfalls der Himmelskündigung wunderlich applicirte/ in Vergleichung der Music-Töne mit den Planeten und Sternen. Er war auch ein trefflicher Meister im Kämpffen oder Ringen/ hatte viel Länder durchreist/ enthielte sich viel in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-352 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=1000080">Italien</placeName> in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-173 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7007850">Calabrien</placeName>/ welches damals von den Griechen/ das <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-1512 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7008331">grosse Griechenland</placeName> und <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-173 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7007850">Calabrien</placeName> genennet wurde. Dann weil er die tyrannische Herrschung des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4432">Polycrates</persName> nicht vertragen konte: verließ er sein Vatterland/ und kam herüber in diese Landschafft/ allda man seinen Anhang/ die Italiänische Secte hieß.<cb/>
Er war/ durch die gantze Welt berühmt/ hatte seinem Gehirn wunderbare und seltsame Meinungen eingedruckt/ wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-350 http://d-nb.info/gnd/118590995 http://viaf.org/viaf/88342447">unser Poet</persName>/ in diesem seinem letztem Buch darvon viel saget/ insonderheit von der Enthaltung des Fleisch-Essens/ von Wanderung der Seelen/ aus den Menschen/ in wilde Thiere/ und/ aus denen Thieren/ wiederum in die Menschen; und was dergleichen Händel mehr gewesen. Er hat ein streng und abgesondertes/ eingezognes Leben/ fast einem München gleich/ geführt/ sich mit Wenigen bekandt gemacht; dieweil er des gemeinen Volcks Freundschafft wenig geachtet. Er hatte einen Theil seines Anhangs/ oder Lehr-Schüler seiner Weisheit/ denen er zur ersten Lection ein fünfjähriges Stillschweigen/ wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">wir</persName> anderwerts erzehlt haben/ aufgab. Diese seine Nachfolger hielten unter einander grosse Freundschafft/ und machten/ wann sie des Tages in Worten einige Mishälligkeit gehabt hatten/ ehe die Sonne unterging/ wieder Friede/ gaben einander die Hände wieder und nahm einer den andern in die Arme. Dieser weitberühmte tugendhaffte Mann ist endlich/ tyrannischer Weise/ von den Cyloniern gantz unschuldig/ lebendig verbranndt worden. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-350 http://d-nb.info/gnd/118590995 http://viaf.org/viaf/88342447">Unser Poet</persName> vergleichet/ aus diesem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-305 http://d-nb.info/gnd/118597248 http://viaf.org/viaf/102862543">Pythagoras</persName>/ sehr artlich die vier Jahrs-Theile/ mit des Menschen vier Lebenszeiten; Den Frühling/ mit der Kindheit; den Sommer/ mit der Jugend; den Herbst/ mit der Mannheit; und den Winter/ mit dem Alter: und setzet/ zu einen schlüßlichen Beweis seiner Beschreibung des Wandlungs-Buches/ daß auf der Welt nichts Beständiges/ sondern alles veränderlich und wandelbar sey. Weiter gedenckt er auch des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2715 http://d-nb.info/gnd/10239962X http://viaf.org/viaf/42230423">Milons</persName>/ welchen wir gleichfalls/ zu erkennen/ wer er gewesen/ bemühet seyn wollen.</p>
            <p rendition="#c" xml:id="p1288.1">Vom <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2715 http://d-nb.info/gnd/10239962X http://viaf.org/viaf/42230423">Milon</persName>.</p>
