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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,1. Nürnberg, 1679.

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I. Dorica, die Dorische was bey den Griechen und Römern die würdigste. Dieser folget die Dorische Colonna, oder Seule/ welche in sich hält/ nicht allein eine mehrere Kunst und Zierde/ sondern auch eine standhaftigere Wehrung. Es hat Graecia und Rom sich deren allein für hohe ansehnliche Personen bedienet/ die durch glorwürdige und weltkundige Thaten/ ihrer Vorfahren Rhum/ Geschlecht und Stammen erweitert und erhaben/ als da waren die Römische und Griechische Monarchen und Käyser/ Burgermeister und Schultheissen. Sie brauchten Wird den Helden zu Ehren gebrauchet. auch solche zu den Seulbildern ihrer erdichteten Schutzgötter/ als des Jupiters/ Mars/ und Hercules: doch mit diesem Absatz und Unterschied/ daß sie allezeit hierbey eines ieden Hoheit und Würde observiret haben/ also daß man aus derselben Gebäu eines ieden Vorzug und praeeminenz hat abnehmen mögen. Nachdem wir aber heut zu Tage von solchem finstern Wesen und Heydenthum/ durch die Gottes-Lehre unsers Erlösers JEsu Christi zum hellen Liecht des seeligmachenden Glaubens gelanget/ so gebühret uns/ als Christen/ eine andere Weise und Manier/ dieser Namen halber/ zugebrauchen. Wann dannenhero ein Tempel zubauen und aufrichten/ der unserm Heyland JEsu Christo soll gewidmet/ oder St. Petro/ Paulo/ dem Ritter St. Georg/ und andern dergleichen Himmelseeligen/ zu Ehren aufgeführet werden/ die ihrem Beruff nach/ nicht eben weltliche Kriegsleute; iedoch aber mit gewaltigen Kräfften/ Christlicher Großmuth und heroischer Tapferkeit ausgerüstet gewesen/ auch ihr Leben hertzhafftig für den Christlichen Glauben aufgeopfert: Wann/ sprich ich/ denen ein und anderer Tempel zu Ehren aufzuführen wäre/ so gebühret ihnen billich und mit recht diese generation der Dorica. Eben diese stehet auch zu/ den wol-meritirten Kriegs-Leuten und tapfern Helden/ wie auch andern vornehmen Personen/ ingleichen andern von mittelmässigem oder etwas nidrigerm Stande/ die etwas notables und Merckwürdiges/ da oder dort/ nicht ohne Verwunderung anderer Leute/ verrichtet haben. In offentlichen so wol/ als in Privat-Orten/ kan und soll man/ dieser Ordnung Dorica, sich gar wol und schicklich bedienen. Wann nun diese Colonna nur allein und ohne Pilastro gemacht wird/ so soll solche in der Länge sieben und einen halben/ oder acht Köpf haben/ dasSpatium aber eines Kopfs ist so viel/ als die Colonne unten in der Breiten hält. Die Intercolonnen sind etwas weniger als drey Diametri der Colonnen/ und diese Art Colonnaten wird von Vitruvio Diastilos genannt.

3. Ionica, die Jonische Die Ionische Bau-art/ weil sie mehr offenbar und sichtig ist/ als die Dorische/ wurde von unsern Alten auf den Cörper einer tapfern Frauen gezogen/ und nach Art und Gleichnüs der Personen angerichtet/ weil sie mittelmässiger Statur und nicht zu dick/ auch nicht zu dünn sind/ und haben sie sich derer zu den Obeliscis und Statuen Apollonis, in Efeso zu dem Tempel Dianae, auch Bacchi zu Rom/ und der Veneris bedienet.

Deren Gebrauch. Bey uns Christen aber/ wann wir einige Tempel/ oder Kirchen in dieser Ordnung zubauen vorhaben/ sollen wir sie solchen Heiligen Dediciren/[Spaltenumbruch] derer Leben zwischen der Stärcke und Zärte sich befunden. Es gebühret auch diese Ordnung der Ionica den gelehrten Leuten/ und zwar aus derjenigen Art/ so eines stillen sittsamen Lebens gewesen. Sie kan auch noch ferner den Lobwürdigen Matronen zu Ehren aufgeführet werden. Die Capitelln der Ionischen Bau-art sind wol umschweifet und ausgezieret; wie in dem Theatro Marcellino, allwo die Dorische Art und Baukunst weit überstiegen ist/ annoch erscheinet. Es hat diese Art aus der Asiatischen Provinz Ionia, ihren Anfang genommen. Dieser Colonnen eine/ solle samt dem Capitell und Base in der Länge halten neun Köpf. Ein Kopf aber ist/ wie gesagt/ so viel/ als/ wann unten gemessen wird/ der Colonnen Diameter breit ist. Der Architrave aber/ samt dem Frieß und Cornice haben zusammen in der Höhe den fünfften Theil der Colonne.

