Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Aus Schwaz gehen am Morgen ganze Schwärme
von Menschen in die dortigen Bergwerke. Fast die gan-
ze Stadt nährt sich davon.

Der Aberglaube ist in diesem Lande so gros, daß
sie auf die Briefe schreiben; + C + M + B *).

Die Einrichtungen des Kaisers sind für Manchen sehr
drückend. z. B. Hr. von Laicharting war beim Stras-
senbau angestellt, und hatte 400. Gulden, alle diese Leute
fielen in die Reduktion, weil die Strassen künftig vom
Militär besorgt werden sollen. Auch hatte er 4. Schwe-
stern in Klöstern, und diese kommen nun mit ihm zum
Vater zurück; von 200. Gulden, sagt man, kan keine
leben. Die Erbitterung gegen den Monarchen ist ganz
unglaublich. Man erzählt die unvernünftigsten Dinge
von ihm. "Und wenn hundert Kaiser Josephs kämen,"
sagen die Bigotten, "so thun wir das doch nicht." Die
Vernünftigern befürchten im Ernst eine Spaltung in
der katholischen Kirche selbst. Daher bleibt es auch,
wenigstens im Lande Tyrol, oft beim Publiziren der
Befehle, und die Befolgung geschieht nicht, z. B. ver-
botene Feiertage werden gefeiert, abgeschafte sinnlose
Ceremonien und Prozessionen wurden noch ganz neuerlich
gehalten. Man glaubt, Se. Maj. werden nicht eher
durchdringen, bis Sie fremde Geistliche, fremde Kreis-
hauptleute und Beamte schicken, und in der ganzen
Monarchie umwechseln werden.

Wie abscheulich lügt man einem Monarchen, wenn
man bei seinem Leben oder Tode von ihm sagt: Er habe
seine Unterthanen glücklich gemacht! Und man kan doch

ganze
*) Caspar, Melchior, Balthas. Herausgeber.
F f 5

Aus Schwaz gehen am Morgen ganze Schwaͤrme
von Menſchen in die dortigen Bergwerke. Faſt die gan-
ze Stadt naͤhrt ſich davon.

Der Aberglaube iſt in dieſem Lande ſo gros, daß
ſie auf die Briefe ſchreiben; † C † M † B *).

Die Einrichtungen des Kaiſers ſind fuͤr Manchen ſehr
druͤckend. z. B. Hr. von Laicharting war beim Straſ-
ſenbau angeſtellt, und hatte 400. Gulden, alle dieſe Leute
fielen in die Reduktion, weil die Straſſen kuͤnftig vom
Militaͤr beſorgt werden ſollen. Auch hatte er 4. Schwe-
ſtern in Kloͤſtern, und dieſe kommen nun mit ihm zum
Vater zuruͤck; von 200. Gulden, ſagt man, kan keine
leben. Die Erbitterung gegen den Monarchen iſt ganz
unglaublich. Man erzaͤhlt die unvernuͤnftigſten Dinge
von ihm. „Und wenn hundert Kaiſer Joſephs kaͤmen,“
ſagen die Bigotten, „ſo thun wir das doch nicht.“ Die
Vernuͤnftigern befuͤrchten im Ernſt eine Spaltung in
der katholiſchen Kirche ſelbſt. Daher bleibt es auch,
wenigſtens im Lande Tyrol, oft beim Publiziren der
Befehle, und die Befolgung geſchieht nicht, z. B. ver-
botene Feiertage werden gefeiert, abgeſchafte ſinnloſe
Ceremonien und Prozeſſionen wurden noch ganz neuerlich
gehalten. Man glaubt, Se. Maj. werden nicht eher
durchdringen, bis Sie fremde Geiſtliche, fremde Kreis-
hauptleute und Beamte ſchicken, und in der ganzen
Monarchie umwechſeln werden.

Wie abſcheulich luͤgt man einem Monarchen, wenn
man bei ſeinem Leben oder Tode von ihm ſagt: Er habe
ſeine Unterthanen gluͤcklich gemacht! Und man kan doch

