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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] Schwester zu suchen verbotten/ und dargegen gebotten war eine Stadt zu bauen/ wie unser Poet ferner erzehlt. Endlich tödtete Cadmus/ bey dem Brunnen Dirce/ die grausame Schlange/ welche von dem Marte gezeuget war; weswegen ihn Mars gezwungen/ ihme ein Jahr lang unterworffen und dienstbar zu seyn: welches Jahr jedoch damals so lang war/ als anjetzo acht Jahre zu seyn pflegen. Hernach hat die Minerva den Königlichen Hoff des Cadmus/ sehr herrlich geziert/ und Jupiter ihn/ mit der Harmonia/ ehlich vertrauet. Verehligung und herrliche Hochzeit des Cadmus Diese Harmonia/ sagt Diodorus/ in seinem sechstem Buche/ sey eine Tochter des Jupiters/ und der Electra. Hesiodus aber wil/ daß Mars und Venus ihre Eltern seyn. Diese Hochzeit ward gezieret/ mit der Gegenwart aller Götter/ so auch die Braut mit Geschencken beehrten; als die Ceres mit Korne/ einer Frucht ihrer Erfindung; Mercurius mit einer Lauten; die Pallas/ mit Juwelen und Flöten; die Electra/ mit Zimbalen und Paucken. Apollo der Musicant bey den Hochzeiten/ mit einer Zitter; Des Cadmus Nachkömmlinge. und die Musen/ mit Pfeiffen. Die andere Götter aber beehrten sie/ mit andern herrlichen Gaben. Aus dieser Ehe/ ward gezeuget Polydorus; von dem Polydorus/ Labdacus; von diesem wiederum Laius/ der Vatter des Oedipus; von welchem/ im neundten Buche/ gehandelt werden soll.

Dieser Cadmus hatte auch vier Töchter/ als die Ino/ Semele/ Agave/ und Antonoe. Nachdem er nun unglaublich viel Widerwärtigkeiten/ um seiner Töchter und Nachkömlinge willen/ erlitten hatte; satzte er auf den Königlichen Thebaischen Stuhl den Pentheus/ einen Sohn des Echions/ und seiner Tochter Agave/ und erhub sich/ mit seiner Harmonia/ zu dem Encheles/ in Dalmatien: weil ihn das Volck seiner angräntzenden Landen/ als sie beängstiget wurden/ auf Raht des Orakels/ dahin zu kommen/ ersuchen lassen/ nachdem ihnen geweissaget worden/ daß sie/ durch den Cadmus/ erlöset werden sollen. Als er nun/ von diesem Volck/ zum Kriegs-Haupt erwählt worden/ erhielte er den Sieg wider die Feinde/ und ward also König von Dalmatien; welches er dann/ mit gutem Frieden und Glück/ regiert und besessen; allda aber auch er/ und seine Gemahlin/ in Schlangen verwandelt; worvon/ im vierdten Buch/ wie auch von des Mars und der Venus Tochter/ der Harmonia/ fernere Ausführligkeit Historische Erklärung über des Cadmus Drachen-Tödtung. erfolgen soll. Belangend dann/ daß Cadmus/ als er/ seine Schwester zusuchen/ ausgesandt war/ einen grimmigen Drachen/ in dem Brunnen Dirce/ getödet haben soll; steckt/ unter selbigem Gedichte/ diese Warheit/ daß er umgebracht einen erschröcklichen Rauber/ welcher Drach genennet ward/ und denen allda vorüber reisenden Fremdlingen viel Grausamkeit und Gewalts anlegte/ auch albereits Einigen von den Seinen den Hals abgeschnitten hatte. Man sagt/ er habe die Zähne des Drachen gesäet/ und will damit anzeigen/ als sein Anhang oder Spießgesellen gesehen/ daß ihr Haupt geschlagen worden/ hätten sie die Flucht genommen/ und wären also gleichsam gesäet/ oder einer hier/ der ander dort hinaus/ zerstreuet worden. Einige schreiben/ daß Cadmus/ auf der Minerva Raht/ einen Stein mitten unter die Brüder/ so aus den [Spaltenumbruch] Drachenzähnen hervor gewachsen/ geworffen hätte/ und weil einer getroffen worden/ habe er sich gäntzlich eingebildet/ es wäre ihm solches von einem seiner Mitbrüder geschehen: dahero er es/ mit dem Todschlage/ gerochen: welches wiederum ein anderer/ an diesem/ gerochen/ und also immer Einer den Andern umgebracht/ daß ihrer mehr nicht/ dann fünffe/ darvon lebend blieben. Dieses/ wollen einige/ sey eine vorbedeutende Anweisung gewesen der Zwiespaltungen und Kriege/ welche die Thebaner ins künfftige beschweren und qvählen würden: dann hernach sehr schwere und verderbliche einheimische oder bürgerliche Kriege und Blutvergiessen