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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,2. Nürnberg, 1675.

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[Spaltenumbruch] und sich so kläglich und wehmütig anstellen/ daß es nicht zu verbässern ist. Es zeiget sich auch ein Diener/ welcher seinem von bösen Geschwären beladenen Herrn (der als wie verlassen sitzet) mit der einen Hand die Fliegen abwehret/ mit der andern aber/ wegen bösen Gestanks/ die Nase zuhält. In diesem allem spielet eine schöne Action, die Angesichter der Männer und Weiber ersch einen schön und herrlich/ die Gewänder artig/ auch weder verwirret noch hart.

Dieses Werk wurde so hoch berühmet/ daß Papst Benedictus der IX. einen seiner Hofleute in Toscana geschikt/ um den Augenschein einzunehmen/ was Giotto für ein Mann sey/ und wie seine Arbeit beschaffen: weil er ihm vorgenommen hatte/ in S. Peters Kirche etliche Sachen machen zu lassen. Dieser nun reisete nach Florenz/ und kame unter Wegs nach Siena: allda er etliche Meister ansprache/ daß sie ihme Zeichnungen von ihrer Hand mitgeben solten/ solche dem Papst zu zeigen. Nachdem kam er gen Florenz/ und an einem Morgen/ fande er den Giotto auf seiner Werkstatt bey der Arbeit. Er zeigte ihm des Papsts Befehl an/ und begehrte auch eine Zeichnung von seiner Hand/ wie die andere gethan hatten/ damit er solche auch mitbringen könte. Giotto, welcher kurzweiliges humors ware/ nahm einen Bogen Papyr/ befestigte den Arm gegen seiner Seite/ an den Leib/ an statt eines Zirkels/ und zoge durch einen Pinsel/ mit der umdrehenden Hand/ ohne Bewegung des Arms/ eine Er ziehet eine Rundung zur Zeichnung. so vollkommene Rundung/ daß es ein Wunder zu sehen war. Als er solches verrichtet/ gab er das Papyr dem Hofmann mit lachendem Mund/ und sagte: Da habe er die Zeichnung. Dieser vermeinte/ er spotte nur seiner/ und fragte: Ob er ihm dann keine andere Zeichnung geben wolte/ als diese? Giotto antwortete: Es sey übrig genug an dieser/ er solte sie nur/ neben den andern/ dem Papst für Augen bringen/ und vernehmen/ ob man sie kennen werde. Der Hofmann zoge seines Wegs/ wiewol übel zufrieden. Als er aber alle Zeichnungen dem Papst überbracht/ und ihm erzehlte/ wie Giotto dieses/ ohne Zirkel/ und ohne Bewegung des Arms/ von freyer Hand gemacht hätte/ erkannte der Papst und viele seiner verständigen Hofleute/ daß Giotto alle andere Mahlere seiner Zeit in Fürtreflichkeit weit überstiege.

Wird von Papst Benedicto IX nach Rom beruffen und geehret. Demnach ließe er ihn nach Rom erfordern/ und viel Sachen machen/ welche sehr nett und artig waren: weßwegen er ihn höchlich belohnet und geehret. Unter diesen war ein Marien-Bild/ auf einer Maur: welches/ als nachmals die Maur abgebrochen worden/ wegen der Kunst/ mit großer Mühe ausgehauen/ und an einen andern Ort zur Verwahrung gebracht wurde. Er machte auch/ von Macht das Schiff in S. Peters Vorhof/ Mosaik/ das Schiff in S. Peters Vorhof: welches noch zu sehen ist/ und/ als ein seltsames und kunstreiches Werk/ von allen Verständigen gepriesen wird. Hierbey hat man die unterschiedliche Geberden der Aposteln/ wie auch das Ungewitter auf dem Meer/ die Erhebung des aufgeblaßnen Segels/ die große Gleichheit der glasirten Steinlein/ auch die affecten eines anglenden Fischers/ mit Verwunderung zu betrachten. Er hat auch zu[Spaltenumbruch] und mehr schöne Werke zu Avignon und an andern Orten. Avignon, (dahin er Papst Clementi V. gefolget) und an mehr andern Orten in Frankreich/ viel schöne Werke verfärtigt: Von dar er/ Anno 1316. wol beehrt und belohnet/ wieder nach Haus gereiset/ nachdem er in verschiedenen Städten schöne Gedächtnise seiner Kunst hinterlassen.

