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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] Betrachtung/ daß die Seele des Menschen etwas anders und edlers ist/ denn einige vergängliche Materie: als wird gesagt/ daß die Götter ins gemein und sämtlich die Seele in den Leib geordnet/ und die Seele von iedem einiger himmlischen Kraft oder Tugend theilhafftig worden: Und dieses soll die Zusammenkunfft aller Götter auf des Peleus und der Thetis Hochzeit/ bedeuten: allda man allein die Zwietracht ausgelassen; dieweil alle Dinge auf diese Welt bestehen und kräfftig sind durch Freundschafft und Gleichmässigkeit. Wann aber Zwietracht und Ungleichheit die natürlichen Kräffte überfallen/ und die Oberhand bekommen; vergehet nicht allein die Gleichmässigkeit: Sondern es wird auch die gantze Zusammensetzung zerstöret und verschmeltzet. Dann gleichwie Freundschafft und Einigkeit der Fortpflantzung/ oder Generation Anfang sind; also geben auch Zwietracht/ Uneinigkeit und Hader/ Anfänge und den Ursprung der Zerstörung und des Verderbens. Diesen Zufällen sind auch unterworffen Länder/ Städte und Stände/ so wol/ als ein iedweder besonderer Körper. Sintemalen kein Ding auf der Welt ist/ welches sie leichter ruiniren und zu Grunde richten kan/ als die greuliche und abscheuliche Zwietracht/ welche den Zanck- und Hader-Apffel täglich unter die drey Göttinnen/ die Juno/ Pallas und Venus/ zu werffen pfleget. Dann es fället manchem unleidlich gnug/ daß er die Unwissende/ und welche in der Weisheit unerfahren/ über die Verständige; die Arme über die Reiche; die untugendliche und leichtfertige/ über die tugendsame und standhaffte/ muß herrschen sehen. Zumalen nicht so leichtlich einer/ der zugleich reich/ weiß und mächtig sey/ zu finden ist. Wann man aber solche antreffen solte/ würde niemand von ihnen sich beherrschen Lehrliche Erklärung/ des Urtheils von Paris gefällt. zu lassen/ iemals weigeren. Das Urtheil des Hirten Paris deutet an/ und giebt Ursach/ die Hertzen derjenigen zu entzünden/ welche zu herrschen erkoren/ oder geboren sind/ sich mit herrlichen Tugenden/ als der Standhafftigkeit/ Weisheit/ Mässigkeit und Vorsichtigkeit auszurüsten/ damit sie/ in allen ihren Anschlägen/ glückseelig seyn/ und ein Exempel an dem Paris nehmen mögen; Als welcher die Weisheit und den Reichthum verachtete/ die Unkeuschheit erwehlete/ und also seines Vaterlands verderb/ seinen eigenen/ und aller seiner Freunde Tod/ und jämmerlichen Untergang verursachte; da er/ durch die Weisheit/ und den Reichthum/ sein Reich hätte können erbauen und herrlich machen/ auch seine Freunde in erwünschter Glückseeligkeit unterhalten. Dieweil dann ein iedweder Mensch in sich selbsten einige besondere Neigung hat/ darinnen sein natürlicher Humor und Appetit mehr Vergnügung empfindet/ als in allen andern Dingen: Als wird/ von Einigen/ durch den Paris/ verstanden die fleischliche Lust/ welche/ die Wolfart und Weisheit verlassend/ ein unehrliches Leben erwehlet/ das doch weder einem Potentaten/ noch Burger anstehet; Dann ein solcher Mensch ist sehr gefährlich dran/ zumal bey ihm weder Gastfreyheitlich Recht/ noch ehrlichs Gesetz seyn kan/ welche er nicht schänden und brechen solte. Woraus dann zu sehen/ daß die alte Poeten/ wann sie die[Spaltenumbruch] Schnödigkeit und Unbedachtsamkeit dieses Paris vorgestellt/ uns dahin anweisen/ daß wir unserer eigenen Thorheit absagen/ und dieselbe verdammen sollen. Dann der Venus Name ist (wie wir/ im vierdten Buch/ gezeigt haben.) Aphrodite/ oder Aphrosyne/ so viel/ als Narrheit und Verwirrung des Geistes;wie solches Euripides/ in seinen Troadibus zu erkennen gibt.Alhier können wir auch beyfügen die Auslegung/ so Apulejus über des Paris Urtheil gegeben. Die Venus/ oder diese Thorheit/ sagt/ nachdem ihr der Siegs- Apffel/ um Geschencke/ und aus thörigter Passion und Gunst/ unrechtmässiger Weise/ zugeeignet worden/ also: Was verwundert ihr euch dann/ O allerschnödeste Menschen! ja/ vielmehr unvernünfftige Bestien: Daß anietzo alle Richter ihre Urtheile und Sprüche um Lohn zu Kauff stellen? weil im Anfang aller Dinge die Gunst/ oder Wolgesprächligkeit/ unter Göttern und Menschen/ das Recht befördert/ oder verderbet und untergedruckt hat? Zu dem ursprünglichen Urtheil war/ durch des grossen Jupiters Raht/ erwehlet ein Landmann und Schaf-Hirte/ der/ um Erlangung der Wollust/ das Recht verkauft hat/ auch mit Verderb seines gantzen Geschlechts. Gleichwie nun die alte Gedichte ins gemein alle Misbräuche und Ungerechtigkeit/ unter allerley Ständen der Menschen/ bestraffen: Also werden alhier etwas hart bey den Haaren gezogen untreue Richter/ die das Recht aus Gunst/ und um Geschencke willen/ beugen und krümmen/ wie sie wollen. Anbey wird zugleich angezeigt/ daß ins gemein und insonderheit iedweder Mensch ein gutes Urtheil haben und fällen solle: Daß es der Jugend/ zu grossem Schaden und Verderb/ gereiche/ wann sie sich nicht zur Weisheit verfüget/ sondern sich ein thörigt und leichtfertiges Leben zu führen gewohnt. Es ist in dem Menschen nicht leicht etwas schädlichers/ als ein verkehrt böses Urtheil: Dann hieraus in der Welt/ alle verderbliche Uneinigkeit/ Krieg/ Aufruhr und Elend/ entstehet. Dieses böse Urtheil aber/ hat seinen Ursprung allein/ aus dem Unverstande/ welcher ein verderbliches Ungeheuer und Sphinx ist/ auf dem Wege unsers zeitlichen Lebens. Nachdem wir nun das Beylager der Thetis abgehandelt haben; müssen wir auch ihren Sohn/ den Achilles/ vor uns nehmen.

Achilles war ein Sohn des Peleus und der Thetis; und Peleus ein Mensch/ die Thetis aber eine Göttin. Diese Thetis hatte den Gebrauch/ oder die Gewonheit/ ihre Kinder des Nachts im Feuer zu verbergen/ um ihnen zu benehmen alles/ was an ihnen sterblich war/ und damit sie von keinem Alter beschwert werden möchten: Weil sie aber die Krafft des Feuers nicht vertragen mögen/ sind sie alle gestorben/ ausgenommen Achilles: Welchen sie mit grosser mütterlicher Sorgfältigkeit des Tages/ von dem Hauptscheidel an/ bis auf die Fußsohle/ mit Ambrosia bestrich. Dannenhero er auch Pyrisous/ oder Feuer-frey genennet wurde. Dieweil aber das Kind also bestrichen war/ und diese Götterkost mit dem Zünglein von den Lippen abgeleckt/ konte das blosse Fleisch das Feuer nicht vertragen/ also daß ein Theil von den Lippen vom

[Spaltenumbruch] Betrachtung/ daß die Seele des Menschen etwas anders und edlers ist/ denn einige vergängliche Materie: als wird gesagt/ daß die Götter ins gemein und sämtlich die Seele in den Leib geordnet/ und die Seele von iedem einiger himmlischen Kraft oder Tugend theilhafftig worden: Und dieses soll die Zusammenkunfft aller Götter auf des Peleus und der Thetis Hochzeit/ bedeuten: allda man allein die Zwietracht ausgelassen; dieweil alle Dinge auf diese Welt bestehen und kräfftig sind durch Freundschafft und Gleichmässigkeit. Wann aber Zwietracht und Ungleichheit die natürlichen Kräffte überfallen/ und die Oberhand bekommen; vergehet nicht allein die Gleichmässigkeit: Sondern es wird auch die gantze Zusammensetzung zerstöret und verschmeltzet. Dann gleichwie Freundschafft und Einigkeit der Fortpflantzung/ oder Generation Anfang sind; also geben auch Zwietracht/ Uneinigkeit und Hader/ Anfänge und den Ursprung der Zerstörung und des Verderbens. Diesen Zufällen sind auch unterworffen Länder/ Städte und Stände/ so wol/ als ein iedweder besonderer Körper. Sintemalen kein Ding auf der Welt ist/ welches sie leichter ruiniren und zu Grunde richten kan/ als die greuliche und abscheuliche Zwietracht/ welche den Zanck- und Hader-Apffel täglich unter die drey Göttinnen/ die Juno/ Pallas und Venus/ zu werffen pfleget. Dann es fället manchem unleidlich gnug/ daß er die Unwissende/ und welche in der Weisheit unerfahren/ über die Verständige; die Arme über die Reiche; die