Und Austheilung. In Austheilung der gemeinen Reye der Seulen/ ist das Spatium darzwischen zwey und ein viertelel Diametri, und ist dieses die schönste und beqvemste Manier der Intercolennen/ so von Vitruvio Sistilos benamet worden. In denen/ wo Bögen sind/ haben die Pilastri den dritten Theil del Vano, oder von dem Raum zwischen zweyen Seulen/ und die Bögen sind im Liecht zwey Viertel hoch.

4. Corinthiaca. Die vierdte Art/ Corinthiaca, oder die Corinthische genant/ ware durchgehends bey den Römern beliebet/ und haben sie sich dergestalt daran ergötzet/ daß sie/ nach deren Ordnung und Weise/ die aller-ansehnlichste/ höchste und glorwürdigste Ist die ansehnlichste. Gebäude geführet: Welche theils noch der Nachwelt/ zu einer immerwährendem Rhum-Gedächtnus vor Augen stehen. Dergleichen sind der herrliche Tempel zu Tivoli an der Tyber/ der Göttin Vesta gewidmet/ wie vor schon im Gebäu dieser Art. Kupfer gezeiget/ und ein anderer/ bey dem Porto zu Ancona. Aber diese beyde übertrifft noch an Herrlichkeit/ Pracht und Schätzbarkeit/ das Römische Pantheon, in welchem der Reichthum und die Meisterschafft aller Künstler Witz und Verstand vorweiset. Um das Gesims und Gestell/ haben sie unterschiedliche schöne Kunstwercke gegraben. Die Bögen und Zieraden auf diesen Seulen/ haueten sie sehr meisterlich aus/ und erfüllten dieselben mit sinnreichen Schrifften: Wie dann dergleichen eine alla Ritonda, in unterschiedlichen Figuren/ zu sehen/ so aus Gold und Silber in Marmor gegossen. Es wurde diese Manier erstens zu Corintho, der Haupt-Stadt in Peloponneso, erfunden.

Deren Gebrauch. Die Seule dieser Ordnung/ ist der Ionica gleich: hat drey Haupt-Theile in der Höhe/ deren kan man man sich unter uns Christen bedienen/ wann man einen Tempel dieser Ordnung der seeligen Jungfrauen Maria/ als der Mutter unsers Seeligmachers JEsu Christi/ Dediciren will. Ingleichen kan man diese Ordnung in den Gebäuen beobachten/ welche denjenigen Heiligen/ so wol Manns- als Weibs-Personen/ die in rühmlicher Keuschheit nach dem Jungfrau-Stand gelebet/ zu Ehren aufgeführet werden. Dergleichen Ordnung gebühret auch den inn- und

