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Sanders, Daniel: Brief an Joseph Kehrein. Altstrelitz, 8. März 1860.

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auf doppeltem, ja zehnfachem Raume nicht erschöpfen könnte und worüber
es nie dem Nachschlagenden einen klaren Überblick gewähren wurde. Daß
man nach der Analogie der hier gegebene Beispiele unzählige bilden kann,
sieht der Nachschlagende sofort und ihre Bedeutung ist ihm klar. Ich er-
wähne z.B. nur Decemberabend. Wer das Wort bei Grimm nachschlägt,
findet es allerdings dort auch, und zwar nimmt es dort 6 Zeilen ein,
ohne daß der Nachschlagende darin Etwas über die Mehrzahl und den
Genitiv erfährt (ich verweise wegen der seltenen gedehnten Form "Aben-
des" auf Anmerkung 2 bei mir). Sucht er nun aber bei Grimm "Aprilabend, August-
abend", die zur Aufnahme doch ebenso berechtigt sind, wie "December-
abend", so lässt ihn das Wörterbuch in Stich, weil in der Aufnahme
und Anordnung der Komposita eben mehr der Zufall als ein durch
dachter Plan gewaltet. - Christabend findet sich bei Grimm: dies ante fe-
stum Christi natale proximus
(womit freilich der des Latein Unkun-
dige Nichts erfährt). Welcher Raum wird aber erfordert werden,
wenn so nun einzeln: der Fest-, Ostern-, Pfingst-, Weihnachts-, Johannis.,
Katharinen-, Thomas-Abend
pp. aufgeführt werden sollen, und man
sage nicht etwa, daß solche Wörter keiner Erklärung bedürfen; ich
weiß vielmehr aus Erfahrung, daß z.B. Ausländer den Osterabend
und den "Abend des Ostertags" sehr häufig verwechseln, und ich
glaube nicht zu irren, daß auch Deutsche, wenn sie bei mir Sonnabend
nachschlagen, zu tieferem Denken über die Sprache angeregt werden,
durch das kurze "[3 und Anmerkung]" als durch die 11 Zeilen, die dieser Artikel
z.B. bei Adelung einnimmt. Nebenbei möge erwähnt sein, daß die
Grimm - soweit ihr Wörterbuch vorliegt - nur Beicht (Bitt-, Braut-Abend

aufführen,

auf doppeltem, ja zehnfachem Raume nicht erschöpfen könnte und worüber
es nie dem Nachschlagenden einen klaren Überblick gewähren wurde. Daß
man nach der Analogie der hier gegebene Beispiele unzählige bilden kañ,
sieht der Nachschlagende sofort und ihre Bedeutung ist ihm klar. Ich er-
wähne z.B. nur Decemberabend. Wer das Wort bei Grim̃ nachschlägt,
findet es allerdings dort auch, und zwar nim̃t es dort 6 Zeilen ein,
ohne daß der Nachschlagende darin Etwas über die Mehrzahl und den
Genitiv erfährt (ich verweise wegen der seltenen gedehnten Form „Aben-
des“ auf Anmerkung 2 bei mir). Sucht er nun aber bei Grim̃ „Aprilabend, August-
abend“, die zur Aufnahme doch ebenso berechtigt sind, wie „December-
abend“, so lässt ihn das Wörterbuch in Stich, weil in der Aufnahme
und Anordnung der Komposita eben mehr der Zufall als ein durch
dachter Plan gewaltet. – Christabend findet sich bei Grim̃: dies ante fe-
stum Christi natale proximus
(womit freilich der des Latein Unkun-
dige Nichts erfährt). Welcher Raum wird aber erfordert werden,
weñ so nun einzeln: der Fest-, Ostern-, Pfingst-, Weihnachts-, Johañis.,
Katharinen-, Thomas-Abend
pp. aufgeführt werden sollen, und man
sage nicht etwa, daß solche Wörter keiner Erklärung bedürfen; ich
weiß vielmehr aus Erfahrung, daß z.B. Ausländer den Osterabend
und den „Abend des Ostertags“ sehr häufig verwechseln, und ich
glaube nicht zu irren, daß auch Deutsche, weñ sie bei mir Soñabend
nachschlagen, zu tieferem Denken über die Sprache angeregt werden,
durch das kurze „[3 und Anmerkung]“ als durch die 11 Zeilen, die dieser Artikel
z.B. bei Adelung einnim̃t. Nebenbei möge erwähnt sein, daß die
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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Brief an Joseph Kehrein. Altstrelitz, 8. März 1860, S. [2v]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_kehrein_1860/4>, abgerufen am 16.07.2024.