lich aus Italien kommen. Die sogenannte Osterkerze wiegt allein acht Pfund.
Man führte mich auch in die Kapitelstube, wo nebst andern Verrichtungen auch Aspeticker gelesen wer- den, und wirklich las man den Augustin vor.
Auf die Bibliothek führte mich ein junger Mann, P. Bernard, der noch nicht lange auf diesem Posten ist, aber viel Eifer, Fleis und Thätigkeit zu haben scheint. Das Wichtigste, was ich gesehen habe, ist: 1) Ein Martyrologium und Necrologium, das im vierzehnten Jahrhundert angefangen wurde. 2) Von Ioa. Bollandi Acta Sanctorum, 4to, schon mehr als 40. Bände. 3) Ein altes Missale aus dem neun- ten, vielleicht gar aus dem achten Jahrhundert. Es ist auf Pergament sehr schön geschrieben und wohl erhalten. Ein Zeichen seines besonders hohen Alters ist die Vorstel- lung Christi am Kreuz. Hier ist er noch gemalt mit ei- ner Schürze um die Mitte des Leibes bis auf die Knie, und unten sind die Füsse nicht übereinandergeschlagen, sondern sie stehen nebeneinander auf einem Bret, (Sub- pedio). Nun weis man aus der Kirchengeschichte, daß dies die älteste Art, die Kreuzigung des Erlösers abzu- malen gewesen ist. 4) Ein Psalterium aus dem zehn- ten Jahrhundert. 5) Noch ein schönes Missale auch aus dem zehnten Jahrhundert. Diese Zahlen und An- gaben gründen sich meistens auf die Aussage des jetzigen Fürsten von St. Blasien, der vor einigen Jahren in Gengenbach mit seinem geübten Auge, und mit seinen grossen Kenntnissen diese Handschriften beurtheilte. Aber hier gilt gewis die Regel: Artifici in sua arte cre- dendum. 6) Eine geschriebene deutsche Uebersetzung
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lich aus Italien kommen. Die ſogenannte Oſterkerze wiegt allein acht Pfund.
Man fuͤhrte mich auch in die Kapitelſtube, wo nebſt andern Verrichtungen auch Aſpeticker geleſen wer- den, und wirklich las man den Auguſtin vor.
Auf die Bibliothek fuͤhrte mich ein junger Mann, P. Bernard, der noch nicht lange auf dieſem Poſten iſt, aber viel Eifer, Fleis und Thaͤtigkeit zu haben ſcheint. Das Wichtigſte, was ich geſehen habe, iſt: 1) Ein Martyrologium und Necrologium, das im vierzehnten Jahrhundert angefangen wurde. 2) Von Ioa. Bollandi Acta Sanctorum, 4to, ſchon mehr als 40. Baͤnde. 3) Ein altes Miſſale aus dem neun- ten, vielleicht gar aus dem achten Jahrhundert. Es iſt auf Pergament ſehr ſchoͤn geſchrieben und wohl erhalten. Ein Zeichen ſeines beſonders hohen Alters iſt die Vorſtel- lung Chriſti am Kreuz. Hier iſt er noch gemalt mit ei- ner Schuͤrze um die Mitte des Leibes bis auf die Knie, und unten ſind die Fuͤſſe nicht uͤbereinandergeſchlagen, ſondern ſie ſtehen nebeneinander auf einem Bret, (Sub- pedio). Nun weis man aus der Kirchengeſchichte, daß dies die aͤlteſte Art, die Kreuzigung des Erloͤſers abzu- malen geweſen iſt. 4) Ein Pſalterium aus dem zehn- ten Jahrhundert. 5) Noch ein ſchoͤnes Miſſale auch aus dem zehnten Jahrhundert. Dieſe Zahlen und An- gaben gruͤnden ſich meiſtens auf die Ausſage des jetzigen Fuͤrſten von St. Blaſien, der vor einigen Jahren in Gengenbach mit ſeinem geuͤbten Auge, und mit ſeinen groſſen Kenntniſſen dieſe Handſchriften beurtheilte. Aber hier gilt gewis die Regel: Artifici in ſua arte cre- dendum. 6) Eine geſchriebene deutſche Ueberſetzung
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lich aus Italien kommen. Die ſogenannte Oſterkerze
wiegt allein acht Pfund.
Man fuͤhrte mich auch in die Kapitelſtube, wo
nebſt andern Verrichtungen auch Aſpeticker geleſen wer-
den, und wirklich las man den Auguſtin vor.
Auf die Bibliothek fuͤhrte mich ein junger Mann,
P. Bernard, der noch nicht lange auf dieſem Poſten
iſt, aber viel Eifer, Fleis und Thaͤtigkeit zu haben
ſcheint. Das Wichtigſte, was ich geſehen habe, iſt:
1) Ein Martyrologium und Necrologium, das im
vierzehnten Jahrhundert angefangen wurde. 2) Von
Ioa. Bollandi Acta Sanctorum, 4to, ſchon mehr
als 40. Baͤnde. 3) Ein altes Miſſale aus dem neun-
ten, vielleicht gar aus dem achten Jahrhundert. Es iſt
auf Pergament ſehr ſchoͤn geſchrieben und wohl erhalten.
Ein Zeichen ſeines beſonders hohen Alters iſt die Vorſtel-
lung Chriſti am Kreuz. Hier iſt er noch gemalt mit ei-
ner Schuͤrze um die Mitte des Leibes bis auf die Knie,
und unten ſind die Fuͤſſe nicht uͤbereinandergeſchlagen,
ſondern ſie ſtehen nebeneinander auf einem Bret, (Sub-
pedio). Nun weis man aus der Kirchengeſchichte, daß
dies die aͤlteſte Art, die Kreuzigung des Erloͤſers abzu-
malen geweſen iſt. 4) Ein Pſalterium aus dem zehn-
ten Jahrhundert. 5) Noch ein ſchoͤnes Miſſale auch
aus dem zehnten Jahrhundert. Dieſe Zahlen und An-
gaben gruͤnden ſich meiſtens auf die Ausſage des jetzigen
Fuͤrſten von St. Blaſien, der vor einigen Jahren in
Gengenbach mit ſeinem geuͤbten Auge, und mit ſeinen
groſſen Kenntniſſen dieſe Handſchriften beurtheilte. Aber
hier gilt gewis die Regel: Artifici in ſua arte cre-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/379>, abgerufen am 22.11.2024.
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