unter ihnen entstanden sind. Gleichwie zum öfftern/ aus einem geringen Schaden und Mishandlung oder anderer schlechten Ursache/ grosse Unruhen/ und unwiederbringlicher Schade und Verderbnüsse/ zu entstehen pflegen: und zwar nicht allein/ unter Bürgern und Freunden; sondern auch wol/ unter Brüdern/ und andern nahen Blutverwanden. Dann/ wie Plutarchus/ in der Brüderlichen Freundschafft/ erzehlt; so müssen sie den brennenden Eifer und der Hartnäckigkeit gleich anfangs widerstehen/ sich gewöhnen einander nachzugeben/ und aus Liebe sich überwinden lassen/ auch sich erfreuen/ wann sie einander gefallen mögen: Und eben dieses war auch die eigentliche Meynung und der rechte Verstand des alten Sprichtworts: der Cadmische Sieg.

Wir müssen aber anietzo die gantze Fabel vom Anfang wiederholen: damit wir die darunter verborgene Lehren erklären und vorstellen können. Fürs erste war dem Cadmus/ vom Orakel/ verbotten/ seine Schwester zu suchen oder auszuforschen/ er muste dem Ochsen/ welcher ihm/ zum Führer oder Wegweiser verordnet war/ nachfolgen/ und die Boeotische Stadt Thebas/ allda der Ochse ruhen würde/ auferbauen. Dieser Cadmus ist alhier ein Vorbild der Jugend/ oder eines Jünglings/ welcher dem Göttlichen oder tugendlichen Raht oder Triebe gehorsamet/ das faule/ träge/ zur Fröligkeit geneigte/ wollüstige Leben/ Art und Wesen/ verlässt/ ein Männlich-ernsthafftes Gemüht ergreiffet/ und dem Ochsen/ wordurch die Arbeit verstanden wird/ nachfolget/ auf daß er/ durch diesen tugendlichen Weg der Arbeit/ zur Ehr und Ruhe gelangen möge. Er bauete eine Stadt/ die er nannte nach Gott/ welcher ihm den Weg gelehret hatte/ und dem Ochsen/ der ihm geholffen hatte/ dahin zukommen; nemlich/ erstbesagte Stadt Thebas/ welche hernach eine sehr mächtige Stadt worden. Dann ohne Gott/ kan des Menschen Arbeit nicht gedeyen: wann aber Gott die Arbeit/ das Gebäu/ oder Zimmerung darzu gethan/ so wird es guten Fortgang haben/ wol Wurtzeln und bekleiben/ was auch vor unglückliche Schwerigkeiten darwider aufsteigen oder vorkommen; dafern man nur/ in großmühtiger Gedult/ Lehrliche Erklärung über die Tödtung des Drachen/ und dem Streit der/ aus den gesäeten Drachen-Zähn gewachsenen Brüder. beständig darinnen beharret. Die Knechte oder Gesellen des Cadmus/ die von dem Drachen getödtet waren/ bedeuten das eitele Beginnen der Jugend/ so/ mit der Zeit/ durch der Weisheit/ (durch die Schlange zuverstehen) verworffen wird: dann die rechte vollkommene Weisheit verwirffet und tödtet viel eitele närrische Gedancken und Begierden/ darmit wir/ in unserer unbedachtsamen blinden

[Spaltenumbruch] Schwester zu suchen verbotten/ und dargegen gebotten war eine Stadt zu bauen/ wie unser Poet ferner erzehlt. Endlich tödtete Cadmus/ bey dem Brunnen Dirce/ die grausame Schlange/ welche von dem Marte gezeuget war; weswegen ihn Mars gezwungen/ ihme ein Jahr lang unterworffen und dienstbar zu seyn: welches Jahr jedoch damals so lang war/ als anjetzo acht Jahre zu seyn pflegen. Hernach hat die Minerva den Königlichen Hoff des Cadmus/ sehr herrlich geziert/ und Jupiter ihn/ mit der Harmonia/ ehlich vertrauet. Verehligung und herrliche Hochzeit des Cadmus Diese Harmonia/ sagt Diodorus/ in seinem sechstem Buche/ sey eine Tochter des Jupiters/ und der Electra. Hesiodus aber wil/ daß Mars und Venus ihre Eltern seyn. Diese Hochzeit ward gezieret/ mit der Gegenwart aller Götter/ so auch die Braut mit Geschencken beehrten; als die Ceres mit Korne/ einer Frucht ihrer Erfindung; Mercurius mit einer Lauten; die Pallas/ mit Juwelen und Flöten; die Electra/ mit Zimbalen und Paucken. Apollo der Musicant bey den Hochzeiten/ mit einer Zitter; Des Cadmus Nachkömmlinge. und die Musen/ mit Pfeiffen. Die andere Götter aber beehrten sie/ mit andern herrlichen Gaben. Aus dieser Ehe/ ward gezeuget Polydorus; von dem Polydorus/ Labdacus; von diesem wiederum Laius/ der Vatter des Oedipus; von welchem/ im neundten Buche/ gehandelt werden soll.