Komt nach Neapels, Nachmals wurde er von König Roberto nach Neapels beruffen: für welchen er/ in S. Claren Kloster-Kirche/ viel Historien aus dem alten und neuen Testament/ wie auch aus der Offenbahrung Johannis, gemahlet. Man sagt/ er habe hier/ wie auch vorher zu Assisi, viel Erfindungen mit eingebracht/ die von seinem guten Freunde/ dem Poeten und daselbst in große Würde bey König Roberto. Dantes, hergekommen. Dem König ware dieses Mahlers Arbeit/ wie auch seine kluge Scherzhaftigkeit im Reden/ sehr angenehm/ weßwegen er oft um ihn ware/ ihm zuzusehen/ wie er arbeitete/ und seine kurzweilige Antworten anzuhören/ welche zuweilen scharpf/ aber doch lieblich/ waren. Eines Tags sagte der König zu Giotto: Wann ich an eurer Stelle wäre/ wolte ich bey dieser Hitz nicht arbeiten/ Seine kluge Scherzhaftigkeit. und das Mahlen bleiben lassen; Worauf er alsobald antwortete: Ja gewiß/ wann ich an des Königs Stelle wäre/ wolte ich das Mahlen bleiben lassen. Als er/ zur andern Zeit/ einen Königlichen Saal mahlte/ begehrte der König aus Kurzweil an Mahlet das Neapolitanische Königreich. ihn/ er solte ihm sein Königreich abmahlen. Giotto (wie man sagt) mahlte hierauf einen Esel/ mit einem Sattel/ und zu dessen Füßen einen neuen Esels-Sattel/ daran roche der Esel/ als wann er begierig darnach wäre/ auf jedem Sattel lag eine Königliche Kron/ samt dem Zepter: Der König fragte/ was diese Mahlerey bedeute? Der Mahler antwortete: Dieses sind E. Majest. Unterthanen/ und das ist euer Reich; dann täglich begehren sie neue Herrn.

Als er folgends wieder nach Florenz kame/ färtigte er viel Arbeit/ darunter etliche Crucifixe/ hinten mit guldinen Feldern/ auch sonst viel schöne Werke in der Bau-Kunst und Bildschneiderey/ mit Florenz gibt ihm Ehr und Unterhalt. allerley Erfindungen. Er war in großen Ehren gehalten und wol belohnet/ und nicht allein zum Burger in Florenz gemacht/ sondern auch/ aus der Stadt Einkommen/ jährlich mit hundert Gold-Kronen begabet und unterhalten/ welches dann zu selbiger Zeit ein großes gewesen. Er starbe endlich Anno 1336. mit 60 Jahren/ und verließe nach sich viel Lehrjünger/ auch viel kurzweilige Scherz-Erzehlungen. Von ihme wird gesagt/ er habe/ in seiner Er äffet seinen Meister mit einer gemahlten Fliege. Jugend/ auf die Nase einer Figur/ die sein Meister Cimabue gemahlet/ eine Fliege gemacht/ so natürlich/ daß/ da der Meister wieder an die Arbeit kame/ selbige zu vollenden/ er diese Fliege etlichmal mit der Hand wegjagen wollen/ und erst lezlich/ als sie nicht wieche/ ersehen/ daß er betrogen/ und sie gemahlet ware. Der gelehrte Poet, Angelus Politianus, hat ihme diese Grab-Schrift gemacht:

Seine Grabschrift. Ille ego sum, per quem pictura extincta re-
vixit:

cui quam recta manus, tam fuit & fa-
cilis.

Naturae deerat, nostrae quod defuit arti.
Plus licuit nulli pingere nec melius.