untugendliche und leichtfertige/ über die tugendsame und standhaffte/ muß herrschen sehen. Zumalen nicht so leichtlich einer/ der zugleich reich/ weiß und mächtig sey/ zu finden ist. Wann man aber solche antreffen solte/ würde niemand von ihnen sich beherrschen Lehrliche Erklärung/ des Urtheils von Paris gefällt. zu lassen/ iemals weigeren. Das Urtheil des Hirten Paris deutet an/ und giebt Ursach/ die Hertzen derjenigen zu entzünden/ welche zu herrschen erkoren/ oder geboren sind/ sich mit herrlichen Tugenden/ als der Standhafftigkeit/ Weisheit/ Mässigkeit und Vorsichtigkeit auszurüsten/ damit sie/ in allen ihren Anschlägen/ glückseelig seyn/ und ein Exempel an dem Paris nehmen mögen; Als welcher die Weisheit und den Reichthum verachtete/ die Unkeuschheit erwehlete/ und also seines Vaterlands verderb/ seinen eigenen/ und aller seiner Freunde Tod/ und jämmerlichen Untergang verursachte; da er/ durch die Weisheit/ und den Reichthum/ sein Reich hätte können erbauen und herrlich machen/ auch seine Freunde in erwünschter Glückseeligkeit unterhalten. Dieweil dann ein iedweder Mensch in sich selbsten einige besondere Neigung hat/ darinnen sein natürlicher Humor und Appetit mehr Vergnügung empfindet/ als in allen andern Dingen: Als wird/ von Einigen/ durch den Paris/ verstanden die fleischliche Lust/ welche/ die Wolfart und Weisheit verlassend/ ein unehrliches Leben erwehlet/ das doch weder einem Potentaten/ noch Burger anstehet; Dann ein solcher Mensch ist sehr gefährlich dran/ zumal bey ihm weder Gastfreyheitlich Recht/ noch ehrlichs Gesetz seyn kan/ welche er nicht schänden und brechen solte. Woraus dann zu sehen/ daß die alte Poeten/ wann sie die[Spaltenumbruch] Schnödigkeit und Unbedachtsamkeit dieses Paris vorgestellt/ uns dahin anweisen/ daß wir unserer eigenen Thorheit absagen/ und dieselbe verdammen sollen. Dann der Venus Name ist (wie wir/ im vierdten Buch/ gezeigt haben.) Aphrodite/ oder Aphrosyne/ so viel/ als Narrheit und Verwirrung des Geistes;wie solches Euripides/ in seinen Troadibus zu erkennen gibt.Alhier können wir auch beyfügen die Auslegung/ so Apulejus über des Paris Urtheil gegeben. Die Venus/ oder diese Thorheit/ sagt/ nachdem ihr der Siegs- Apffel/ um Geschencke/ und aus thörigter Passion und Gunst/ unrechtmässiger Weise/ zugeeignet worden/ also: Was verwundert ihr euch dann/ O allerschnödeste Menschen! ja/ vielmehr unvernünfftige Bestien: Daß anietzo alle Richter ihre Urtheile und Sprüche um Lohn zu Kauff stellen? weil im Anfang aller Dinge die Gunst/ oder Wolgesprächligkeit/ unter Göttern und Menschen/ das Recht befördert/ oder verderbet und untergedruckt hat? Zu dem ursprünglichen Urtheil war/ durch des grossen Jupiters Raht/ erwehlet ein Landmann und Schaf-Hirte/ der/ um Erlangung der Wollust/ das Recht verkauft hat/ auch mit Verderb seines gantzen Geschlechts. Gleichwie nun die alte Gedichte ins gemein alle Misbräuche und Ungerechtigkeit/ unter allerley Ständen der Menschen/ bestraffen: Also werden alhier etwas hart bey den Haaren gezogen untreue Richter/ die das Recht aus Gunst/ und um Geschencke willen/ beugen und krümmen/ wie sie wollen. Anbey wird zugleich angezeigt/ daß ins gemein und insonderheit iedweder Mensch ein gutes Urtheil haben und fällen solle: Daß es der Jugend/ zu grossem Schaden und Verderb/ gereiche/ wann sie sich nicht zur Weisheit verfüget/ sondern sich ein thörigt und leichtfertiges Leben zu führen gewohnt. Es ist in dem Menschen nicht leicht etwas schädlichers/ als ein verkehrt böses Urtheil: Dann hieraus in der Welt/ alle verderbliche Uneinigkeit/ Krieg/ Aufruhr und Elend/ entstehet. Dieses böse Urtheil aber/ hat seinen Ursprung allein/ aus dem Unverstande/ welcher ein verderbliches Ungeheuer und Sphinx ist/ auf dem Wege unsers zeitlichen Lebens. Nachdem wir nun das Beylager der Thetis abgehandelt haben; müssen wir auch ihren Sohn/ den Achilles/ vor uns nehmen.