ganze
*) Caſpar, Melchior, Balthaſ. Herausgeber.
F f 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0495" n="457"/>
              <p>Aus <hi rendition="#fr">Schwaz</hi> gehen am Morgen ganze Schwa&#x0364;rme<lb/>
von Men&#x017F;chen in die dortigen Bergwerke. Fa&#x017F;t die gan-<lb/>
ze Stadt na&#x0364;hrt &#x017F;ich davon.</p><lb/>
              <p>Der <hi rendition="#fr">Aberglaube</hi> i&#x017F;t in die&#x017F;em Lande &#x017F;o gros, daß<lb/>
&#x017F;ie auf die Briefe &#x017F;chreiben; &#x2020; C &#x2020; M &#x2020; B <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#fr">Ca&#x017F;par, Melchior, Baltha&#x017F;. <hi rendition="#et">Herausgeber.</hi></hi></note>.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#fr">Einrichtungen</hi> des Kai&#x017F;ers &#x017F;ind fu&#x0364;r Manchen &#x017F;ehr<lb/>
dru&#x0364;ckend. z. B. Hr. <hi rendition="#fr">von Laicharting</hi> war beim Stra&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enbau ange&#x017F;tellt, und hatte 400. Gulden, alle die&#x017F;e Leute<lb/>
fielen in die Reduktion, weil die Stra&#x017F;&#x017F;en ku&#x0364;nftig vom<lb/>
Milita&#x0364;r be&#x017F;orgt werden &#x017F;ollen. Auch hatte er 4. Schwe-<lb/>
&#x017F;tern in Klo&#x0364;&#x017F;tern, und die&#x017F;e kommen nun mit ihm zum<lb/>
Vater zuru&#x0364;ck; von 200. Gulden, &#x017F;agt man, kan keine<lb/>
leben. Die <hi rendition="#fr">Erbitterung</hi> gegen den Monarchen i&#x017F;t ganz<lb/>
unglaublich. Man erza&#x0364;hlt die unvernu&#x0364;nftig&#x017F;ten Dinge<lb/>
von ihm. &#x201E;Und wenn hundert Kai&#x017F;er <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ephs</hi> ka&#x0364;men,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agen die <hi rendition="#fr">Bigotten,</hi> &#x201E;&#x017F;o thun wir das doch nicht.&#x201C; Die<lb/><hi rendition="#fr">Vernu&#x0364;nftigern</hi> befu&#x0364;rchten im Ern&#x017F;t eine Spaltung in<lb/>
der katholi&#x017F;chen Kirche &#x017F;elb&#x017F;t. Daher bleibt es auch,<lb/>
wenig&#x017F;tens im Lande <hi rendition="#fr">Tyrol,</hi> oft beim Publiziren der<lb/>
Befehle, und die Befolgung ge&#x017F;chieht nicht, z. B. ver-<lb/>
botene Feiertage werden gefeiert, abge&#x017F;chafte &#x017F;innlo&#x017F;e<lb/>
Ceremonien und Proze&#x017F;&#x017F;ionen wurden noch ganz neuerlich<lb/>
gehalten. Man glaubt, Se. Maj. werden nicht eher<lb/>
durchdringen, bis Sie fremde Gei&#x017F;tliche, fremde Kreis-<lb/>
hauptleute und Beamte &#x017F;chicken, und in der ganzen<lb/>
Monarchie umwech&#x017F;eln werden.</p><lb/>
              <p>Wie ab&#x017F;cheulich lu&#x0364;gt man einem Monarchen, wenn<lb/>
man bei &#x017F;einem Leben oder Tode von ihm &#x017F;agt: Er habe<lb/>
&#x017F;eine Unterthanen glu&#x0364;cklich gemacht! Und man kan doch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F f 5</fw><fw place="bottom" type="catch">ganze</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[457/0495] Aus Schwaz gehen am Morgen ganze Schwaͤrme von Menſchen in die dortigen Bergwerke. Faſt die gan- ze Stadt naͤhrt ſich davon. Der Aberglaube iſt in dieſem Lande ſo gros, daß ſie auf die Briefe ſchreiben; † C † M † B *). Die Einrichtungen des Kaiſers ſind fuͤr Manchen ſehr druͤckend. z. B. Hr. von Laicharting war beim Straſ- ſenbau angeſtellt, und hatte 400. Gulden, alle dieſe Leute fielen in die Reduktion, weil die Straſſen kuͤnftig vom Militaͤr beſorgt werden ſollen. Auch hatte er 4. Schwe- ſtern in Kloͤſtern, und dieſe kommen nun mit ihm zum Vater zuruͤck; von 200. Gulden, ſagt man, kan keine leben. Die Erbitterung gegen den Monarchen iſt ganz unglaublich. Man erzaͤhlt die unvernuͤnftigſten Dinge von ihm. „Und wenn hundert Kaiſer Joſephs kaͤmen,“ ſagen die Bigotten, „ſo thun wir das doch nicht.“ Die Vernuͤnftigern befuͤrchten im Ernſt eine Spaltung in der katholiſchen Kirche ſelbſt. Daher bleibt es auch, wenigſtens im Lande Tyrol, oft beim Publiziren der Befehle, und die Befolgung geſchieht nicht, z. B. ver- botene Feiertage werden gefeiert, abgeſchafte ſinnloſe Ceremonien und Prozeſſionen wurden noch ganz neuerlich gehalten. Man glaubt, Se. Maj. werden nicht eher durchdringen, bis Sie fremde Geiſtliche, fremde Kreis- hauptleute und Beamte ſchicken, und in der ganzen Monarchie umwechſeln werden. Wie abſcheulich luͤgt man einem Monarchen, wenn man bei ſeinem Leben oder Tode von ihm ſagt: Er habe ſeine Unterthanen gluͤcklich gemacht! Und man kan doch ganze *) Caſpar, Melchior, Balthaſ. Herausgeber. F f 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/495
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/495>, abgerufen am 21.11.2024.