Nachdem ich diesen grossen Astronomen verlassen hatte, sah ich einer Kaiserlichen Lehnsreichung zu. Der Probst von Berchtoldsgaden sollte die Lehen em- pfangen. Ein Domherr von St. Stephan, ein Herr von Hinkel empfing sie für ihn. In der Burgstrasse muß der lange Zug der Kutschen halten, der Lehnempfän- ger muß dort aussteigen, und in einem bekannten Hause warten, bis ihm der Kaiser sagen läßt, daß er kommen soll. Im Belehnungssaale sieht man des Kaisers Thron, und zu beiden Seiten Tribunen für die Zuschauer. Die Zuschauer und die Noble Gardisten sammeln sich, end- lich kommen auch die Ministers des Kaisers, hernach stellt sich die deutsche Noble Garde in der Staatsuniform mit blossen Hellebarden oder Spiessen rings im Zimmer herum. Der Kaiser kam aus seinem Zimmer *), einer trug ihm das blosse Schwerdt vor, nun kam der Dom- herr, ganz in einen schwarzen Mantel gehüllt, herein, bei der 2ten Kniebeugung hob der Kaiser den Hut, der Lehnsempfänger kniete an die unterste Stuffe des Throns, und hielt seine Rede, die der Reichshofrathsvizepräsident beantwortete; darauf stieg er höher herauf, kniete auf der ersten Stufe des Throns, las den langen Eid ab, und der Reichshofrathsvizepräsident las in einer Abschrift nach. Der Kaiser gab den Hut so lange weg, als er schwor, lies ihn nachher das blosse Schwerdt am Griffe küssen, worauf er wieder unten eine Danksagung hielt, und hinter sich hinausging. Der Kaiser stand mit vieler Majestät auf, zog den Hut ab, wendete sich dabei be- sonders gegen den Herzog von Würtemberg und seine Gräfin, und ging hinaus.
Bei
*) Er hatte die grüne Dragoneruniform und weisseidne Strümpfe an.
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Nachdem ich dieſen groſſen Aſtronomen verlaſſen hatte, ſah ich einer Kaiſerlichen Lehnsreichung zu. Der Probſt von Berchtoldsgaden ſollte die Lehen em- pfangen. Ein Domherr von St. Stephan, ein Herr von Hinkel empfing ſie fuͤr ihn. In der Burgſtraſſe muß der lange Zug der Kutſchen halten, der Lehnempfaͤn- ger muß dort ausſteigen, und in einem bekannten Hauſe warten, bis ihm der Kaiſer ſagen laͤßt, daß er kommen ſoll. Im Belehnungsſaale ſieht man des Kaiſers Thron, und zu beiden Seiten Tribunen fuͤr die Zuſchauer. Die Zuſchauer und die Noble Gardiſten ſammeln ſich, end- lich kommen auch die Miniſters des Kaiſers, hernach ſtellt ſich die deutſche Noble Garde in der Staatsuniform mit bloſſen Hellebarden oder Spieſſen rings im Zimmer herum. Der Kaiſer kam aus ſeinem Zimmer *), einer trug ihm das bloſſe Schwerdt vor, nun kam der Dom- herr, ganz in einen ſchwarzen Mantel gehuͤllt, herein, bei der 2ten Kniebeugung hob der Kaiſer den Hut, der Lehnsempfaͤnger kniete an die unterſte Stuffe des Throns, und hielt ſeine Rede, die der Reichshofrathsvizepraͤſident beantwortete; darauf ſtieg er hoͤher herauf, kniete auf der erſten Stufe des Throns, las den langen Eid ab, und der Reichshofrathsvizepraͤſident las in einer Abſchrift nach. Der Kaiſer gab den Hut ſo lange weg, als er ſchwor, lies ihn nachher das bloſſe Schwerdt am Griffe kuͤſſen, worauf er wieder unten eine Dankſagung hielt, und hinter ſich hinausging. Der Kaiſer ſtand mit vieler Majeſtaͤt auf, zog den Hut ab, wendete ſich dabei be- ſonders gegen den Herzog von Wuͤrtemberg und ſeine Graͤfin, und ging hinaus.
Bei
*) Er hatte die gruͤne Dragoneruniform und weisſeidne Struͤmpfe an.
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Nachdem ich dieſen groſſen Aſtronomen verlaſſen
hatte, ſah ich einer Kaiſerlichen Lehnsreichung zu.
Der Probſt von Berchtoldsgaden ſollte die Lehen em-
pfangen. Ein Domherr von St. Stephan, ein Herr
von Hinkel empfing ſie fuͤr ihn. In der Burgſtraſſe
muß der lange Zug der Kutſchen halten, der Lehnempfaͤn-
ger muß dort ausſteigen, und in einem bekannten Hauſe
warten, bis ihm der Kaiſer ſagen laͤßt, daß er kommen
ſoll. Im Belehnungsſaale ſieht man des Kaiſers Thron,
und zu beiden Seiten Tribunen fuͤr die Zuſchauer. Die
Zuſchauer und die Noble Gardiſten ſammeln ſich, end-
lich kommen auch die Miniſters des Kaiſers, hernach
ſtellt ſich die deutſche Noble Garde in der Staatsuniform
mit bloſſen Hellebarden oder Spieſſen rings im Zimmer
herum. Der Kaiſer kam aus ſeinem Zimmer *), einer
trug ihm das bloſſe Schwerdt vor, nun kam der Dom-
herr, ganz in einen ſchwarzen Mantel gehuͤllt, herein,
bei der 2ten Kniebeugung hob der Kaiſer den Hut, der
Lehnsempfaͤnger kniete an die unterſte Stuffe des Throns,
und hielt ſeine Rede, die der Reichshofrathsvizepraͤſident
beantwortete; darauf ſtieg er hoͤher herauf, kniete auf
der erſten Stufe des Throns, las den langen Eid ab,
und der Reichshofrathsvizepraͤſident las in einer Abſchrift
nach. Der Kaiſer gab den Hut ſo lange weg, als er
ſchwor, lies ihn nachher das bloſſe Schwerdt am Griffe
kuͤſſen, worauf er wieder unten eine Dankſagung hielt,
und hinter ſich hinausging. Der Kaiſer ſtand mit vieler
Majeſtaͤt auf, zog den Hut ab, wendete ſich dabei be-
ſonders gegen den Herzog von Wuͤrtemberg und ſeine
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*) Er hatte die gruͤne Dragoneruniform und weisſeidne
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/621>, abgerufen am 12.12.2024.
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