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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Frömmigkeit des Erlösers.
seinen peinlichen Martern, weil er immer das selige Ge-
schäft, Gottes Willen zu thun, allem andern vorzog.
Paulus hatte Stütze und Trost, wenn er gleich täglich
starb, wenn er gleich zwey Jahre in unterirrdischen Ge-
fängnissen schmachten, mit gefesselten Händen den Wäch-
tern seine Unschuld bezeugen, und die Thränen aus den
Augen wischen mußte. Wir werden unterdrückt,
sagt er, aber wir sterben nicht. Wir leiden, aber
wir kommen nicht um.
(2 Cor. 4.) Der Körper
verwelkte, verdorrte, verfiel unter den vielen Schlägen,
unter der schlechten Kleidung, unter den dürren Spei-
sen, aber sein Geist hielt das Andenken Jesu Christi fest,
und überwand!

Jesus Christus hatte für seine große, aufge-
klärte, dauerhafte Frömmigkeit auch den Lohn, daß er
immer heiter, ruhig, und zufrieden leben konnte,

und wirklich ist auch nur der Christ immer frölich und
munter. An angenehmen und unangenehmen Bege-
benheiten hat er ein dankbares Wohlgefallen. Jhm ist
alles Stufe, Erziehung, Vorbereitung zur Ewigkeit.
So oft er also Freude oder Trübsal auf seinem Wege fin-
det, faßt er allemal den Vorsatz, seinen allerweisesten,
unverbesserlich guten Vater aufs höchste, wie sein bestes
Kind, zu lieben, und aus aufrichtigem Streben, sich
seiner Fürsorge würdig zu machen, ihm den Plan des
Lebens zu überlassen, nicht vorzuzeichnen, und sich auch
nicht die geringste Widerspenstigkeit, Unzufriedenheit,
Mißtrauen, oder nur eine scheinbare Kälte gegen ihn
auch nicht ein einziges mal zu erlauben. Andern Men-
schen sind das süße Träume, fromme Einbildungen.

Sie

Frömmigkeit des Erlöſers.
ſeinen peinlichen Martern, weil er immer das ſelige Ge-
ſchäft, Gottes Willen zu thun, allem andern vorzog.
Paulus hatte Stütze und Troſt, wenn er gleich täglich
ſtarb, wenn er gleich zwey Jahre in unterirrdiſchen Ge-
fängniſſen ſchmachten, mit gefeſſelten Händen den Wäch-
tern ſeine Unſchuld bezeugen, und die Thränen aus den
Augen wiſchen mußte. Wir werden unterdrückt,
ſagt er, aber wir ſterben nicht. Wir leiden, aber
wir kommen nicht um.
(2 Cor. 4.) Der Körper
verwelkte, verdorrte, verfiel unter den vielen Schlägen,
unter der ſchlechten Kleidung, unter den dürren Spei-
ſen, aber ſein Geiſt hielt das Andenken Jeſu Chriſti feſt,
und überwand!

Jeſus Chriſtus hatte für ſeine große, aufge-
klärte, dauerhafte Frömmigkeit auch den Lohn, daß er
immer heiter, ruhig, und zufrieden leben konnte,

und wirklich iſt auch nur der Chriſt immer frölich und
munter. An angenehmen und unangenehmen Bege-
benheiten hat er ein dankbares Wohlgefallen. Jhm iſt
alles Stufe, Erziehung, Vorbereitung zur Ewigkeit.
So oft er alſo Freude oder Trübſal auf ſeinem Wege fin-
det, faßt er allemal den Vorſatz, ſeinen allerweiſeſten,
unverbeſſerlich guten Vater aufs höchſte, wie ſein beſtes
Kind, zu lieben, und aus aufrichtigem Streben, ſich
ſeiner Fürſorge würdig zu machen, ihm den Plan des
Lebens zu überlaſſen, nicht vorzuzeichnen, und ſich auch
nicht die geringſte Widerſpenſtigkeit, Unzufriedenheit,
Mißtrauen, oder nur eine ſcheinbare Kälte gegen ihn
auch nicht ein einziges mal zu erlauben. Andern Men-
ſchen ſind das ſüße Träume, fromme Einbildungen.

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[84/0090] Frömmigkeit des Erlöſers. ſeinen peinlichen Martern, weil er immer das ſelige Ge- ſchäft, Gottes Willen zu thun, allem andern vorzog. Paulus hatte Stütze und Troſt, wenn er gleich täglich ſtarb, wenn er gleich zwey Jahre in unterirrdiſchen Ge- fängniſſen ſchmachten, mit gefeſſelten Händen den Wäch- tern ſeine Unſchuld bezeugen, und die Thränen aus den Augen wiſchen mußte. Wir werden unterdrückt, ſagt er, aber wir ſterben nicht. Wir leiden, aber wir kommen nicht um. (2 Cor. 4.) Der Körper verwelkte, verdorrte, verfiel unter den vielen Schlägen, unter der ſchlechten Kleidung, unter den dürren Spei- ſen, aber ſein Geiſt hielt das Andenken Jeſu Chriſti feſt, und überwand! Jeſus Chriſtus hatte für ſeine große, aufge- klärte, dauerhafte Frömmigkeit auch den Lohn, daß er immer heiter, ruhig, und zufrieden leben konnte, und wirklich iſt auch nur der Chriſt immer frölich und munter. An angenehmen und unangenehmen Bege- benheiten hat er ein dankbares Wohlgefallen. Jhm iſt alles Stufe, Erziehung, Vorbereitung zur Ewigkeit. So oft er alſo Freude oder Trübſal auf ſeinem Wege fin- det, faßt er allemal den Vorſatz, ſeinen allerweiſeſten, unverbeſſerlich guten Vater aufs höchſte, wie ſein beſtes Kind, zu lieben, und aus aufrichtigem Streben, ſich ſeiner Fürſorge würdig zu machen, ihm den Plan des Lebens zu überlaſſen, nicht vorzuzeichnen, und ſich auch nicht die geringſte Widerſpenſtigkeit, Unzufriedenheit, Mißtrauen, oder nur eine ſcheinbare Kälte gegen ihn auch nicht ein einziges mal zu erlauben. Andern Men- ſchen ſind das ſüße Träume, fromme Einbildungen. Sie

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/90>, abgerufen am 24.11.2024.