[Spaltenumbruch] und sich so kläglich und wehmütig anstellen/ daß es nicht zu verbässern ist. Es zeiget sich auch ein Diener/ welcher seinem von bösen Geschwären beladenen Herrn (der als wie verlassen sitzet) mit der einen Hand die Fliegen abwehret/ mit der andern aber/ wegen bösen Gestanks/ die Nase zuhält. In diesem allem spielet eine schöne Action, die Angesichter der Männer und Weiber ersch einen schön und herrlich/ die Gewänder artig/ auch weder verwirret noch hart.

Dieses Werk wurde so hoch berühmet/ daß Papst Benedictus der IX. einen seiner Hofleute in Toscana geschikt/ um den Augenschein einzunehmen/ was Giotto für ein Mann sey/ und wie seine Arbeit beschaffen: weil er ihm vorgenommen hatte/ in S. Peters Kirche etliche Sachen machen zu lassen. Dieser nun reisete nach Florenz/ und kame unter Wegs nach Siena: allda er etliche Meister ansprache/ daß sie ihme Zeichnungen von ihrer Hand mitgeben solten/ solche dem Papst zu zeigen. Nachdem kam er gen Florenz/ und an einem Morgen/ fande er den Giotto auf seiner Werkstatt bey der Arbeit. Er zeigte ihm des Papsts Befehl an/ und begehrte auch eine Zeichnung von seiner Hand/ wie die andere gethan hatten/ damit er solche auch mitbringen könte. Giotto, welcher kurzweiliges humors ware/ nahm einen Bogen Papyr/ befestigte den Arm gegen seiner Seite/ an den Leib/ an statt eines Zirkels/ und zoge durch einen Pinsel/ mit der umdrehenden Hand/ ohne Bewegung des Arms/ eine Er ziehet eine Rundung zur Zeichnung. so vollkommene Rundung/ daß es ein Wunder zu sehen war. Als er solches verrichtet/ gab er das Papyr dem Hofmann mit lachendem Mund/ und sagte: Da habe er die Zeichnung. Dieser vermeinte/ er spotte nur seiner/ und fragte: Ob er ihm dann keine andere Zeichnung geben wolte/ als diese? Giotto antwortete: Es sey übrig genug an dieser/ er solte sie nur/ neben den andern/ dem Papst für Augen bringen/ und vernehmen/ ob man sie kennen werde. Der Hofmann zoge seines Wegs/ wiewol übel zufrieden. Als er aber alle Zeichnungen dem Papst überbracht/ und ihm erzehlte/ wie Giotto dieses/ ohne Zirkel/ und ohne Bewegung des Arms/ von freyer Hand gemacht hätte/ erkannte der Papst und viele seiner verständigen Hofleute/ daß Giotto alle andere Mahlere seiner Zeit in Fürtreflichkeit weit überstiege.

Wird von Papst Benedicto IX nach Rom beruffen und geehret. Demnach ließe er ihn nach Rom erfordern/ und viel Sachen machen/ welche sehr nett und artig waren: weßwegen er ihn höchlich belohnet und geehret. Unter diesen war ein Marien-Bild/ auf einer Maur: welches/ als nachmals die Maur abgebrochen worden/ wegen der Kunst/ mit großer Mühe ausgehauen/ und an einen andern Ort zur Verwahrung gebracht wurde. Er machte auch/ von Macht das Schiff in S. Peters Vorhof/ Mosaik/ das Schiff in S. Peters Vorhof: welches noch zu sehen ist/ und/ als ein seltsames und kunstreiches Werk/ von allen Verständigen gepriesen wird. Hierbey hat man die unterschiedliche Geberden der Aposteln/ wie auch das Ungewitter auf dem Meer/ die Erhebung des aufgeblaßnen Segels/ die große Gleichheit der glasirten Steinlein/ auch die affecten eines anglenden Fischers/ mit Verwunderung zu betrachten. Er hat auch zu[Spaltenumbruch] und mehr schöne Werke zu Avignon und an andern Orten. Avignon, (dahin er Papst Clementi V. gefolget) und an mehr andern Orten in Frankreich/ viel schöne Werke verfärtigt: Von dar er/ Anno 1316. wol beehrt und belohnet/ wieder nach Haus gereiset/ nachdem er in verschiedenen Städten schöne Gedächtnise seiner Kunst hinterlassen.