Dieser Cadmus hatte auch vier Töchter/ als die Ino/ Semele/ Agave/ und Antonoe. Nachdem er nun unglaublich viel Widerwärtigkeiten/ um seiner Töchter und Nachkömlinge willen/ erlitten hatte; satzte er auf den Königlichen Thebaischen Stuhl den Pentheus/ einen Sohn des Echions/ und seiner Tochter Agave/ und erhub sich/ mit seiner Harmonia/ zu dem Encheles/ in Dalmatien: weil ihn das Volck seiner angräntzenden Landen/ als sie beängstiget wurden/ auf Raht des Orakels/ dahin zu kommen/ ersuchen lassen/ nachdem ihnen geweissaget worden/ daß sie/ durch den Cadmus/ erlöset werden sollen. Als er nun/ von diesem Volck/ zum Kriegs-Haupt erwählt worden/ erhielte er den Sieg wider die Feinde/ und ward also König von Dalmatien; welches er dann/ mit gutem Frieden und Glück/ regiert und besessen; allda aber auch er/ und seine Gemahlin/ in Schlangen verwandelt; worvon/ im vierdten Buch/ wie auch von des Mars und der Venus Tochter/ der Harmonia/ fernere Ausführligkeit Historische Erklärung über des Cadmus Drachen-Tödtung. erfolgen soll. Belangend dann/ daß Cadmus/ als er/ seine Schwester zusuchen/ ausgesandt war/ einen grimmigen Drachen/ in dem Brunnen Dirce/ getödet haben soll; steckt/ unter selbigem Gedichte/ diese Warheit/ daß er umgebracht einen erschröcklichen Rauber/ welcher Drach genennet ward/ und denen allda vorüber reisenden Fremdlingen viel Grausamkeit und Gewalts anlegte/ auch albereits Einigen von den Seinen den Hals abgeschnitten hatte. Man sagt/ er habe die Zähne des Drachen gesäet/ und will damit anzeigen/ als sein Anhang oder Spießgesellen gesehen/ daß ihr Haupt geschlagen worden/ hätten sie die Flucht genommen/ und wären also gleichsam gesäet/ oder einer hier/ der ander dort hinaus/ zerstreuet worden. Einige schreiben/ daß Cadmus/ auf der Minerva Raht/ einen Stein mitten unter die Brüder/ so aus den [Spaltenumbruch] Drachenzähnen hervor gewachsen/ geworffen hätte/ und weil einer getroffen worden/ habe er sich gäntzlich eingebildet/ es wäre ihm solches von einem seiner Mitbrüder geschehen: dahero er es/ mit dem Todschlage/ gerochen: welches wiederum ein anderer/ an diesem/ gerochen/ und also immer Einer den Andern umgebracht/ daß ihrer mehr nicht/ dann fünffe/ darvon lebend blieben. Dieses/ wollen einige/ sey eine vorbedeutende Anweisung gewesen der Zwiespaltungen und Kriege/ welche die Thebaner ins künfftige beschweren und qvählen würden: dann hernach sehr schwere und verderbliche einheimische oder bürgerliche Kriege und Blutvergiessen unter ihnen entstanden sind. Gleichwie zum öfftern/ aus einem geringen Schaden und Mishandlung oder anderer schlechten Ursache/ grosse Unruhen/ und unwiederbringlicher Schade und Verderbnüsse/ zu entstehen pflegen: und zwar nicht allein/ unter Bürgern und Freunden; sondern auch wol/ unter Brüdern/ und andern nahen Blutverwanden. Dann/ wie Plutarchus/ in der Brüderlichen Freundschafft/ erzehlt; so müssen sie den brennenden Eifer und der Hartnäckigkeit gleich anfangs widerstehen/ sich gewöhnen einander nachzugeben/ und aus Liebe sich überwinden lassen/ auch sich erfreuen/ wann sie einander gefallen mögen: Und eben dieses war auch die eigentliche Meynung und der rechte Verstand des alten Sprichtworts: der Cadmische Sieg.