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I. Dorica, die Dorische was bey den Griechen und Römern die würdigste. Dieser folget die Dorische Colonna, oder Seule/ welche in sich hält/ nicht allein eine mehrere Kunst und Zierde/ sondern auch eine standhaftigere Wehrung. Es hat Graecia und Rom sich deren allein für hohe ansehnliche Personen bedienet/ die durch glorwürdige und weltkundige Thaten/ ihrer Vorfahren Rhum/ Geschlecht und Stammen erweitert und erhaben/ als da waren die Römische und Griechische Monarchen und Käyser/ Burgermeister und Schultheissen. Sie brauchten Wird den Helden zu Ehren gebrauchet. auch solche zu den Seulbildern ihrer erdichteten Schutzgötter/ als des Jupiters/ Mars/ und Hercules: doch mit diesem Absatz und Unterschied/ daß sie allezeit hierbey eines ieden Hoheit und Würde observiret haben/ also daß man aus derselben Gebäu eines ieden Vorzug und praeeminenz hat abnehmen mögen. Nachdem wir aber heut zu Tage von solchem finstern Wesen und Heydenthum/ durch die Gottes-Lehre unsers Erlösers JEsu Christi zum hellen Liecht des seeligmachenden Glaubens gelanget/ so gebühret uns/ als Christen/ eine andere Weise und Manier/ dieser Namen halber/ zugebrauchen. Wann dannenhero ein Tempel zubauen und aufrichten/ der unserm Heyland JEsu Christo soll gewidmet/ oder St. Petro/ Paulo/ dem Ritter St. Georg/ und andern dergleichen Himmelseeligen/ zu Ehren aufgeführet werden/ die ihrem Beruff nach/ nicht eben weltliche Kriegsleute; iedoch aber mit gewaltigen Kräfften/ Christlicher Großmuth und heroischer Tapferkeit ausgerüstet gewesen/ auch ihr Leben hertzhafftig für den Christlichen Glauben aufgeopfert: Wann/ sprich ich/ denen ein und anderer Tempel zu Ehren aufzuführen wäre/ so gebühret ihnen billich und mit recht diese generation der Dorica. Eben diese stehet auch zu/ den wol-meritirten Kriegs-Leuten und tapfern Helden/ wie auch andern vornehmen Personen/ ingleichen andern von mittelmässigem oder etwas nidrigerm Stande/ die etwas notables und Merckwürdiges/ da oder dort/ nicht ohne Verwunderung anderer Leute/ verrichtet haben. In offentlichen so wol/ als in Privat-Orten/ kan und soll man/ dieser Ordnung Dorica, sich gar wol und schicklich bedienen. Wann nun diese Colonna nur allein und ohne Pilastro gemacht wird/ so soll solche in der Länge sieben und einen halben/ oder acht Köpf haben/ dasSpatium aber eines Kopfs ist so viel/ als die Colonne unten in der Breiten hält. Die Intercolonnen sind etwas weniger als drey Diametri der Colonnen/ und diese Art Colonnaten wird von Vitruvio Diastilos genannt.

3. Ionica, die Jonische Die Ionische Bau-art/ weil sie mehr offenbar und sichtig ist/ als die Dorische/ wurde von unsern Alten auf den Cörper einer tapfern Frauen gezogen/ und nach Art und Gleichnüs der Personen angerichtet/ weil sie mittelmässiger Statur und nicht zu dick/ auch nicht zu dünn sind/ und haben sie sich derer zu den Obeliscis und Statuen Apollonis, in Efeso zu dem Tempel Dianae, auch Bacchi zu Rom/ und der Veneris bedienet.

Deren Gebrauch. Bey uns Christen aber/ wann wir einige Tempel/ oder Kirchen in dieser Ordnung zubauen vorhaben/ sollen wir sie solchen Heiligen Dediciren/[Spaltenumbruch] derer Leben zwischen der Stärcke und Zärte sich befunden. Es gebühret auch diese Ordnung der Ionica den gelehrten Leuten/ und zwar aus derjenigen Art/ so eines stillen sittsamen Lebens gewesen. Sie kan auch noch ferner den Lobwürdigen Matronen zu Ehren aufgeführet werden. Die Capitelln der Ionischen Bau-art sind wol umschweifet und ausgezieret; wie in dem Theatro Marcellino, allwo die Dorische Art und Baukunst weit überstiegen ist/ annoch erscheinet. Es hat diese Art aus der Asiatischen Provinz Ionia, ihren Anfang genommen. Dieser Colonnen eine/ solle samt dem Capitell und Base in der Länge halten neun Köpf. Ein Kopf aber ist/ wie gesagt/ so viel/ als/ wann unten gemessen wird/ der Colonnen Diameter breit ist. Der Architrave aber/ samt dem Frieß und Cornice haben zusammen in der Höhe den fünfften Theil der Colonne.

Und Austheilung. In Austheilung der gemeinen Reye der Seulen/ ist das Spatium darzwischen zwey und ein viertelel Diametri, und ist dieses die schönste und beqvemste Manier der Intercolennen/ so von Vitruvio Sistilos benamet worden. In denen/ wo Bögen sind/ haben die Pilastri den dritten Theil del Vano, oder von dem Raum zwischen zweyen Seulen/ und die Bögen sind im Liecht zwey Viertel hoch.