Komt nach Neapels, Nachmals wurde er von König Roberto nach Neapels beruffen: für welchen er/ in S. Claren Kloster-Kirche/ viel Historien aus dem alten und neuen Testament/ wie auch aus der Offenbahrung Johannis, gemahlet. Man sagt/ er habe hier/ wie auch vorher zu Assisi, viel Erfindungen mit eingebracht/ die von seinem guten Freunde/ dem Poëten und daselbst in große Würde bey König Roberto. Dantes, hergekommen. Dem König ware dieses Mahlers Arbeit/ wie auch seine kluge Scherzhaftigkeit im Reden/ sehr angenehm/ weßwegen er oft um ihn ware/ ihm zuzusehen/ wie er arbeitete/ und seine kurzweilige Antworten anzuhören/ welche zuweilen scharpf/ aber doch lieblich/ waren. Eines Tags sagte der König zu Giotto: Wann ich an eurer Stelle wäre/ wolte ich bey dieser Hitz nicht arbeiten/ Seine kluge Scherzhaftigkeit. und das Mahlen bleiben lassen; Worauf er alsobald antwortete: Ja gewiß/ wann ich an des Königs Stelle wäre/ wolte ich das Mahlen bleiben lassen. Als er/ zur andern Zeit/ einen Königlichen Saal mahlte/ begehrte der König aus Kurzweil an Mahlet das Neapolitanische Königreich. ihn/ er solte ihm sein Königreich abmahlen. Giotto (wie man sagt) mahlte hierauf einen Esel/ mit einem Sattel/ und zu dessen Füßen einen neuen Esels-Sattel/ daran roche der Esel/ als wann er begierig darnach wäre/ auf jedem Sattel lag eine Königliche Kron/ samt dem Zepter: Der König fragte/ was diese Mahlerey bedeute? Der Mahler antwortete: Dieses sind E. Majest. Unterthanen/ und das ist euer Reich; dann täglich begehren sie neue Herrn.

Als er folgends wieder nach Florenz kame/ färtigte er viel Arbeit/ darunter etliche Crucifixe/ hinten mit guldinen Feldern/ auch sonst viel schöne Werke in der Bau-Kunst und Bildschneiderey/ mit Florenz gibt ihm Ehr und Unterhalt. allerley Erfindungen. Er war in großen Ehren gehalten und wol belohnet/ und nicht allein zum Burger in Florenz gemacht/ sondern auch/ aus der Stadt Einkommen/ jährlich mit hundert Gold-Kronen begabet und unterhalten/ welches dann zu selbiger Zeit ein großes gewesen. Er starbe endlich Anno 1336. mit 60 Jahren/ und verließe nach sich viel Lehrjünger/ auch viel kurzweilige Scherz-Erzehlungen. Von ihme wird gesagt/ er habe/ in seiner Er äffet seinen Meister mit einer gemahlten Fliege. Jugend/ auf die Nase einer Figur/ die sein Meister Cimabue gemahlet/ eine Fliege gemacht/ so natürlich/ daß/ da der Meister wieder an die Arbeit kame/ selbige zu vollenden/ er diese Fliege etlichmal mit der Hand wegjagen wollen/ und erst lezlich/ als sie nicht wieche/ ersehen/ daß er betrogen/ und sie gemahlet ware. Der gelehrte Poët, Angelus Politianus, hat ihme diese Grab-Schrift gemacht:

