Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Seine Vorschriften zur Liebe.
den wir mit den auch von uns gebesserten Menschen vor
Gott und seinem Sohn in der innigsten Freundschaft le-
ben, werden nie wieder von der Gemeine der Erstgebohr-
nen, von allen guten Menschen getrennt werden: dort
sinden wir die wieder, über deren Leiche wir hier mit tau-
send Thränen gelegen sind; dort umarmen wir unsre Ael-
tern, und küssen unsre Waisen wieder; arme Töchter!
die ihr die beste Mutter in der Wiege schon verlohren
habt, dort wird sie euch wieder, und welche Freude, wenn
sie euch so tugendhaft erblickt, als sie selbst war! dort
kommen wir wieder zu den aufrichtigen Freunden, die
uns ost, wenn Wolken über unser Gesicht hiengen, zuge-
rufen haben: Alle deine Sorgen wirf auf Gott, er
verläßt dich nicht, er sorgt für dich!
(1 Petr. 5, 7.)
Stellt euch oft in Gedanken jene allgemeine Versamm-
lung aller Guten und Weisen, jene große selige Gesell-
schaft aller Freunde und Liebhaber der Tugend, aller
Lieblinge Jesu Christi, aller Verehrer und Anbeter Got-
tes aus allen Ländern, aus allen Jahrtausenden vor,
wenn dann Gott in der Mitte, und Jesus Christus alles
in allem seyn wird! dort, wo uns das Auge mehr sagen,
und das Herz mehr empsinden wird! Um dieser Hoffnung
willen laßt uns immer Gutes thun; ruhig wird unser
Abend seyn, wenn wir alsdann an die denken, die durch
uns veredelt worden sind, die nach unserm Tod an unsre
Stelle treten, und eben so, wie wir, andre Menschen lie.
ben. Wenn wir dann auch nicht mehr sind, andre Men-
schen denken doch noch an uns, erinnern sich an unser
Beyspiel, wählen auch unsre Grundsätze, und danken
Gott, daß sie uns gesunden, und durch unser Beyspiel be-
wogen worden sind, in Gott allein ihre Ruhe zu suchen.

O Chri-
L 3

Seine Vorſchriften zur Liebe.
den wir mit den auch von uns gebeſſerten Menſchen vor
Gott und ſeinem Sohn in der innigſten Freundſchaft le-
ben, werden nie wieder von der Gemeine der Erſtgebohr-
nen, von allen guten Menſchen getrennt werden: dort
ſinden wir die wieder, über deren Leiche wir hier mit tau-
ſend Thränen gelegen ſind; dort umarmen wir unſre Ael-
tern, und küſſen unſre Waiſen wieder; arme Töchter!
die ihr die beſte Mutter in der Wiege ſchon verlohren
habt, dort wird ſie euch wieder, und welche Freude, wenn
ſie euch ſo tugendhaft erblickt, als ſie ſelbſt war! dort
kommen wir wieder zu den aufrichtigen Freunden, die
uns oſt, wenn Wolken über unſer Geſicht hiengen, zuge-
rufen haben: Alle deine Sorgen wirf auf Gott, er
verläßt dich nicht, er ſorgt für dich!
(1 Petr. 5, 7.)
Stellt euch oft in Gedanken jene allgemeine Verſamm-
lung aller Guten und Weiſen, jene große ſelige Geſell-
ſchaft aller Freunde und Liebhaber der Tugend, aller
Lieblinge Jeſu Chriſti, aller Verehrer und Anbeter Got-
tes aus allen Ländern, aus allen Jahrtauſenden vor,
wenn dann Gott in der Mitte, und Jeſus Chriſtus alles
in allem ſeyn wird! dort, wo uns das Auge mehr ſagen,
und das Herz mehr empſinden wird! Um dieſer Hoffnung
willen laßt uns immer Gutes thun; ruhig wird unſer
Abend ſeyn, wenn wir alsdann an die denken, die durch
uns veredelt worden ſind, die nach unſerm Tod an unſre
Stelle treten, und eben ſo, wie wir, andre Menſchen lie.
ben. Wenn wir dann auch nicht mehr ſind, andre Men-
ſchen denken doch noch an uns, erinnern ſich an unſer
Beyſpiel, wählen auch unſre Grundſätze, und danken
Gott, daß ſie uns geſunden, und durch unſer Beyſpiel be-
wogen worden ſind, in Gott allein ihre Ruhe zu ſuchen.