Achilles war ein Sohn des Peleus und der Thetis; und Peleus ein Mensch/ die Thetis aber eine Göttin. Diese Thetis hatte den Gebrauch/ oder die Gewonheit/ ihre Kinder des Nachts im Feuer zu verbergen/ um ihnen zu benehmen alles/ was an ihnen sterblich war/ und damit sie von keinem Alter beschwert werden möchten: Weil sie aber die Krafft des Feuers nicht vertragen mögen/ sind sie alle gestorben/ ausgenommen Achilles: Welchen sie mit grosser mütterlicher Sorgfältigkeit des Tages/ von dem Hauptscheidel an/ bis auf die Fußsohle/ mit Ambrosia bestrich. Dannenhero er auch Pyrisous/ oder Feuer-frey genennet wurde. Dieweil aber das Kind also bestrichen war/ und diese Götterkost mit dem Zünglein von den Lippen abgeleckt/ konte das blosse Fleisch das Feuer nicht vertragen/ also daß ein Theil von den Lippen vom

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[[Metamorphosis, S. 131]/0307] Betrachtung/ daß die Seele des Menschen etwas anders und edlers ist/ denn einige vergängliche Materie: als wird gesagt/ daß die Götter ins gemein und sämtlich die Seele in den Leib geordnet/ und die Seele von iedem einiger himmlischen Kraft oder Tugend theilhafftig worden: Und dieses soll die Zusammenkunfft aller Götter auf des Peleus und der Thetis Hochzeit/ bedeuten: allda man allein die Zwietracht ausgelassen; dieweil alle Dinge auf diese Welt bestehen und kräfftig sind durch Freundschafft und Gleichmässigkeit. Wann aber Zwietracht und Ungleichheit die natürlichen Kräffte überfallen/ und die Oberhand bekommen; vergehet nicht allein die Gleichmässigkeit: Sondern es wird auch die gantze Zusammensetzung zerstöret und verschmeltzet. Dann gleichwie Freundschafft und Einigkeit der Fortpflantzung/ oder Generation Anfang sind; also geben auch Zwietracht/ Uneinigkeit und Hader/ Anfänge und den Ursprung der Zerstörung und des Verderbens. Diesen Zufällen sind auch unterworffen Länder/ Städte und Stände/ so wol/ als ein iedweder besonderer Körper. Sintemalen kein Ding auf der Welt ist/ welches sie leichter ruiniren und zu Grunde richten kan/ als die greuliche und abscheuliche Zwietracht/ welche den Zanck- und Hader-Apffel täglich unter die drey Göttinnen/ die Juno/ Pallas und Venus/ zu werffen pfleget. Dann es fället manchem unleidlich gnug/ daß er die Unwissende/ und welche in der Weisheit unerfahren/ über die Verständige; die Arme über die Reiche; die untugendliche und leichtfertige/ über die tugendsame und standhaffte/ muß herrschen sehen. Zumalen nicht so leichtlich einer/ der zugleich reich/ weiß und mächtig sey/ zu finden ist. Wann man aber solche antreffen solte/ würde niemand von ihnen sich beherrschen zu lassen/ iemals weigeren. Das Urtheil des Hirten Paris deutet an/ und giebt Ursach/ die Hertzen derjenigen zu entzünden/ welche zu herrschen erkoren/ oder geboren sind/ sich mit herrlichen Tugenden/ als der Standhafftigkeit/ Weisheit/ Mässigkeit und Vorsichtigkeit auszurüsten/ damit sie/ in allen ihren Anschlägen/ glückseelig seyn/ und ein Exempel an dem Paris nehmen mögen; Als welcher die Weisheit und den Reichthum verachtete/ die Unkeuschheit erwehlete/ und also seines Vaterlands verderb/ seinen eigenen/ und aller seiner Freunde Tod/ und jämmerlichen Untergang verursachte; da er/ durch die Weisheit/ und den Reichthum/ sein Reich hätte können erbauen und herrlich machen/ auch seine Freunde in erwünschter Glückseeligkeit unterhalten. Dieweil dann ein iedweder Mensch in sich selbsten einige besondere Neigung hat/ darinnen sein natürlicher Humor und Appetit mehr Vergnügung empfindet/ als in allen andern Dingen: Als wird/ von Einigen/ durch den Paris/ verstanden die fleischliche Lust/ welche/ die Wolfart und Weisheit verlassend/ ein unehrliches Leben erwehlet/ das doch weder einem Potentaten/ noch Burger anstehet; Dann ein solcher Mensch ist sehr gefährlich dran/ zumal bey ihm weder Gastfreyheitlich Recht/ noch ehrlichs Gesetz seyn kan/ welche er nicht schänden und brechen solte. Woraus dann zu sehen/ daß die alte Poeten/ wann sie die Schnödigkeit und Unbedachtsamkeit dieses Paris vorgestellt/ uns dahin anweisen/ daß wir unserer eigenen Thorheit absagen/ und dieselbe verdammen sollen. Dann der Venus Name ist (wie wir/ im vierdten Buch/ gezeigt haben.) Aphrodite/ oder Aphrosyne/ so viel/ als Narrheit und Verwirrung des Geistes;wie solches Euripides/ in seinen Troadibus zu erkennen gibt.Alhier können wir auch beyfügen die Auslegung/ so Apulejus über des Paris Urtheil gegeben. Die Venus/ oder diese Thorheit/ sagt/ nachdem ihr der Siegs- Apffel/ um Geschencke/ und aus thörigter Passion und Gunst/ unrechtmässiger Weise/ zugeeignet worden/ also: Was verwundert ihr euch dann/ O allerschnödeste Menschen! ja/ vielmehr unvernünfftige Bestien: Daß anietzo alle Richter ihre Urtheile und Sprüche um Lohn zu Kauff stellen? weil im Anfang aller Dinge die Gunst/ oder Wolgesprächligkeit/ unter Göttern und Menschen/ das Recht befördert/ oder verderbet und untergedruckt hat? Zu dem ursprünglichen Urtheil war/ durch des grossen Jupiters Raht/ erwehlet ein Landmann und Schaf-Hirte/ der/ um Erlangung der Wollust/ das Recht verkauft hat/ auch mit Verderb seines gantzen Geschlechts. Gleichwie nun die alte Gedichte ins gemein alle Misbräuche und Ungerechtigkeit/ unter allerley Ständen der Menschen/ bestraffen: Also werden alhier etwas hart bey den Haaren gezogen untreue Richter/ die das Recht aus Gunst/ und um Geschencke willen/ beugen und krümmen/ wie sie wollen. Anbey wird zugleich angezeigt/ daß ins gemein und insonderheit iedweder Mensch ein gutes Urtheil haben und fällen solle: Daß es der Jugend/ zu grossem Schaden und Verderb/ gereiche/ wann sie sich nicht zur Weisheit verfüget/ sondern sich ein thörigt und leichtfertiges Leben zu führen gewohnt. Es ist in dem Menschen nicht leicht etwas schädlichers/ als ein verkehrt böses Urtheil: Dann hieraus in der Welt/ alle verderbliche Uneinigkeit/ Krieg/ Aufruhr und Elend/ entstehet. Dieses böse Urtheil aber/ hat seinen Ursprung allein/ aus dem Unverstande/ welcher ein verderbliches Ungeheuer und Sphinx ist/ auf dem Wege unsers zeitlichen Lebens. Nachdem wir nun das Beylager der Thetis abgehandelt haben; müssen wir auch ihren Sohn/ den Achilles/ vor uns nehmen. Lehrliche Erklärung/ des Urtheils von Paris gefällt. Achilles war ein Sohn des Peleus und der Thetis; und Peleus ein Mensch/ die Thetis aber eine Göttin. Diese Thetis hatte den Gebrauch/ oder die Gewonheit/ ihre Kinder des Nachts im Feuer zu verbergen/ um ihnen zu benehmen alles/ was an ihnen sterblich war/ und damit sie von keinem Alter beschwert werden möchten: Weil sie aber die Krafft des Feuers nicht vertragen mögen/ sind sie alle gestorben/ ausgenommen Achilles: Welchen sie mit grosser mütterlicher Sorgfältigkeit des Tages/ von dem Hauptscheidel an/ bis auf die Fußsohle/ mit Ambrosia bestrich. Dannenhero er auch Pyrisous/ oder Feuer-frey genennet wurde. Dieweil aber das Kind also bestrichen war/ und diese Götterkost mit dem Zünglein von den Lippen abgeleckt/ konte das blosse Fleisch das Feuer nicht vertragen/ also daß ein Theil von den Lippen vom

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 131]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/307>, abgerufen am 27.11.2024.