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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Ueble Folgen der Gleichgültigkeit.
kann? Aber erst wird man unwissend in den vornehmsten
Wahrheiten der Religion. Dann zweifelt man an ih-
rer Gewißheit. Der Zweifel zeugt den Spott. Was
erst Wirkung der kaltuntersuchenden Vernunft zu seyn
scheint, das wird zur Gewohnheit. Der Ehrgeiz mischt
sich darein, die Spottsucht verführt in kurzer Zeit zur
Dreistigkeit, zuletzt läugnet man das alles geradezu, was
man wünscht, daß es nicht wahr wäre. Ach, wie oft wird
der Verstand durch die bösen Neigungen des Herzens ge-
blendet! Wie oft scheint uns etwas nur deswegen unge-
reimt und abgeschmackt, weil es sich mit unserm Eigen-
dünkel, mit der hohen Einbildung, die wir von uns selbst
haben, nicht verträgt! Wie oft geben wir die heiligen
Unterweisungen Jesu Christi hin, und wissen doch nichts,
woran wir uns halten wollen, wenn nun der Zeitpunkt
nahe kommt, wo unser Herz unverstellt mit uns redt, und
sich Thränen der Reue und der Schaam über uns selber
im Auge sammlen!

Wir sagen freylich oft: Die Frömmigkeit Jesu
Christi ist das Vorbild, das unserm Auge beständig ge-
genwärtig seyn soll. Wir sind nicht gleichgültig gegen
das unzählige Gute, womit uns Gott vom Himmel
überströmt. Wir hören mit Andacht, wenn die Reli-
gion mit Ernst gelehrt wird. Wir kommen in die Ver-
sammlungen der Christen, wir besuchen gern die Tafel
Jesu Christi, wir glauben, daß das Gebet unentbehr-
lich ist, wir schmähen selber die Frechheit der Spötter,
der Ruchlosen, und der Ungläubigen -- aber wissen wir
dann nicht, was unser Erlöser sagte? Es werden
nicht alle, die zu mir, Herr, Herr! sagen in das

Himmel-

Ueble Folgen der Gleichgültigkeit.
kann? Aber erſt wird man unwiſſend in den vornehmſten
Wahrheiten der Religion. Dann zweifelt man an ih-
rer Gewißheit. Der Zweifel zeugt den Spott. Was
erſt Wirkung der kaltunterſuchenden Vernunft zu ſeyn
ſcheint, das wird zur Gewohnheit. Der Ehrgeiz miſcht
ſich darein, die Spottſucht verführt in kurzer Zeit zur
Dreiſtigkeit, zuletzt läugnet man das alles geradezu, was
man wünſcht, daß es nicht wahr wäre. Ach, wie oft wird
der Verſtand durch die böſen Neigungen des Herzens ge-
blendet! Wie oft ſcheint uns etwas nur deswegen unge-
reimt und abgeſchmackt, weil es ſich mit unſerm Eigen-
dünkel, mit der hohen Einbildung, die wir von uns ſelbſt
haben, nicht verträgt! Wie oft geben wir die heiligen
Unterweiſungen Jeſu Chriſti hin, und wiſſen doch nichts,
woran wir uns halten wollen, wenn nun der Zeitpunkt
nahe kommt, wo unſer Herz unverſtellt mit uns redt, und
ſich Thränen der Reue und der Schaam über uns ſelber
im Auge ſammlen!

Wir ſagen freylich oft: Die Frömmigkeit Jeſu
Chriſti iſt das Vorbild, das unſerm Auge beſtändig ge-
genwärtig ſeyn ſoll. Wir ſind nicht gleichgültig gegen
das unzählige Gute, womit uns Gott vom Himmel
überſtrömt. Wir hören mit Andacht, wenn die Reli-
gion mit Ernſt gelehrt wird. Wir kommen in die Ver-
ſammlungen der Chriſten, wir beſuchen gern die Tafel
Jeſu Chriſti, wir glauben, daß das Gebet unentbehr-
lich iſt, wir ſchmähen ſelber die Frechheit der Spötter,
der Ruchloſen, und der Ungläubigen — aber wiſſen wir
dann nicht, was unſer Erlöſer ſagte? Es werden
nicht alle, die zu mir, Herr, Herr! ſagen in das

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[77/0083] Ueble Folgen der Gleichgültigkeit. kann? Aber erſt wird man unwiſſend in den vornehmſten Wahrheiten der Religion. Dann zweifelt man an ih- rer Gewißheit. Der Zweifel zeugt den Spott. Was erſt Wirkung der kaltunterſuchenden Vernunft zu ſeyn ſcheint, das wird zur Gewohnheit. Der Ehrgeiz miſcht ſich darein, die Spottſucht verführt in kurzer Zeit zur Dreiſtigkeit, zuletzt läugnet man das alles geradezu, was man wünſcht, daß es nicht wahr wäre. Ach, wie oft wird der Verſtand durch die böſen Neigungen des Herzens ge- blendet! Wie oft ſcheint uns etwas nur deswegen unge- reimt und abgeſchmackt, weil es ſich mit unſerm Eigen- dünkel, mit der hohen Einbildung, die wir von uns ſelbſt haben, nicht verträgt! Wie oft geben wir die heiligen Unterweiſungen Jeſu Chriſti hin, und wiſſen doch nichts, woran wir uns halten wollen, wenn nun der Zeitpunkt nahe kommt, wo unſer Herz unverſtellt mit uns redt, und ſich Thränen der Reue und der Schaam über uns ſelber im Auge ſammlen! Wir ſagen freylich oft: Die Frömmigkeit Jeſu Chriſti iſt das Vorbild, das unſerm Auge beſtändig ge- genwärtig ſeyn ſoll. Wir ſind nicht gleichgültig gegen das unzählige Gute, womit uns Gott vom Himmel überſtrömt. Wir hören mit Andacht, wenn die Reli- gion mit Ernſt gelehrt wird. Wir kommen in die Ver- ſammlungen der Chriſten, wir beſuchen gern die Tafel Jeſu Chriſti, wir glauben, daß das Gebet unentbehr- lich iſt, wir ſchmähen ſelber die Frechheit der Spötter, der Ruchloſen, und der Ungläubigen — aber wiſſen wir dann nicht, was unſer Erlöſer ſagte? Es werden nicht alle, die zu mir, Herr, Herr! ſagen in das Himmel-

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/83>, abgerufen am 24.11.2024.