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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Vorurtheile in der Religion.
den Gemälden, den Gesängen, den Erzählungen zu flu-
chen, wodurch der Zunder in euer Herz geworfen wird,
ehe ihr es meynt, die Erinnerung an Allgegenwart und
Allwissenheit Gottes, wie einen Schutzengel, immer um
euch zu haben, daran zu denken, daß die glücklichen Tage
der Jugend, wo uns alles lächelt, und alles besser er-
scheint, als es wirklich ist, bald dahin gleiten, und daß
diese herrliche Zeit, wenn ihr Flecken im Gewissen von
der Art, die keine Reue ganz vertilgt, mit ins weitere Le-
ben nehmt, daß sie alsdann mit einer langen Reihe von
kummervollen Stunden abwechseln wird. Ach, daß euch
Gottes leitendes Auge an jedem Strudel glücklich vorbey-
führe! Jhr findet freylich viele Tag und Nacht an den
unreinen Pfützen liegen, deren verpestender Geruch euch
schon von weitem zurückscheuchen sollte. Aber, wie ver-
führerisch auch das Beyspiel der Welt sey, wahrt euch
doch vor den Verfeinerungen der Liebe, wenn euch eure
Ruhe lieb ist. Jhr wißt noch nicht, wie gefährlich
für euch eure eigene Phantasie werden kann, wenn sie
einmal in die Höhe geschraubt worden ist. Man ladet
euch ein zu unordentlichen Freuden -- könnt ihr glauben,
daß das für euch wahre Wohlthat ist, was ausserhalb
den Anordnungen des Schöpfers liegt? Man malt euch
eine Glückseligkeit vor, die sich nirgends in der Natur fin-
det, der Dichter redt von einem Genuß, der unter dem
Mond nicht vorkommt -- Legt die Hand aufs Herz,
und sagt aufrichtig, ob Gottes Evangelium euch auch
schon einmal getäuscht hat? Da steht unsre Religion mit
allen ihren Zusagen in der Hand. Wer sie eines leeren
Versprechens beschuldigen kann, der werfe den ersten
Stein auf sie! Man zürnt mit unserm Erlöser, weil er

den

Vorurtheile in der Religion.
den Gemälden, den Geſängen, den Erzählungen zu flu-
chen, wodurch der Zunder in euer Herz geworfen wird,
ehe ihr es meynt, die Erinnerung an Allgegenwart und
Allwiſſenheit Gottes, wie einen Schutzengel, immer um
euch zu haben, daran zu denken, daß die glücklichen Tage
der Jugend, wo uns alles lächelt, und alles beſſer er-
ſcheint, als es wirklich iſt, bald dahin gleiten, und daß
dieſe herrliche Zeit, wenn ihr Flecken im Gewiſſen von
der Art, die keine Reue ganz vertilgt, mit ins weitere Le-
ben nehmt, daß ſie alsdann mit einer langen Reihe von
kummervollen Stunden abwechſeln wird. Ach, daß euch
Gottes leitendes Auge an jedem Strudel glücklich vorbey-
führe! Jhr findet freylich viele Tag und Nacht an den
unreinen Pfützen liegen, deren verpeſtender Geruch euch
ſchon von weitem zurückſcheuchen ſollte. Aber, wie ver-
führeriſch auch das Beyſpiel der Welt ſey, wahrt euch
doch vor den Verfeinerungen der Liebe, wenn euch eure
Ruhe lieb iſt. Jhr wißt noch nicht, wie gefährlich
für euch eure eigene Phantaſie werden kann, wenn ſie
einmal in die Höhe geſchraubt worden iſt. Man ladet
euch ein zu unordentlichen Freuden — könnt ihr glauben,
daß das für euch wahre Wohlthat iſt, was auſſerhalb
den Anordnungen des Schöpfers liegt? Man malt euch
eine Glückſeligkeit vor, die ſich nirgends in der Natur fin-
det, der Dichter redt von einem Genuß, der unter dem
Mond nicht vorkommt — Legt die Hand aufs Herz,
und ſagt aufrichtig, ob Gottes Evangelium euch auch
ſchon einmal getäuſcht hat? Da ſteht unſre Religion mit
allen ihren Zuſagen in der Hand. Wer ſie eines leeren
Verſprechens beſchuldigen kann, der werfe den erſten
Stein auf ſie! Man zürnt mit unſerm Erlöſer, weil er

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[125/0131] Vorurtheile in der Religion. den Gemälden, den Geſängen, den Erzählungen zu flu- chen, wodurch der Zunder in euer Herz geworfen wird, ehe ihr es meynt, die Erinnerung an Allgegenwart und Allwiſſenheit Gottes, wie einen Schutzengel, immer um euch zu haben, daran zu denken, daß die glücklichen Tage der Jugend, wo uns alles lächelt, und alles beſſer er- ſcheint, als es wirklich iſt, bald dahin gleiten, und daß dieſe herrliche Zeit, wenn ihr Flecken im Gewiſſen von der Art, die keine Reue ganz vertilgt, mit ins weitere Le- ben nehmt, daß ſie alsdann mit einer langen Reihe von kummervollen Stunden abwechſeln wird. Ach, daß euch Gottes leitendes Auge an jedem Strudel glücklich vorbey- führe! Jhr findet freylich viele Tag und Nacht an den unreinen Pfützen liegen, deren verpeſtender Geruch euch ſchon von weitem zurückſcheuchen ſollte. Aber, wie ver- führeriſch auch das Beyſpiel der Welt ſey, wahrt euch doch vor den Verfeinerungen der Liebe, wenn euch eure Ruhe lieb iſt. Jhr wißt noch nicht, wie gefährlich für euch eure eigene Phantaſie werden kann, wenn ſie einmal in die Höhe geſchraubt worden iſt. Man ladet euch ein zu unordentlichen Freuden — könnt ihr glauben, daß das für euch wahre Wohlthat iſt, was auſſerhalb den Anordnungen des Schöpfers liegt? Man malt euch eine Glückſeligkeit vor, die ſich nirgends in der Natur fin- det, der Dichter redt von einem Genuß, der unter dem Mond nicht vorkommt — Legt die Hand aufs Herz, und ſagt aufrichtig, ob Gottes Evangelium euch auch ſchon einmal getäuſcht hat? Da ſteht unſre Religion mit allen ihren Zuſagen in der Hand. Wer ſie eines leeren Verſprechens beſchuldigen kann, der werfe den erſten Stein auf ſie! Man zürnt mit unſerm Erlöſer, weil er den

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/131>, abgerufen am 25.11.2024.