            <p><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2715 http://d-nb.info/gnd/10239962X http://viaf.org/viaf/42230423">MIlon</persName>/ der berühmte und überaus-starcke Kämpffer ist gewest aus <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-173 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7007850">Calabria</placeName> in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-352 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=1000080">Italien</placeName>/ von der Stadt <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-1479 http://www.geonames.org/2524881/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7004291">Croton</placeName>. Dieser war so starck/ daß er auf seine Schultern fasste einen zweyjährigen Stier/ selbigen in einem Athem/ zu <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-6 http://www.geonames.org/3169070/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7000874">Rom</placeName>/ rund um den Schau-Platz trug/ ihn darauf mit der Faust todt schlug/ und selbigen Tages annoch allein aufzehrte. Er nahm in seine Hande einen Granat-Apffel/ und konte ihm niemand einen Finger beugen/ geschweige dann denselben heraus nehmen. Jedoch hielte er ihn/ mit solcher Lindigkeit/ daß auch das geringste nicht dran versehret/ oder zerbrochen wurde. Wann er aufgerichts/ gantz frey/ mit beyden Füssen aneinander stunde/ war kein Mensch so starck/ daß er ihm in vollem Anlauf/ oder mit Gewalt/ auf ihn stossend einen Fuß von der Stelle rucken konte. Er bande ein ziemlich dickes Seil/ oder Strick fest um seine Stirn/ zoch seinen Athem ein/ erhub seine Adern und Haupt-Sennen mit solcher Krafft und Gewalt/ daß es augenblicklich in Stücken sprang. Er that die Hand auf/ ausgenommen den kleinen Finger: Den er geschlossen hielte: und war niemand/ der ihme denselben öffnen konte. Und viel andere
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[Metamorphosis, S. 165]/0341] wir auch ferner sehen/ wer doch der Pythagoras gewest/ dessen unser Poet gedencket. Vom Pythagoras. PYthagoras ist geboren gewest in dem Eyland Samos: und/ nach einiger Aussage/ in der Stadt Abdera. Sein Vatter hieß Mnesarchus. Dieser Pythagoras ist der erste/ so ein Philosophus/ oder Liebhaber der Weisheit genennet worden. Er war ein fleissiger Sucher der Weisheit und Gelehrtheit/ und ein Erforscher der gantzen Natur. Einige unter den Griechen wollen ihnen die Ehre von ihm allein zuschreiben/ vorgebende/ er habe nichts von andern Volckern gelernet. Allein es ist zur Gnüge bekandt/ das Pythagoras/ Plato/ Democritus/ Eudoxus/ Thales/ und andere mehr/ in Egypten/ bey den weisen Priestern gewesen. Daselbst an den seltsamen Pfeilern des Mercurius/ die voller tieffer Geheimnussen und Lehren/ mit sonderbaren Littern/ und mit mancherley Figuren und Bildungen/ so allein die Priester erklären und auslegen konten/ angedeutet und beschrieben waren/ viel hohe Wissenschafften und Geheimnusse zuerlernen. Diese ietztbemeldte Griechen sind/ von wegen ihrer fernen Reise/ und inständigen Suchens/ oder Begehrens/ würdig geachtet worden/ daß ihnen die Erkäntnus solcher Geheimnussen offenbaret würde. Diese Geheimnusse aber betraffen den Gottesdienst/ und die Astronomiam,oder Himmelskunst. Es ist Pythagoras der vornemste Philosophus und Sophist in gantz Griechenland gewest. Das Wort Sophist wird/ in gutem und bösem Verstande/ gebraucht; in gutem/ bedeutet es nicht allein einen Sprachmeister und Redner/ sondern auch einen Liebhaber der Wissenschafften/ oder Philosophum: in bösen aber einen spitzfündig-betrüglicher Schluß-Redner/ der mehr Wesens von einem äusserlichem Schein/ oder von den Schalen/ weder von dem rechtem Kern der wesentlichen Warheit selbst/ machet/ und weiter nichts vorbringet/ dann ein vermummtes Angesicht/ und einen grossen Zierat gefärbter Worte/ auch/ durch List und allerhand zweideutige Reden/ die Einfältige zu verstricken suchet: Also/ daß ein Sophist auch einen Betrieger andeutet. Die weise Lehr-Sprüche des