Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Unterredungen mit Gott.
noch warten, bis unsre Klagen in Jubelgesang, und unser
Weinen in Psalmen verwandelt wird?

Der freudige Tumult so vieler Stimmen in der Na-
tur, das süße Wirbeln der muntersten Geschöpfe, die alle
mit mir den unerschöpflichen Vorrath deiner Gaben thei-
len, müsse doch auch mein kaltes Herz anfeuren, auch
mir die todte Zunge beleben, und dem trägen Geist Flü-
gel geben!

Alle sichtbare Stützen sind ungewiß, und wanken --
Du, du bist der ewige Gott, der wahrhaftig treu, weise
und gut ist!

So oft ich betäubt von irrdischen Geschäften, und
zerrsteut durch sinnliche Blendwerke, mein erhabenes Ziel
vergesse, so erwecke mich wieder durch deine Liebe, und
mache mich klug durch dein Wort.

Auch noch alsdann, wenn das gebrochene Auge
nichts mehr sieht, wenn die dürre Zunge nichts mehr
empfangen kann, will ich nach deinem Evangelium ru-
fen, und mich auf deinen Beystand verlassen.

Dein Sohn, o Gott! that in der Welt wenig für
sein Vergnügen, aber alles für das Beste andrer.

Du sammlest jede Asche, und lässest nichts umkom-
men in deiner schönen Natur. Erhalte auch in mir je-
den guten Keim, laß ihn aufwachsen, und in der Ewig-
keit noch Früchte tragen.

Jn deinem großen Buche wirst du die geringste
Wohlthat, die ich mit lauterm Herzen gebe, anzeichnen,
und am Tage der Vergeltung rühmen.

Wenn ein Mann, ermüdet von Geschäften für diese
undankbare Welt, unmuthig wird, weil ihm der Bach
des Lebens trüb zu rinnen anfängt, und der verdorrende

Stamm

Unterredungen mit Gott.
noch warten, bis unſre Klagen in Jubelgeſang, und unſer
Weinen in Pſalmen verwandelt wird?

Der freudige Tumult ſo vieler Stimmen in der Na-
tur, das ſüße Wirbeln der munterſten Geſchöpfe, die alle
mit mir den unerſchöpflichen Vorrath deiner Gaben thei-
len, müſſe doch auch mein kaltes Herz anfeuren, auch
mir die todte Zunge beleben, und dem trägen Geiſt Flü-
gel geben!

Alle ſichtbare Stützen ſind ungewiß, und wanken —
Du, du biſt der ewige Gott, der wahrhaftig treu, weiſe
und gut iſt!

So oft ich betäubt von irrdiſchen Geſchäften, und
zerrſteut durch ſinnliche Blendwerke, mein erhabenes Ziel
vergeſſe, ſo erwecke mich wieder durch deine Liebe, und
mache mich klug durch dein Wort.

Auch noch alsdann, wenn das gebrochene Auge
nichts mehr ſieht, wenn die dürre Zunge nichts mehr
empfangen kann, will ich nach deinem Evangelium ru-
fen, und mich auf deinen Beyſtand verlaſſen.

Dein Sohn, o Gott! that in der Welt wenig für
ſein Vergnügen, aber alles für das Beſte andrer.

Du ſammleſt jede Aſche, und läſſeſt nichts umkom-
men in deiner ſchönen Natur. Erhalte auch in mir je-
den guten Keim, laß ihn aufwachſen, und in der Ewig-
keit noch Früchte tragen.

Jn deinem großen Buche wirſt du die geringſte
Wohlthat, die ich mit lauterm Herzen gebe, anzeichnen,
und am Tage der Vergeltung rühmen.

Wenn ein Mann, ermüdet von Geſchäften für dieſe
undankbare Welt, unmuthig wird, weil ihm der Bach
des Lebens trüb zu rinnen anfängt, und der verdorrende

