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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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am Ende seines Lebens.
zum Verräther an ihm, ward das bejammernswürdigste
Werkzeug seiner Gefangennehmung, gieng mit der Fa-
ckel in der Hand vor den Mördern her, küßte -- so
windet sich die Schlange um den schlafenden Wandrer
im Wald, und beißt ihn! -- seinen Lehrer, seinen Wohlthä-
ter und Freund, und warf ihm indessen die Schlinge um
den Hals, die die andern zuziehen sollten -- und doch
liebte er diese Leute, wie ein Vater seine Kinder liebt,
und so wie er sie einmal liebte, sagt sein Trauter,
so liebte er sie auch bis ans Ende. (Joh. 13, 1.)
Und was that er nicht für das Volk! Was that er nicht
in Jerusalem! Je näher er seinem Ende kam, desto feu-
riger, desto thätiger war er. Sonst hinderte er alle
laute Ehrenbezeugungen gegen seine Person, aber jezt
ließ er das Volk jauchzen, zog mit königlichem Gepränge
in die Stadt, reinigte den Tempel vom Unrath, und
stritt mit hoher Majestät für das Ansehen der Religion,
redete herzhaft und ohne Zurückhaltung wider die schänd-
liche Aufführung der Pharisäer, griff die Vorurtheile der
Nation öffentlich an, sprach laut vom Untergang der
Juden, vernichtete ihre schönste Traumbilder, alle Hoff-
nungen auf einen andern Messias, weinte mit unbeschreib-
licher Wehmuth die schönsten Thränen für sein Vater-
land, stellte ihnen ihre Trägheit, ihre Undankbarkeit
redlich vor, ließ plötzlich einen Feigenbaum verdorren,
um ihnen ihre gänzliche Abnahme, ihre sinkende Größe,
ihr zerstörtes Glück vor Augen zu legen, erweckte kurz
vorher einen Todten nahe bey Jerusalem, und achtete
nicht auf das Knirschen der neidischen Pharisäer; sie
setzten eine Summe auf seinen Kopf, er wußte es, und
gieng doch alle Tage mit einem starken Gefolge in den

Tempel,
T

am Ende ſeines Lebens.
zum Verräther an ihm, ward das bejammernswürdigſte
Werkzeug ſeiner Gefangennehmung, gieng mit der Fa-
ckel in der Hand vor den Mördern her, küßte — ſo
windet ſich die Schlange um den ſchlafenden Wandrer
im Wald, und beißt ihn! — ſeinen Lehrer, ſeinen Wohlthä-
ter und Freund, und warf ihm indeſſen die Schlinge um
den Hals, die die andern zuziehen ſollten — und doch
liebte er dieſe Leute, wie ein Vater ſeine Kinder liebt,
und ſo wie er ſie einmal liebte, ſagt ſein Trauter,
ſo liebte er ſie auch bis ans Ende. (Joh. 13, 1.)
Und was that er nicht für das Volk! Was that er nicht
in Jeruſalem! Je näher er ſeinem Ende kam, deſto feu-
riger, deſto thätiger war er. Sonſt hinderte er alle
laute Ehrenbezeugungen gegen ſeine Perſon, aber jezt
ließ er das Volk jauchzen, zog mit königlichem Gepränge
in die Stadt, reinigte den Tempel vom Unrath, und
ſtritt mit hoher Majeſtät für das Anſehen der Religion,
redete herzhaft und ohne Zurückhaltung wider die ſchänd-
liche Aufführung der Phariſäer, griff die Vorurtheile der
Nation öffentlich an, ſprach laut vom Untergang der
Juden, vernichtete ihre ſchönſte Traumbilder, alle Hoff-
nungen auf einen andern Meſſias, weinte mit unbeſchreib-
licher Wehmuth die ſchönſten Thränen für ſein Vater-
land, ſtellte ihnen ihre Trägheit, ihre Undankbarkeit
redlich vor, ließ plötzlich einen Feigenbaum verdorren,
um ihnen ihre gänzliche Abnahme, ihre ſinkende Größe,
ihr zerſtörtes Glück vor Augen zu legen, erweckte kurz
vorher einen Todten nahe bey Jeruſalem, und achtete
nicht auf das Knirſchen der neidiſchen Phariſäer; ſie
ſetzten eine Summe auf ſeinen Kopf, er wußte es, und
gieng doch alle Tage mit einem ſtarken Gefolge in den

Tempel,
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[289/0295] am Ende ſeines Lebens. zum Verräther an ihm, ward das bejammernswürdigſte Werkzeug ſeiner Gefangennehmung, gieng mit der Fa- ckel in der Hand vor den Mördern her, küßte — ſo windet ſich die Schlange um den ſchlafenden Wandrer im Wald, und beißt ihn! — ſeinen Lehrer, ſeinen Wohlthä- ter und Freund, und warf ihm indeſſen die Schlinge um den Hals, die die andern zuziehen ſollten — und doch liebte er dieſe Leute, wie ein Vater ſeine Kinder liebt, und ſo wie er ſie einmal liebte, ſagt ſein Trauter, ſo liebte er ſie auch bis ans Ende. (Joh. 13, 1.) Und was that er nicht für das Volk! Was that er nicht in Jeruſalem! Je näher er ſeinem Ende kam, deſto feu- riger, deſto thätiger war er. Sonſt hinderte er alle laute Ehrenbezeugungen gegen ſeine Perſon, aber jezt ließ er das Volk jauchzen, zog mit königlichem Gepränge in die Stadt, reinigte den Tempel vom Unrath, und ſtritt mit hoher Majeſtät für das Anſehen der Religion, redete herzhaft und ohne Zurückhaltung wider die ſchänd- liche Aufführung der Phariſäer, griff die Vorurtheile der Nation öffentlich an, ſprach laut vom Untergang der Juden, vernichtete ihre ſchönſte Traumbilder, alle Hoff- nungen auf einen andern Meſſias, weinte mit unbeſchreib- licher Wehmuth die ſchönſten Thränen für ſein Vater- land, ſtellte ihnen ihre Trägheit, ihre Undankbarkeit redlich vor, ließ plötzlich einen Feigenbaum verdorren, um ihnen ihre gänzliche Abnahme, ihre ſinkende Größe, ihr zerſtörtes Glück vor Augen zu legen, erweckte kurz vorher einen Todten nahe bey Jeruſalem, und achtete nicht auf das Knirſchen der neidiſchen Phariſäer; ſie ſetzten eine Summe auf ſeinen Kopf, er wußte es, und gieng doch alle Tage mit einem ſtarken Gefolge in den Tempel, T

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/295>, abgerufen am 27.11.2024.