Wir müssen aber anietzo die gantze Fabel vom Anfang wiederholen: damit wir die darunter verborgene Lehren erklären und vorstellen können. Fürs erste war dem Cadmus/ vom Orakel/ verbotten/ seine Schwester zu suchen oder auszuforschen/ er muste dem Ochsen/ welcher ihm/ zum Führer oder Wegweiser verordnet war/ nachfolgen/ und die Boeotische Stadt Thebas/ allda der Ochse ruhen würde/ auferbauen. Dieser Cadmus ist alhier ein Vorbild der Jugend/ oder eines Jünglings/ welcher dem Göttlichen oder tugendlichen Raht oder Triebe gehorsamet/ das faule/ träge/ zur Fröligkeit geneigte/ wollüstige Leben/ Art und Wesen/ verlässt/ ein Männlich-ernsthafftes Gemüht ergreiffet/ und dem Ochsen/ wordurch die Arbeit verstanden wird/ nachfolget/ auf daß er/ durch diesen tugendlichen Weg der Arbeit/ zur Ehr und Ruhe gelangen möge. Er bauete eine Stadt/ die er nannte nach Gott/ welcher ihm den Weg gelehret hatte/ und dem Ochsen/ der ihm geholffen hatte/ dahin zukommen; nemlich/ erstbesagte Stadt Thebas/ welche hernach eine sehr mächtige Stadt worden. Dann ohne Gott/ kan des Menschen Arbeit nicht gedeyen: wann aber Gott die Arbeit/ das Gebäu/ oder Zimmerung darzu gethan/ so wird es guten Fortgang haben/ wol Wurtzeln und bekleiben/ was auch vor unglückliche Schwerigkeiten darwider aufsteigen oder vorkommen; dafern man nur/ in großmühtiger Gedult/ Lehrliche Erklärung über die Tödtung des Drachen/ und dem Streit der/ aus den gesäeten Drachen-Zähn gewachsenen Brüder. beständig darinnen beharret. Die Knechte oder Gesellen des Cadmus/ die von dem Drachen getödtet waren/ bedeuten das eitele Beginnen der Jugend/ so/ mit der Zeit/ durch der Weisheit/ (durch die Schlange zuverstehen) verworffen wird: dann die rechte vollkommene Weisheit verwirffet und tödtet viel eitele närrische Gedancken und Begierden/ darmit wir/ in unserer unbedachtsamen blinden

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Drachenzähnen hervor gewachsen/ geworffen hätte/ und weil einer getroffen worden/ habe er sich gäntzlich eingebildet/ es wäre ihm solches von einem seiner Mitbrüder geschehen: dahero er es/ mit dem Todschlage/ gerochen: welches wiederum ein anderer/ an diesem/ gerochen/ und also immer Einer den Andern umgebracht/ daß ihrer mehr nicht/ dann fünffe/ darvon lebend blieben. Dieses/ wollen einige/ sey eine vorbedeutende Anweisung gewesen der Zwiespaltungen und Kriege/ welche die Thebaner ins künfftige beschweren und qvählen würden: dann hernach sehr schwere und verderbliche einheimische oder bürgerliche Kriege und Blutvergiessen unter ihnen entstanden sind. Gleichwie zum öfftern/ aus einem geringen Schaden und Mishandlung oder anderer schlechten Ursache/ grosse Unruhen/ und unwiederbringlicher Schade und Verderbnüsse/ zu entstehen pflegen: und zwar nicht allein/ unter Bürgern und Freunden; sondern auch wol/ unter Brüdern/ und andern nahen Blutverwanden. Dann/ wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-343 http://d-nb.info/gnd/118595237 http://viaf.org/viaf/32140876">Plutarchus</persName>/ in der Brüderlichen Freundschafft/ erzehlt; so müssen sie den brennenden Eifer und der Hartnäckigkeit gleich anfangs widerstehen/ sich gewöhnen einander nachzugeben/ und aus Liebe sich überwinden lassen/ auch sich erfreuen/ wann sie einander gefallen mögen: Und eben dieses war auch die eigentliche Meynung und der rechte Verstand des alten Sprichtworts: der Cadmische Sieg.</p>