Stamm
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="13"/><fw place="top" type="header">Unterredungen mit Gott.</fw><lb/>
noch warten, bis un&#x017F;re Klagen in Jubelge&#x017F;ang, und un&#x017F;er<lb/>
Weinen in P&#x017F;almen verwandelt wird?</p><lb/>
        <p>Der freudige Tumult &#x017F;o vieler Stimmen in der Na-<lb/>
tur, das &#x017F;üße Wirbeln der munter&#x017F;ten Ge&#x017F;chöpfe, die alle<lb/>
mit mir den uner&#x017F;chöpflichen Vorrath deiner Gaben thei-<lb/>
len, mü&#x017F;&#x017F;e doch auch mein kaltes Herz anfeuren, auch<lb/>
mir die todte Zunge beleben, und dem trägen Gei&#x017F;t Flü-<lb/>
gel geben!</p><lb/>
        <p>Alle &#x017F;ichtbare Stützen &#x017F;ind ungewiß, und wanken &#x2014;<lb/>
Du, du bi&#x017F;t der ewige Gott, der wahrhaftig treu, wei&#x017F;e<lb/>
und gut i&#x017F;t!</p><lb/>
        <p>So oft ich betäubt von irrdi&#x017F;chen Ge&#x017F;chäften, und<lb/>
zerr&#x017F;teut durch &#x017F;innliche Blendwerke, mein erhabenes Ziel<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;o erwecke mich wieder durch deine Liebe, und<lb/>
mache mich klug durch dein Wort.</p><lb/>
        <p>Auch noch alsdann, wenn das gebrochene Auge<lb/>
nichts mehr &#x017F;ieht, wenn die dürre Zunge nichts mehr<lb/>
empfangen kann, will ich nach deinem Evangelium ru-<lb/>
fen, und mich auf deinen Bey&#x017F;tand verla&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Dein Sohn, o Gott! that in der Welt wenig für<lb/>
&#x017F;ein Vergnügen, aber alles für das Be&#x017F;te andrer.</p><lb/>
        <p>Du &#x017F;ammle&#x017F;t jede A&#x017F;che, und lä&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t nichts umkom-<lb/>
men in deiner &#x017F;chönen Natur. Erhalte auch in mir je-<lb/>
den guten Keim, laß ihn aufwach&#x017F;en, und in der Ewig-<lb/>
keit noch Früchte tragen.</p><lb/>
        <p>Jn deinem großen Buche wir&#x017F;t du die gering&#x017F;te<lb/>
Wohlthat, die ich mit lauterm Herzen gebe, anzeichnen,<lb/>
und am Tage der Vergeltung rühmen.</p><lb/>
        <p>Wenn ein Mann, ermüdet von Ge&#x017F;chäften für die&#x017F;e<lb/>
undankbare Welt, unmuthig wird, weil ihm der Bach<lb/>
des Lebens trüb zu rinnen anfängt, und der verdorrende<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Stamm</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0019] Unterredungen mit Gott. noch warten, bis unſre Klagen in Jubelgeſang, und unſer Weinen in Pſalmen verwandelt wird? Der freudige Tumult ſo vieler Stimmen in der Na- tur, das ſüße Wirbeln der munterſten Geſchöpfe, die alle mit mir den unerſchöpflichen Vorrath deiner Gaben thei- len, müſſe doch auch mein kaltes Herz anfeuren, auch mir die todte Zunge beleben, und dem trägen Geiſt Flü- gel geben! Alle ſichtbare Stützen ſind ungewiß, und wanken — Du, du biſt der ewige Gott, der wahrhaftig treu, weiſe und gut iſt! So oft ich betäubt von irrdiſchen Geſchäften, und zerrſteut durch ſinnliche Blendwerke, mein erhabenes Ziel vergeſſe, ſo erwecke mich wieder durch deine Liebe, und mache mich klug durch dein Wort. Auch noch alsdann, wenn das gebrochene Auge nichts mehr ſieht, wenn die dürre Zunge nichts mehr empfangen kann, will ich nach deinem Evangelium ru- fen, und mich auf deinen Beyſtand verlaſſen. Dein Sohn, o Gott! that in der Welt wenig für ſein Vergnügen, aber alles für das Beſte andrer. Du ſammleſt jede Aſche, und läſſeſt nichts umkom- men in deiner ſchönen Natur. Erhalte auch in mir je- den guten Keim, laß ihn aufwachſen, und in der Ewig- keit noch Früchte tragen. Jn deinem großen Buche wirſt du die geringſte Wohlthat, die ich mit lauterm Herzen gebe, anzeichnen, und am Tage der Vergeltung rühmen. Wenn ein Mann, ermüdet von Geſchäften für dieſe undankbare Welt, unmuthig wird, weil ihm der Bach des Lebens trüb zu rinnen anfängt, und der verdorrende Stamm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/19
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/19>, abgerufen am 18.12.2024.