O Chri-
L 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="165"/><fw place="top" type="header">Seine Vor&#x017F;chriften zur Liebe.</fw><lb/>
den wir mit den auch von uns gebe&#x017F;&#x017F;erten Men&#x017F;chen vor<lb/>
Gott und &#x017F;einem Sohn in der innig&#x017F;ten Freund&#x017F;chaft le-<lb/>
ben, werden nie wieder von der Gemeine der Er&#x017F;tgebohr-<lb/>
nen, von allen guten Men&#x017F;chen getrennt werden: dort<lb/>
&#x017F;inden wir die wieder, über deren Leiche wir hier mit tau-<lb/>
&#x017F;end Thränen gelegen &#x017F;ind; dort umarmen wir un&#x017F;re Ael-<lb/>
tern, und kü&#x017F;&#x017F;en un&#x017F;re Wai&#x017F;en wieder; arme Töchter!<lb/>
die ihr die be&#x017F;te Mutter in der Wiege &#x017F;chon verlohren<lb/>
habt, dort wird &#x017F;ie euch wieder, und welche Freude, wenn<lb/>
&#x017F;ie euch &#x017F;o tugendhaft erblickt, als &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t war! dort<lb/>
kommen wir wieder zu den aufrichtigen Freunden, die<lb/>
uns o&#x017F;t, wenn Wolken über un&#x017F;er Ge&#x017F;icht hiengen, zuge-<lb/>
rufen haben: <hi rendition="#fr">Alle deine Sorgen wirf auf Gott, er<lb/>
verläßt dich nicht, er &#x017F;orgt für dich!</hi> (1 Petr. 5, 7.)<lb/>
Stellt euch oft in Gedanken jene allgemeine Ver&#x017F;amm-<lb/>
lung aller Guten und Wei&#x017F;en, jene große &#x017F;elige Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft aller Freunde und Liebhaber der Tugend, aller<lb/>
Lieblinge Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti, aller Verehrer und Anbeter Got-<lb/>
tes aus allen Ländern, aus allen Jahrtau&#x017F;enden vor,<lb/>
wenn dann Gott in der Mitte, und Je&#x017F;us Chri&#x017F;tus alles<lb/>
in allem &#x017F;eyn wird! dort, wo uns das Auge mehr &#x017F;agen,<lb/>
und das Herz mehr emp&#x017F;inden wird! Um die&#x017F;er Hoffnung<lb/>
willen laßt uns immer Gutes thun; ruhig wird un&#x017F;er<lb/>
Abend &#x017F;eyn, wenn wir alsdann an die denken, die durch<lb/>
uns veredelt worden &#x017F;ind, die nach un&#x017F;erm Tod an un&#x017F;re<lb/>
Stelle treten, und eben &#x017F;o, wie wir, andre Men&#x017F;chen lie.<lb/>
ben. Wenn wir dann auch nicht mehr &#x017F;ind, andre Men-<lb/>
&#x017F;chen denken doch noch an uns, erinnern &#x017F;ich an un&#x017F;er<lb/>
Bey&#x017F;piel, wählen auch un&#x017F;re Grund&#x017F;ätze, und danken<lb/>
Gott, daß &#x017F;ie uns ge&#x017F;unden, und durch un&#x017F;er Bey&#x017F;piel be-<lb/>
wogen worden &#x017F;ind, in Gott allein ihre Ruhe zu &#x017F;uchen.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 3</fw><fw place="bottom" type="catch">O Chri-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0171] Seine Vorſchriften zur Liebe. den wir mit den auch von uns gebeſſerten Menſchen vor Gott und ſeinem Sohn in der innigſten Freundſchaft le- ben, werden nie wieder von der Gemeine der Erſtgebohr- nen, von allen guten Menſchen getrennt werden: dort ſinden wir die wieder, über deren Leiche wir hier mit tau- ſend Thränen gelegen ſind; dort umarmen wir unſre Ael- tern, und küſſen unſre Waiſen wieder; arme Töchter! die ihr die beſte Mutter in der Wiege ſchon verlohren habt, dort wird ſie euch wieder, und welche Freude, wenn ſie euch ſo tugendhaft erblickt, als ſie ſelbſt war! dort kommen wir wieder zu den aufrichtigen Freunden, die uns oſt, wenn Wolken über unſer Geſicht hiengen, zuge- rufen haben: Alle deine Sorgen wirf auf Gott, er verläßt dich nicht, er ſorgt für dich! (1 Petr. 5, 7.) Stellt euch oft in Gedanken jene allgemeine Verſamm- lung aller Guten und Weiſen, jene große ſelige Geſell- ſchaft aller Freunde und Liebhaber der Tugend, aller Lieblinge Jeſu Chriſti, aller Verehrer und Anbeter Got- tes aus allen Ländern, aus allen Jahrtauſenden vor, wenn dann Gott in der Mitte, und Jeſus Chriſtus alles in allem ſeyn wird! dort, wo uns das Auge mehr ſagen, und das Herz mehr empſinden wird! Um dieſer Hoffnung willen laßt uns immer Gutes thun; ruhig wird unſer Abend ſeyn, wenn wir alsdann an die denken, die durch uns veredelt worden ſind, die nach unſerm Tod an unſre Stelle treten, und eben ſo, wie wir, andre Menſchen lie. ben. Wenn wir dann auch nicht mehr ſind, andre Men- ſchen denken doch noch an uns, erinnern ſich an unſer Beyſpiel, wählen auch unſre Grundſätze, und danken Gott, daß ſie uns geſunden, und durch unſer Beyſpiel be- wogen worden ſind, in Gott allein ihre Ruhe zu ſuchen. O Chri- L 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/171
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/171>, abgerufen am 21.11.2024.