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[[Metamorphosis, S. 34]/0210] Schwester zu suchen verbotten/ und dargegen gebotten war eine Stadt zu bauen/ wie unser Poet ferner erzehlt. Endlich tödtete Cadmus/ bey dem Brunnen Dirce/ die grausame Schlange/ welche von dem Marte gezeuget war; weswegen ihn Mars gezwungen/ ihme ein Jahr lang unterworffen und dienstbar zu seyn: welches Jahr jedoch damals so lang war/ als anjetzo acht Jahre zu seyn pflegen. Hernach hat die Minerva den Königlichen Hoff des Cadmus/ sehr herrlich geziert/ und Jupiter ihn/ mit der Harmonia/ ehlich vertrauet. Diese Harmonia/ sagt Diodorus/ in seinem sechstem Buche/ sey eine Tochter des Jupiters/ und der Electra. Hesiodus aber wil/ daß Mars und Venus ihre Eltern seyn. Diese Hochzeit ward gezieret/ mit der Gegenwart aller Götter/ so auch die Braut mit Geschencken beehrten; als die Ceres mit Korne/ einer Frucht ihrer Erfindung; Mercurius mit einer Lauten; die Pallas/ mit Juwelen und Flöten; die Electra/ mit Zimbalen und Paucken. Apollo der Musicant bey den Hochzeiten/ mit einer Zitter; und die Musen/ mit Pfeiffen. Die andere Götter aber beehrten sie/ mit andern herrlichen Gaben. Aus dieser Ehe/ ward gezeuget Polydorus; von dem Polydorus/ Labdacus; von diesem wiederum Laius/ der Vatter des Oedipus; von welchem/ im neundten Buche/ gehandelt werden soll. Verehligung und herrliche Hochzeit des Cadmus Des Cadmus Nachkömmlinge. Dieser Cadmus hatte auch vier Töchter/ als die Ino/ Semele/ Agave/ und Antonoe. Nachdem er nun unglaublich viel Widerwärtigkeiten/ um seiner Töchter und Nachkömlinge willen/ erlitten hatte; satzte er auf den Königlichen Thebaischen Stuhl den Pentheus/ einen Sohn des Echions/ und seiner Tochter Agave/ und erhub sich/ mit seiner Harmonia/ zu dem Encheles/ in Dalmatien: weil ihn das Volck seiner angräntzenden Landen/ als sie beängstiget wurden/ auf Raht des Orakels/ dahin zu kommen/ ersuchen lassen/ nachdem ihnen geweissaget worden/ daß sie/ durch den Cadmus/ erlöset werden sollen. Als er nun/ von diesem Volck/ zum Kriegs-Haupt erwählt worden/ erhielte er den Sieg wider die Feinde/ und ward also König von Dalmatien; welches er dann/ mit gutem Frieden und Glück/ regiert und besessen; allda aber auch er/ und seine Gemahlin/ in Schlangen verwandelt; worvon/ im vierdten Buch/ wie auch von des Mars und der Venus Tochter/ der Harmonia/ fernere Ausführligkeit erfolgen soll. Belangend dann/ daß Cadmus/ als er/ seine Schwester zusuchen/ ausgesandt war/ einen grimmigen Drachen/ in dem Brunnen Dirce/ getödet haben soll; steckt/ unter selbigem Gedichte/ diese Warheit/ daß er umgebracht einen erschröcklichen Rauber/ welcher Drach genennet ward/ und denen allda vorüber reisenden Fremdlingen viel Grausamkeit und Gewalts anlegte/ auch albereits Einigen von den Seinen den Hals abgeschnitten hatte. Man sagt/ er habe die Zähne des Drachen gesäet/ und will damit anzeigen/ als sein Anhang oder Spießgesellen gesehen/ daß ihr Haupt geschlagen worden/ hätten sie die Flucht genommen/ und wären also gleichsam gesäet/ oder einer hier/ der ander dort hinaus/ zerstreuet worden. Einige schreiben/ daß Cadmus/ auf der Minerva Raht/ einen Stein mitten unter die Brüder/ so aus den Drachenzähnen hervor gewachsen/ geworffen hätte/ und weil einer getroffen