4. Corinthiaca. Die vierdte Art/ Corinthiaca, oder die Corinthische genant/ ware durchgehends bey den Römern beliebet/ und haben sie sich dergestalt daran ergötzet/ daß sie/ nach deren Ordnung und Weise/ die aller-ansehnlichste/ höchste und glorwürdigste Ist die ansehnlichste. Gebäude geführet: Welche theils noch der Nachwelt/ zu einer immerwährendem Rhum-Gedächtnus vor Augen stehen. Dergleichen sind der herrliche Tempel zu Tivoli an der Tyber/ der Göttin Vesta gewidmet/ wie vor schon im Gebäu dieser Art. Kupfer gezeiget/ und ein anderer/ bey dem Porto zu Ancona. Aber diese beyde übertrifft noch an Herrlichkeit/ Pracht und Schätzbarkeit/ das Römische Pantheon, in welchem der Reichthum und die Meisterschafft aller Künstler Witz und Verstand vorweiset. Um das Gesims und Gestell/ haben sie unterschiedliche schöne Kunstwercke gegraben. Die Bögen und Zieraden auf diesen Seulen/ haueten sie sehr meisterlich aus/ und erfüllten dieselben mit sinnreichen Schrifften: Wie dann dergleichen eine alla Ritonda, in unterschiedlichen Figuren/ zu sehen/ so aus Gold und Silber in Marmor gegossen. Es wurde diese Manier erstens zu Corintho, der Haupt-Stadt in Peloponneso, erfunden.

Deren Gebrauch. Die Seule dieser Ordnung/ ist der Ionica gleich: hat drey Haupt-Theile in der Höhe/ deren kan man man sich unter uns Christen bedienen/ wann man einen Tempel dieser Ordnung der seeligen Jungfrauen Maria/ als der Mutter unsers Seeligmachers JEsu Christi/ Dediciren will. Ingleichen kan man diese Ordnung in den Gebäuen beobachten/ welche denjenigen Heiligen/ so wol Manns- als Weibs-Personen/ die in rühmlicher Keuschheit nach dem Jungfrau-Stand gelebet/ zu Ehren aufgeführet werden. Dergleichen Ordnung gebühret auch den inn- und