Seine Grabschrift. Ille ego sum, per quem pictura extincta re-
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cui quàm recta manus, tam fuit & fa-
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[[II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 60]/0078] und sich so kläglich und wehmütig anstellen/ daß es nicht zu verbässern ist. Es zeiget sich auch ein Diener/ welcher seinem von bösen Geschwären beladenen Herrn (der als wie verlassen sitzet) mit der einen Hand die Fliegen abwehret/ mit der andern aber/ wegen bösen Gestanks/ die Nase zuhält. In diesem allem spielet eine schöne Action, die Angesichter der Männer und Weiber ersch einen schön und herrlich/ die Gewänder artig/ auch weder verwirret noch hart. Dieses Werk wurde so hoch berühmet/ daß Papst Benedictus der IX. einen seiner Hofleute in Toscana geschikt/ um den Augenschein einzunehmen/ was Giotto für ein Mann sey/ und wie seine Arbeit beschaffen: weil er ihm vorgenommen hatte/ in S. Peters Kirche etliche Sachen machen zu lassen. Dieser nun reisete nach Florenz/ und kame unter Wegs nach Siena: allda er etliche Meister ansprache/ daß sie ihme Zeichnungen von ihrer Hand mitgeben solten/ solche dem Papst zu zeigen. Nachdem kam er gen Florenz/ und an einem Morgen/ fande er den Giotto auf seiner Werkstatt bey der Arbeit. Er zeigte ihm des Papsts Befehl an/ und begehrte auch eine Zeichnung von seiner Hand/ wie die andere gethan hatten/ damit er solche auch mitbringen könte. Giotto, welcher kurzweiliges humors ware/ nahm einen Bogen Papyr/ befestigte den Arm gegen seiner Seite/ an den Leib/ an statt eines Zirkels/ und zoge durch einen Pinsel/ mit der umdrehenden Hand/ ohne Bewegung des Arms/ eine so vollkommene Rundung/ daß es ein Wunder zu sehen war. Als er solches verrichtet/ gab er das Papyr dem Hofmann mit lachendem Mund/ und sagte: Da habe er die Zeichnung. Dieser vermeinte/ er spotte nur seiner/ und fragte: Ob er ihm dann keine andere Zeichnung geben wolte/ als diese? Giotto antwortete: Es sey übrig genug an dieser/ er solte sie nur/ neben den andern/ dem Papst für Augen bringen/ und vernehmen/ ob man sie kennen werde. Der Hofmann zoge seines Wegs/ wiewol übel zufrieden. Als er aber alle Zeichnungen dem Papst überbracht/ und ihm erzehlte/ wie Giotto dieses/ ohne Zirkel/ und ohne Bewegung des Arms/ von freyer Hand gemacht hätte/ erkannte der Papst und viele seiner verständigen Hofleute/ daß Giotto alle andere Mahlere seiner Zeit in Fürtreflichkeit weit überstiege. Er ziehet eine Rundung zur Zeichnung. Demnach ließe er ihn nach Rom erfordern/ und viel Sachen machen/ welche sehr nett und artig waren: weßwegen er ihn höchlich belohnet und geehret. Unter diesen war ein Marien-Bild/ auf einer Maur: welches/ als nachmals die Maur abgebrochen worden/ wegen der Kunst/ mit großer Mühe ausgehauen/ und an einen andern Ort zur Verwahrung gebracht wurde. Er machte auch/ von Mosaik/ das Schiff in S. Peters Vorhof: welches noch zu sehen ist/ und/ als ein seltsames und kunstreiches Werk/ von allen Verständigen gepriesen wird. Hierbey hat man die unterschiedliche Geberden der Aposteln/ wie auch das Ungewitter auf dem Meer/ die Erhebung des aufgeblaßnen Segels/ die große Gleichheit der glasirten Steinlein/ auch die affecten eines anglenden Fischers/ mit Verwunderung zu betrachten. Er hat auch zu Avignon, (dahin er Papst Clementi V. gefolget) und an mehr andern Orten in Frankreich/ viel schöne Werke verfärtigt: Von dar er/ Anno 1316. wol beehrt und belohnet/ wieder nach Haus gereiset/ nachdem er in verschiedenen Städten schöne Gedächtnise seiner Kunst hinterlassen. Wird von Papst Benedicto IX nach Rom beruffen und geehret. Macht das Schiff in S. Peters Vorhof/ und mehr schöne Werke zu Avignon und an andern Orten. Nachmals wurde er von König Roberto nach Neapels beruffen: für welchen er/ in S. Claren Kloster-Kirche/ viel Historien aus dem alten und neuen Testament/ wie auch aus der Offenbahrung Johannis, gemahlet. Man sagt/ er habe hier/ wie auch vorher zu Assisi, viel Erfindungen mit eingebracht/ die von seinem guten Freunde/ dem Poëten Dantes, hergekommen. Dem König ware dieses Mahlers Arbeit/ wie auch seine kluge Scherzhaftigkeit im Reden/ sehr angenehm/ weßwegen er oft um ihn ware/ ihm zuzusehen/ wie er arbeitete/ und seine kurzweilige Antworten anzuhören/ welche zuweilen scharpf/ aber doch lieblich/ waren. Eines Tags sagte der König zu Giotto: Wann ich an eurer Stelle wäre/ wolte ich bey dieser Hitz nicht arbeiten/ und das Mahlen bleiben lassen; Worauf er alsobald antwortete: Ja gewiß/ wann ich an des Königs Stelle wäre/ wolte ich das Mahlen bleiben lassen. Als er/ zur andern Zeit/ einen Königlichen Saal mahlte/ begehrte der König aus Kurzweil an ihn/ er solte ihm sein Königreich abmahlen. Giotto (wie man sagt) mahlte hierauf einen Esel/ mit einem Sattel/ und zu dessen Füßen einen neuen Esels-Sattel/ daran roche der Esel/ als wann er begierig darnach wäre/ auf jedem Sattel lag eine Königliche Kron/ samt dem Zepter: Der König fragte/ was diese Mahlerey bedeute? Der Mahler antwortete: Dieses sind E. Majest. Unterthanen/ und das ist euer Reich; dann täglich begehren sie neue Herrn. Komt nach Neapels, und daselbst in große Würde bey König Roberto. Seine kluge Scherzhaftigkeit. Mahlet das Neapolitanische Königreich. Als er folgends wieder nach Florenz kame/ färtigte er viel Arbeit/ darunter etliche Crucifixe/ hinten mit guldinen Feldern/ auch sonst viel schöne Werke in der Bau-Kunst und Bildschneiderey/ mit allerley Erfindungen. Er war in großen Ehren gehalten und wol belohnet/ und nicht allein zum Burger in Florenz gemacht/ sondern auch/ aus der Stadt Einkommen/ jährlich mit hundert Gold-Kronen begabet und unterhalten/ welches dann zu selbiger Zeit ein großes gewesen. Er starbe endlich Anno 1336. mit 60 Jahren/ und verließe nach sich viel Lehrjünger/ auch viel kurzweilige Scherz-Erzehlungen. Von ihme wird gesagt/ er habe/ in seiner Jugend/ auf die Nase einer Figur/ die sein Meister Cimabue gemahlet/ eine Fliege gemacht/ so natürlich/ daß/ da der Meister wieder an die Arbeit kame/ selbige zu vollenden/ er diese Fliege etlichmal mit der Hand wegjagen wollen/ und erst lezlich/ als sie nicht wieche/ ersehen/ daß er betrogen/ und sie gemahlet ware. Der gelehrte Poët, Angelus Politianus, hat ihme diese Grab-Schrift gemacht: Florenz gibt ihm Ehr und Unterhalt. Er äffet seinen Meister mit einer gemahlten Fliege. Seine Grabschrift. Ille ego sum, per quem pictura extincta re- vixit: cui quàm recta manus, tam fuit & fa- cilis. Naturae deerat, nostrae quod defuit arti. Plus licuit nulli pingere nec melius.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,2. Nürnberg, 1675, S. [II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 60]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0102_1675/78>, abgerufen am 06.05.2024.