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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Menschenliebe des Erlösers.
frieden seyn wolle, so war es ihm nicht länger möglich,
dies zerrißne Gemuth mit Zweifel und Furcht zu quälen,
im Stillen vollzog die Natur seinen Befehl, er war da-
hergekommen, um unbekannt zu seyn, (V. 24.) aber er
gieng gern von seinem Plan ab, wenn er zwo Menschen,
seys Jud oder Heid, einen Gefallen thun konnte.

Eine der schönsten und angenehmsten Seiten im Le-
ben Jesu Christi ist ohne Zweifel seine Geselligkeit, sein
edler, liebevoller, offener Umgang mit andern, seine Leut-
seligkeit, und Menschenfreundschaft, seine unerschöpfliche
Kunst, uberall und immer auf die herrlichste Art Gutes
zu thun, und in jedem frommen Herzen ein Andenken an
ihn zu hinterlassen, das nicht sterben konnte, weil es von
der allerreinsten Zärtlichkeit unterhalten, und durch das
Gefühl der Dankbarkeit gepflegt und ernährt wurde.
Wie schön, wie groß, wie erhaben, wie weit, wie viel
umfassend muß ein Herz seyn, das sich, so wie er, aus-
gießen, sich so mittheilen, sich so liebenswürdig auf alles,
was Mensch ist, verbreiten kann! Um nützlich zu seyn,
verbarg er seine göttliche Würde unter dem Kleid der
Menschheit. Er kam aus seines Vaters Schooß, als
wenn er einer von uns wäre, er lebte wie ein gemeiner
Sterblicher, trat in den Cirkel irrdischer Beschäftigun-
gen, sah die kausendfältigen Bestrebungen der Menschen
größtentheils mit Mitleiden an, durchschaute jedes Herz,
kannte jede Lage, lief selber durch manche Verhältnisse,
ehrte die Bande der Natur, schlummerte ermüdet von
Liebe auf dem stillen Berge unter freyem Himmel, genoß
die Früchte der Erde, weinte mit den Weinenden, sang
mit den Frölichen, und wünschte nichts so sehr, als daß
alle, die um ihn waren, und alle, die nach ihm kamen,

das

Menſchenliebe des Erlöſers.
frieden ſeyn wolle, ſo war es ihm nicht länger möglich,
dies zerrißne Gemuth mit Zweifel und Furcht zu quälen,
im Stillen vollzog die Natur ſeinen Befehl, er war da-
hergekommen, um unbekannt zu ſeyn, (V. 24.) aber er
gieng gern von ſeinem Plan ab, wenn er zwo Menſchen,
ſeys Jud oder Heid, einen Gefallen thun konnte.

Eine der ſchönſten und angenehmſten Seiten im Le-
ben Jeſu Chriſti iſt ohne Zweifel ſeine Geſelligkeit, ſein
edler, liebevoller, offener Umgang mit andern, ſeine Leut-
ſeligkeit, und Menſchenfreundſchaft, ſeine unerſchöpfliche
Kunſt, ůberall und immer auf die herrlichſte Art Gutes
zu thun, und in jedem frommen Herzen ein Andenken an
ihn zu hinterlaſſen, das nicht ſterben konnte, weil es von
der allerreinſten Zärtlichkeit unterhalten, und durch das
Gefühl der Dankbarkeit gepflegt und ernährt wurde.
Wie ſchön, wie groß, wie erhaben, wie weit, wie viel
umfaſſend muß ein Herz ſeyn, das ſich, ſo wie er, aus-
gießen, ſich ſo mittheilen, ſich ſo liebenswürdig auf alles,
was Menſch iſt, verbreiten kann! Um nützlich zu ſeyn,
verbarg er ſeine göttliche Würde unter dem Kleid der
Menſchheit. Er kam aus ſeines Vaters Schooß, als
wenn er einer von uns wäre, er lebte wie ein gemeiner
Sterblicher, trat in den Cirkel irrdiſcher Beſchäftigun-
gen, ſah die kauſendfältigen Beſtrebungen der Menſchen
größtentheils mit Mitleiden an, durchſchaute jedes Herz,
kannte jede Lage, lief ſelber durch manche Verhältniſſe,
ehrte die Bande der Natur, ſchlummerte ermüdet von
Liebe auf dem ſtillen Berge unter freyem Himmel, genoß
die Früchte der Erde, weinte mit den Weinenden, ſang
mit den Frölichen, und wünſchte nichts ſo ſehr, als daß
alle, die um ihn waren, und alle, die nach ihm kamen,

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[134/0140] Menſchenliebe des Erlöſers. frieden ſeyn wolle, ſo war es ihm nicht länger möglich, dies zerrißne Gemuth mit Zweifel und Furcht zu quälen, im Stillen vollzog die Natur ſeinen Befehl, er war da- hergekommen, um unbekannt zu ſeyn, (V. 24.) aber er gieng gern von ſeinem Plan ab, wenn er zwo Menſchen, ſeys Jud oder Heid, einen Gefallen thun konnte. Eine der ſchönſten und angenehmſten Seiten im Le- ben Jeſu Chriſti iſt ohne Zweifel ſeine Geſelligkeit, ſein edler, liebevoller, offener Umgang mit andern, ſeine Leut- ſeligkeit, und Menſchenfreundſchaft, ſeine unerſchöpfliche Kunſt, ůberall und immer auf die herrlichſte Art Gutes zu thun, und in jedem frommen Herzen ein Andenken an ihn zu hinterlaſſen, das nicht ſterben konnte, weil es von der allerreinſten Zärtlichkeit unterhalten, und durch das Gefühl der Dankbarkeit gepflegt und ernährt wurde. Wie ſchön, wie groß, wie erhaben, wie weit, wie viel umfaſſend muß ein Herz ſeyn, das ſich, ſo wie er, aus- gießen, ſich ſo mittheilen, ſich ſo liebenswürdig auf alles, was Menſch iſt, verbreiten kann! Um nützlich zu ſeyn, verbarg er ſeine göttliche Würde unter dem Kleid der Menſchheit. Er kam aus ſeines Vaters Schooß, als wenn er einer von uns wäre, er lebte wie ein gemeiner Sterblicher, trat in den Cirkel irrdiſcher Beſchäftigun- gen, ſah die kauſendfältigen Beſtrebungen der Menſchen größtentheils mit Mitleiden an, durchſchaute jedes Herz, kannte jede Lage, lief ſelber durch manche Verhältniſſe, ehrte die Bande der Natur, ſchlummerte ermüdet von Liebe auf dem ſtillen Berge unter freyem Himmel, genoß die Früchte der Erde, weinte mit den Weinenden, ſang mit den Frölichen, und wünſchte nichts ſo ſehr, als daß alle, die um ihn waren, und alle, die nach ihm kamen, das

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/140>, abgerufen am 28.11.2024.