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[[I (Architektur), S. 11]/0208] Dieser folget die Dorische Colonna, oder Seule/ welche in sich hält/ nicht allein eine mehrere Kunst und Zierde/ sondern auch eine standhaftigere Wehrung. Es hat Graecia und Rom sich deren allein für hohe ansehnliche Personen bedienet/ die durch glorwürdige und weltkundige Thaten/ ihrer Vorfahren Rhum/ Geschlecht und Stammen erweitert und erhaben/ als da waren die Römische und Griechische Monarchen und Käyser/ Burgermeister und Schultheissen. Sie brauchten auch solche zu den Seulbildern ihrer erdichteten Schutzgötter/ als des Jupiters/ Mars/ und Hercules: doch mit diesem Absatz und Unterschied/ daß sie allezeit hierbey eines ieden Hoheit und Würde observiret haben/ also daß man aus derselben Gebäu eines ieden Vorzug und praeeminenz hat abnehmen mögen. Nachdem wir aber heut zu Tage von solchem finstern Wesen und Heydenthum/ durch die Gottes-Lehre unsers Erlösers JEsu Christi zum hellen Liecht des seeligmachenden Glaubens gelanget/ so gebühret uns/ als Christen/ eine andere Weise und Manier/ dieser Namen halber/ zugebrauchen. Wann dannenhero ein Tempel zubauen und aufrichten/ der unserm Heyland JEsu Christo soll gewidmet/ oder St. Petro/ Paulo/ dem Ritter St. Georg/ und andern dergleichen Himmelseeligen/ zu Ehren aufgeführet werden/ die ihrem Beruff nach/ nicht eben weltliche Kriegsleute; iedoch aber mit gewaltigen Kräfften/ Christlicher Großmuth und heroischer Tapferkeit ausgerüstet gewesen/ auch ihr Leben hertzhafftig für den Christlichen Glauben aufgeopfert: Wann/ sprich ich/ denen ein und anderer Tempel zu Ehren aufzuführen wäre/ so gebühret ihnen billich und mit recht diese generation der Dorica. Eben diese stehet auch zu/ den wol-meritirten Kriegs-Leuten und tapfern Helden/ wie auch andern vornehmen Personen/ ingleichen andern von mittelmässigem oder etwas nidrigerm Stande/ die etwas notables und Merckwürdiges/ da oder dort/ nicht ohne Verwunderung anderer Leute/ verrichtet haben. In offentlichen so wol/ als in Privat-Orten/ kan und soll man/ dieser Ordnung Dorica, sich gar wol und schicklich bedienen. Wann nun diese Colonna nur allein und ohne Pilastro gemacht wird/ so soll solche in der Länge sieben und einen halben/ oder acht Köpf haben/ dasSpatium aber eines Kopfs ist so viel/ als die Colonne unten in der Breiten hält. Die Intercolonnen sind etwas weniger als drey Diametri der Colonnen/ und diese Art Colonnaten wird von Vitruvio Diastilos genannt. I. Dorica, die Dorische was bey den Griechen und Römern die würdigste. Wird den Helden zu Ehren gebrauchet. Die Ionische Bau-art/ weil sie mehr offenbar und sichtig ist/ als die Dorische/ wurde von unsern Alten auf den Cörper einer tapfern Frauen gezogen/ und nach Art und Gleichnüs der Personen angerichtet/ weil sie mittelmässiger Statur und nicht zu dick/ auch nicht zu dünn sind/ und haben sie sich derer zu den Obeliscis und Statuen Apollonis, in Efeso zu dem Tempel Dianae, auch Bacchi zu Rom/ und der Veneris bedienet. 3. Ionica, die Jonische Bey uns Christen aber/ wann wir einige Tempel/ oder Kirchen in dieser Ordnung zubauen vorhaben/ sollen wir sie solchen Heiligen Dediciren/ derer Leben zwischen der Stärcke und Zärte sich befunden. Es gebühret auch diese Ordnung der Ionica den gelehrten Leuten/ und zwar aus derjenigen Art/ so eines stillen sittsamen Lebens gewesen. Sie kan auch noch ferner den Lobwürdigen Matronen zu Ehren aufgeführet werden. Die Capitelln der Ionischen Bau-art sind wol umschweifet und ausgezieret; wie in dem Theatro Marcellino, allwo die Dorische Art und Baukunst weit überstiegen ist/ annoch erscheinet. Es hat diese Art aus der Asiatischen Provinz Ionia, ihren Anfang genommen. Dieser Colonnen eine/ solle samt dem Capitell und Base in der Länge halten neun Köpf. Ein Kopf aber ist/ wie gesagt/ so viel/ als/ wann unten gemessen wird/ der Colonnen Diameter breit ist. Der Architrave aber/ samt dem Frieß und Cornice haben zusammen in der Höhe den fünfften Theil der Colonne. Deren Gebrauch. In Austheilung der gemeinen Reye der Seulen/ ist das Spatium darzwischen zwey und ein viertelel Diametri, und ist dieses die schönste und beqvemste Manier der Intercolennen/ so von Vitruvio Sistilos benamet worden. In denen/ wo Bögen sind/ haben die Pilastri den dritten Theil del Vano, oder von dem Raum zwischen zweyen Seulen/ und die Bögen sind im Liecht zwey Viertel hoch. Und Austheilung. Die vierdte Art/ Corinthiaca, oder die Corinthische genant/ ware durchgehends bey den Römern beliebet/ und haben sie sich dergestalt daran ergötzet/ daß sie/ nach deren Ordnung und Weise/ die aller-ansehnlichste/ höchste und glorwürdigste Gebäude geführet: Welche theils noch der Nachwelt/ zu einer immerwährendem Rhum-Gedächtnus vor Augen stehen. Dergleichen sind der herrliche Tempel zu Tivoli an der Tyber/ der Göttin Vesta gewidmet/ wie vor schon im Kupfer gezeiget/ und ein anderer/ bey dem Porto zu Ancona. Aber diese beyde übertrifft noch an Herrlichkeit/ Pracht und Schätzbarkeit/ das Römische Pantheon, in welchem der Reichthum und die Meisterschafft aller Künstler Witz und Verstand vorweiset. Um das Gesims und Gestell/ haben sie unterschiedliche schöne Kunstwercke gegraben. Die Bögen und Zieraden auf diesen Seulen/ haueten sie sehr meisterlich aus/ und erfüllten dieselben mit sinnreichen Schrifften: Wie dann dergleichen eine alla Ritonda, in unterschiedlichen Figuren/ zu sehen/ so aus Gold und Silber in Marmor gegossen. Es wurde diese Manier erstens zu Corintho, der Haupt-Stadt in Peloponneso, erfunden. 4. Corinthiaca. Ist die ansehnlichste. Die Seule dieser Ordnung/ ist der Ionica gleich: hat drey Haupt-Theile in der Höhe/ deren kan man man sich unter uns Christen bedienen/ wann man einen Tempel dieser Ordnung der seeligen Jungfrauen Maria/ als der Mutter unsers Seeligmachers JEsu Christi/ Dediciren will. Ingleichen kan man diese Ordnung in den Gebäuen beobachten/ welche denjenigen Heiligen/ so wol Manns- als Weibs-Personen/ die in rühmlicher Keuschheit nach dem Jungfrau-Stand gelebet/ zu Ehren aufgeführet werden. Dergleichen Ordnung gebühret auch den inn- und Deren Gebrauch.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,1. Nürnberg, 1679, S. [I (Architektur), S. 11]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0201_1679/208>, abgerufen am 22.11.2024.