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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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sprungenen, an halben oder Viertels-Granaten. Man
läßt sie auch nur an den schlechtesten die Probe machen.
Die kleinste Zahl der Seiten oder Facetten ist sechs. Man
schleift 12, 16, aufs höchste 32. Seiten daran. Ein
geschickter Arbeiter schleift in einem Tage 1000. Granaten,
auch 1100, je nachdem mehr oder weniger Facetten dar-
an seyn sollen. Dafür ist sein Tagelohn nur 18. Kreu-
zer. Bei diesem Schleifen springen viele Granaten ent-
zwei, oft vom Hundert 28. bis 30. Stücke. Wenn sie
geschliffen sind, werden sie gleich von Weibsleuten, die
auch in der Schleife sitzen, mit Trippel auf einer runden
Scheibe polirt, und alsdann sieht man erst das Feuer,
womit sie spielen, und den herrlichen Glanz, den sie von
sich werfen. Die Meister der Schleifer fassen sie auf,
Taufendweise an Fäden von türkischem Garn. Wer im
Ort ein Taufend kauft, dem werden sie noch auf Seiden-
fäden aufgezogen. Auch für 5. Gulden kan man ein ar-
tig geschliffenes Tausend haben, aber auch Tausend für
6, 8. und mehrere Louisd'or. Von Waldkirch und
Freiburg gehen sie in die ganze Welt. Man bestellt
insgemein, wann, wie viel, wie gros, und wie geschlif-
fen man sie haben will. Nach Italien, Frankreich,
und nach der Türkei gehen gar viele. Auch haben die
Fabriken guten Absatz auf der Frankfurter und Zur-
zach
er Messe. Ein Mann hat selten eine Schleife al-
lein, oft haben ganze Familien an Einer Theil. Daß
der Absatz seit ungefähr zehn Jahren sehr abgenommen
hat, darüber klagen die Meister nicht sowohl die Mode,
als vielmehr die wälschen Faktore in Freiburg an, und
sagen ihnen nach, daß sie öfters Bestellungen abweisen,
oder zurückhalten, um die Granaten immer in einem nie-
drigen Preise zu erhalten. Ehemals mußten alle Arbei-

ter

ſprungenen, an halben oder Viertels-Granaten. Man
laͤßt ſie auch nur an den ſchlechteſten die Probe machen.
Die kleinſte Zahl der Seiten oder Facetten iſt ſechs. Man
ſchleift 12, 16, aufs hoͤchſte 32. Seiten daran. Ein
geſchickter Arbeiter ſchleift in einem Tage 1000. Granaten,
auch 1100, je nachdem mehr oder weniger Facetten dar-
an ſeyn ſollen. Dafuͤr iſt ſein Tagelohn nur 18. Kreu-
zer. Bei dieſem Schleifen ſpringen viele Granaten ent-
zwei, oft vom Hundert 28. bis 30. Stuͤcke. Wenn ſie
geſchliffen ſind, werden ſie gleich von Weibsleuten, die
auch in der Schleife ſitzen, mit Trippel auf einer runden
Scheibe polirt, und alsdann ſieht man erſt das Feuer,
womit ſie ſpielen, und den herrlichen Glanz, den ſie von
ſich werfen. Die Meiſter der Schleifer faſſen ſie auf,
Taufendweiſe an Faͤden von tuͤrkiſchem Garn. Wer im
Ort ein Taufend kauft, dem werden ſie noch auf Seiden-
faͤden aufgezogen. Auch fuͤr 5. Gulden kan man ein ar-
tig geſchliffenes Tauſend haben, aber auch Tauſend fuͤr
6, 8. und mehrere Louisd’or. Von Waldkirch und
Freiburg gehen ſie in die ganze Welt. Man beſtellt
insgemein, wann, wie viel, wie gros, und wie geſchlif-
fen man ſie haben will. Nach Italien, Frankreich,
und nach der Tuͤrkei gehen gar viele. Auch haben die
Fabriken guten Abſatz auf der Frankfurter und Zur-
zach
er Meſſe. Ein Mann hat ſelten eine Schleife al-
lein, oft haben ganze Familien an Einer Theil. Daß
der Abſatz ſeit ungefaͤhr zehn Jahren ſehr abgenommen
hat, daruͤber klagen die Meiſter nicht ſowohl die Mode,
als vielmehr die waͤlſchen Faktore in Freiburg an, und
ſagen ihnen nach, daß ſie oͤfters Beſtellungen abweiſen,
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[367/0405] ſprungenen, an halben oder Viertels-Granaten. Man laͤßt ſie auch nur an den ſchlechteſten die Probe machen. Die kleinſte Zahl der Seiten oder Facetten iſt ſechs. Man ſchleift 12, 16, aufs hoͤchſte 32. Seiten daran. Ein geſchickter Arbeiter ſchleift in einem Tage 1000. Granaten, auch 1100, je nachdem mehr oder weniger Facetten dar- an ſeyn ſollen. Dafuͤr iſt ſein Tagelohn nur 18. Kreu- zer. Bei dieſem Schleifen ſpringen viele Granaten ent- zwei, oft vom Hundert 28. bis 30. Stuͤcke. Wenn ſie geſchliffen ſind, werden ſie gleich von Weibsleuten, die auch in der Schleife ſitzen, mit Trippel auf einer runden Scheibe polirt, und alsdann ſieht man erſt das Feuer, womit ſie ſpielen, und den herrlichen Glanz, den ſie von ſich werfen. Die Meiſter der Schleifer faſſen ſie auf, Taufendweiſe an Faͤden von tuͤrkiſchem Garn. Wer im Ort ein Taufend kauft, dem werden ſie noch auf Seiden- faͤden aufgezogen. Auch fuͤr 5. Gulden kan man ein ar- tig geſchliffenes Tauſend haben, aber auch Tauſend fuͤr 6, 8. und mehrere Louisd’or. Von Waldkirch und Freiburg gehen ſie in die ganze Welt. Man beſtellt insgemein, wann, wie viel, wie gros, und wie geſchlif- fen man ſie haben will. Nach Italien, Frankreich, und nach der Tuͤrkei gehen gar viele. Auch haben die Fabriken guten Abſatz auf der Frankfurter und Zur- zacher Meſſe. Ein Mann hat ſelten eine Schleife al- lein, oft haben ganze Familien an Einer Theil. Daß der Abſatz ſeit ungefaͤhr zehn Jahren ſehr abgenommen hat, daruͤber klagen die Meiſter nicht ſowohl die Mode, als vielmehr die waͤlſchen Faktore in Freiburg an, und ſagen ihnen nach, daß ſie oͤfters Beſtellungen abweiſen, oder zuruͤckhalten, um die Granaten immer in einem nie- drigen Preiſe zu erhalten. Ehemals mußten alle Arbei- ter

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/405>, abgerufen am 02.05.2024.