besagten Pythagoras/ und des Empedocles waren vorzeiten/ wie Plutarchus bezeuget/ bey den Griechen für ihre Gesetze/ und Lebens-Regulen gehalten. Er war ein sonderbarer Vocal-Musicus/ welche Kunst er gleichfalls der Himmelskündigung wunderlich applicirte/ in Vergleichung der Music-Töne mit den Planeten und Sternen. Er war auch ein trefflicher Meister im Kämpffen oder Ringen/ hatte viel Länder durchreist/ enthielte sich viel in Italien in Calabrien/ welches damals von den Griechen/ das grosse Griechenland und Calabrien genennet wurde. Dann weil er die tyrannische Herrschung des Polycrates nicht vertragen konte: verließ er sein Vatterland/ und kam herüber in diese Landschafft/ allda man seinen Anhang/ die Italiänische Secte hieß. Er war/ durch die gantze Welt berühmt/ hatte seinem Gehirn wunderbare und seltsame Meinungen eingedruckt/ wie unser Poet/ in diesem seinem letztem Buch darvon viel saget/ insonderheit von der Enthaltung des Fleisch-Essens/ von Wanderung der Seelen/ aus den Menschen/ in wilde Thiere/ und/ aus denen Thieren/ wiederum in die Menschen; und was dergleichen Händel mehr gewesen. Er hat ein streng und abgesondertes/ eingezognes Leben/ fast einem München gleich/ geführt/ sich mit Wenigen bekandt gemacht; dieweil er des gemeinen Volcks Freundschafft wenig geachtet. Er hatte einen Theil seines Anhangs/ oder Lehr-Schüler seiner Weisheit/ denen er zur ersten Lection ein fünfjähriges Stillschweigen/ wie wir anderwerts erzehlt haben/ aufgab. Diese seine Nachfolger hielten unter einander grosse Freundschafft/ und machten/ wann sie des Tages in Worten einige Mishälligkeit gehabt hatten/ ehe die Sonne unterging/ wieder Friede/ gaben einander die Hände wieder und nahm einer den andern in die Arme. Dieser weitberühmte tugendhaffte Mann ist endlich/ tyrannischer Weise/ von den Cyloniern gantz unschuldig/ lebendig verbranndt worden. Unser Poet vergleichet/ aus diesem Pythagoras/ sehr artlich die vier Jahrs-Theile/ mit des Menschen vier Lebenszeiten; Den Frühling/ mit der Kindheit; den Sommer/ mit der Jugend; den Herbst/ mit der Mannheit; und den Winter/ mit dem Alter: und setzet/ zu einen schlüßlichen Beweis seiner Beschreibung des Wandlungs-Buches/ daß auf der Welt nichts Beständiges/ sondern alles veränderlich und wandelbar sey. Weiter gedenckt er auch des Milons/ welchen wir gleichfalls/ zu erkennen/ wer er gewesen/ bemühet seyn wollen. Was das Wort Sophist bedeute Pythagoras ein besonderer Musicus. Vom Milon. MIlon/ der berühmte und überaus-starcke Kämpffer ist gewest aus Calabria in Italien/ von der Stadt Croton. Dieser war so starck/ daß er auf seine Schultern fasste einen zweyjährigen Stier/ selbigen in einem Athem/ zu Rom/ rund um den Schau-Platz trug/ ihn darauf mit der Faust todt schlug/ und selbigen Tages annoch allein aufzehrte. Er nahm in seine Hande einen Granat-Apffel/ und konte ihm niemand einen Finger beugen/ geschweige dann denselben heraus nehmen. Jedoch hielte er ihn/ mit solcher Lindigkeit/ daß auch das geringste nicht dran versehret/ oder zerbrochen wurde. Wann er aufgerichts/ gantz frey/ mit beyden Füssen aneinander stunde/ war kein Mensch so starck/ daß er ihm in vollem Anlauf/ oder mit Gewalt/ auf ihn stossend einen Fuß von der Stelle rucken konte. Er bande ein ziemlich dickes Seil/ oder Strick fest um seine Stirn/ zoch seinen Athem ein/ erhub seine Adern und Haupt-Sennen mit solcher Krafft und Gewalt/ daß es augenblicklich in Stücken sprang. Er that die Hand auf/ ausgenommen den kleinen Finger: Den er geschlossen hielte: und war niemand/ der ihme denselben öffnen konte. Und viel andere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/341
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 165]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/341>, abgerufen am 24.11.2024.