worden/ habe er sich gäntzlich eingebildet/ es wäre ihm solches von einem seiner Mitbrüder geschehen: dahero er es/ mit dem Todschlage/ gerochen: welches wiederum ein anderer/ an diesem/ gerochen/ und also immer Einer den Andern umgebracht/ daß ihrer mehr nicht/ dann fünffe/ darvon lebend blieben. Dieses/ wollen einige/ sey eine vorbedeutende Anweisung gewesen der Zwiespaltungen und Kriege/ welche die Thebaner ins künfftige beschweren und qvählen würden: dann hernach sehr schwere und verderbliche einheimische oder bürgerliche Kriege und Blutvergiessen unter ihnen entstanden sind. Gleichwie zum öfftern/ aus einem geringen Schaden und Mishandlung oder anderer schlechten Ursache/ grosse Unruhen/ und unwiederbringlicher Schade und Verderbnüsse/ zu entstehen pflegen: und zwar nicht allein/ unter Bürgern und Freunden; sondern auch wol/ unter Brüdern/ und andern nahen Blutverwanden. Dann/ wie Plutarchus/ in der Brüderlichen Freundschafft/ erzehlt; so müssen sie den brennenden Eifer und der Hartnäckigkeit gleich anfangs widerstehen/ sich gewöhnen einander nachzugeben/ und aus Liebe sich überwinden lassen/ auch sich erfreuen/ wann sie einander gefallen mögen: Und eben dieses war auch die eigentliche Meynung und der rechte Verstand des alten Sprichtworts: der Cadmische Sieg. Historische Erklärung über des Cadmus Drachen-Tödtung. Wir müssen aber anietzo die gantze Fabel vom Anfang wiederholen: damit wir die darunter verborgene Lehren erklären und vorstellen können. Fürs erste war dem Cadmus/ vom Orakel/ verbotten/ seine Schwester zu suchen oder auszuforschen/ er muste dem Ochsen/ welcher ihm/ zum Führer oder Wegweiser verordnet war/ nachfolgen/ und die Boeotische Stadt Thebas/ allda der Ochse ruhen würde/ auferbauen. Dieser Cadmus ist alhier ein Vorbild der Jugend/ oder eines Jünglings/ welcher dem Göttlichen oder tugendlichen Raht oder Triebe gehorsamet/ das faule/ träge/ zur Fröligkeit geneigte/ wollüstige Leben/ Art und Wesen/ verlässt/ ein Männlich-ernsthafftes Gemüht ergreiffet/ und dem Ochsen/ wordurch die Arbeit verstanden wird/ nachfolget/ auf daß er/ durch diesen tugendlichen Weg der Arbeit/ zur Ehr und Ruhe gelangen möge. Er bauete eine Stadt/ die er nannte nach Gott/ welcher ihm den Weg gelehret hatte/ und dem Ochsen/ der ihm geholffen hatte/ dahin zukommen; nemlich/ erstbesagte Stadt Thebas/ welche hernach eine sehr mächtige Stadt worden. Dann ohne Gott/ kan des Menschen Arbeit nicht gedeyen: wann aber Gott die Arbeit/ das Gebäu/ oder Zimmerung darzu gethan/ so wird es guten Fortgang haben/ wol Wurtzeln und bekleiben/ was auch vor unglückliche Schwerigkeiten darwider aufsteigen oder vorkommen; dafern man nur/ in großmühtiger Gedult/ beständig darinnen beharret. Die Knechte oder Gesellen des Cadmus/ die von dem Drachen getödtet waren/ bedeuten das eitele Beginnen der Jugend/ so/ mit der Zeit/ durch der Weisheit/ (durch die Schlange zuverstehen) verworffen wird: dann die rechte vollkommene Weisheit verwirffet und tödtet viel eitele närrische Gedancken und Begierden/ darmit wir/ in unserer unbedachtsamen blinden Lehrliche Erklärung über die Tödtung des Drachen/ und dem Streit der/ aus den gesäeten Drachen-Zähn gewachsenen Brüder.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 34]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/210>, abgerufen am 23.11.2024.