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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Gegen die selbsterfundene Religion.

Die Frömmigkeit Jesu ChristiJesu Christi
Unterwerfung
unter seinen
Vater.

wird dadurch noch viel schöner und ehrwür-
diger, daß er gleichsam nichts für sich selber
that, sich überall seinem Vater unterwarf, sich im-
mer auf seine Befehle bezog, überall seine Aufträge be-
obachtete, für seines Vaters Ehre besorgt war, und nur
das lehrte, was ihm sein Vater anvertraut hatte. Und
sollten wir nicht schon deswegen die größte Hochachtung
für alle seine Vorschriften, Verordnungen und Anstal-
ten haben? Wir rühmen ihn immer, als die letzte
Stimme, durch welche Gott zu uns redete, (Ebr. 1, 1.)
aber wer weiß es nicht? zu der großen Menge derer,
die gleichgültig sind in der Religion, gesellt sich noch
eine andre Classe von Menschen, die dreist genug sind,
sich selbst eine Religion nach ihrem eigenen Gutfinden
auszudenken, und zusammenzusetzen. Der große Hau-
fen will nichts von der Religion des Erlösers wissen, und
schafft sich selbst einen Glauben, der alle Wollüste und
Bequemlichkeiten dieser Welt erlaubt, und am Ende
doch eben dahin führen soll, wohin die strenge Sitten-
lehre des Erlösers den Weg gebahnt hat. Wir sind
überzeugt, daß niemand je ein heiligeres, ein schöneres,
ein wohlthätigeres Leben geführt hat, als der Sohn Got-
tes. Der roheste und verdorbenste Mensch wird das
nicht läugnen, und doch -- ach, es ist der tägliche
Schmerz des Christen! haben die wenigsten Menschen
seinen Sinn für das wahrhaftig Edle und Gute, für ein-
fältige stille Hoheit; das falsche geborgte, gleissende We-
sen der sogenannten großen Welt gefällt ihnen, selten er-
wacht die Ahndung eines reineren Lebens in der Seele,
sie verirren sich von der Seligkeit der Tugend Jahre

lang,
F 5
Gegen die ſelbſterfundene Religion.

Die Frömmigkeit Jeſu ChriſtiJeſu Chriſti
Unterwerfung
unter ſeinen
Vater.

wird dadurch noch viel ſchöner und ehrwür-
diger, daß er gleichſam nichts für ſich ſelber
that, ſich überall ſeinem Vater unterwarf, ſich im-
mer auf ſeine Befehle bezog, überall ſeine Aufträge be-
obachtete, für ſeines Vaters Ehre beſorgt war, und nur
das lehrte, was ihm ſein Vater anvertraut hatte. Und
ſollten wir nicht ſchon deswegen die größte Hochachtung
für alle ſeine Vorſchriften, Verordnungen und Anſtal-
ten haben? Wir rühmen ihn immer, als die letzte
Stimme, durch welche Gott zu uns redete, (Ebr. 1, 1.)
aber wer weiß es nicht? zu der großen Menge derer,
die gleichgültig ſind in der Religion, geſellt ſich noch
eine andre Claſſe von Menſchen, die dreiſt genug ſind,
ſich ſelbſt eine Religion nach ihrem eigenen Gutfinden
auszudenken, und zuſammenzuſetzen. Der große Hau-
fen will nichts von der Religion des Erlöſers wiſſen, und
ſchafft ſich ſelbſt einen Glauben, der alle Wollüſte und
Bequemlichkeiten dieſer Welt erlaubt, und am Ende
doch eben dahin führen ſoll, wohin die ſtrenge Sitten-
lehre des Erlöſers den Weg gebahnt hat. Wir ſind
überzeugt, daß niemand je ein heiligeres, ein ſchöneres,
ein wohlthätigeres Leben geführt hat, als der Sohn Got-
tes. Der roheſte und verdorbenſte Menſch wird das
nicht läugnen, und doch — ach, es iſt der tägliche
Schmerz des Chriſten! haben die wenigſten Menſchen
ſeinen Sinn für das wahrhaftig Edle und Gute, für ein-
fältige ſtille Hoheit; das falſche geborgte, gleiſſende We-
ſen der ſogenannten großen Welt gefällt ihnen, ſelten er-
wacht die Ahndung eines reineren Lebens in der Seele,
ſie verirren ſich von der Seligkeit der Tugend Jahre

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[89/0095] Gegen die ſelbſterfundene Religion. Die Frömmigkeit Jeſu Chriſti wird dadurch noch viel ſchöner und ehrwür- diger, daß er gleichſam nichts für ſich ſelber that, ſich überall ſeinem Vater unterwarf, ſich im- mer auf ſeine Befehle bezog, überall ſeine Aufträge be- obachtete, für ſeines Vaters Ehre beſorgt war, und nur das lehrte, was ihm ſein Vater anvertraut hatte. Und ſollten wir nicht ſchon deswegen die größte Hochachtung für alle ſeine Vorſchriften, Verordnungen und Anſtal- ten haben? Wir rühmen ihn immer, als die letzte Stimme, durch welche Gott zu uns redete, (Ebr. 1, 1.) aber wer weiß es nicht? zu der großen Menge derer, die gleichgültig ſind in der Religion, geſellt ſich noch eine andre Claſſe von Menſchen, die dreiſt genug ſind, ſich ſelbſt eine Religion nach ihrem eigenen Gutfinden auszudenken, und zuſammenzuſetzen. Der große Hau- fen will nichts von der Religion des Erlöſers wiſſen, und ſchafft ſich ſelbſt einen Glauben, der alle Wollüſte und Bequemlichkeiten dieſer Welt erlaubt, und am Ende doch eben dahin führen ſoll, wohin die ſtrenge Sitten- lehre des Erlöſers den Weg gebahnt hat. Wir ſind überzeugt, daß niemand je ein heiligeres, ein ſchöneres, ein wohlthätigeres Leben geführt hat, als der Sohn Got- tes. Der roheſte und verdorbenſte Menſch wird das nicht läugnen, und doch — ach, es iſt der tägliche Schmerz des Chriſten! haben die wenigſten Menſchen ſeinen Sinn für das wahrhaftig Edle und Gute, für ein- fältige ſtille Hoheit; das falſche geborgte, gleiſſende We- ſen der ſogenannten großen Welt gefällt ihnen, ſelten er- wacht die Ahndung eines reineren Lebens in der Seele, ſie verirren ſich von der Seligkeit der Tugend Jahre lang, Jeſu Chriſti Unterwerfung unter ſeinen Vater. F 5

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/95>, abgerufen am 24.06.2024.