Breßlau, nach Eroberung dieses Orts, in der Kirche gewesen, sonst nie. Der Prinz von Preussen kommu- nizirt des Jahrs einmahl. Der König räumt den Ein- fluß der Religion aufs Volk ein, und setzt sie doch oft vor Offiziers und Pagen herab. Blutschande, Sodomite- rei etc. nennt er Peccadilles, und Hurerei menschliche Schwachheit. Man solle den Bauer nicht noch mehr von Geld enerviren, lieber ein Paar Monat Festungs- bau. Nach jedem Kriege will man bemerkt haben, daß er etwas härter geworden.
Es liegen ohngefähr 8000. Mann Garnison hier. Die Soldaten vom ersten Bataillon der Leibgarde zu Fuß müssen immer in Parade seyn, dürfen nicht arbeiten, und haben wöchentlich einen Gulden. Die Soldaten sind alle im 2ten Stock einquartirt. Mancher Bürger hat 8. bis 10. Mann, mancher 6, alle aber 4. Mann. Der Bürger muß ihnen auch kochen, und das Essen auf die Wache schicken. Die Klafter Holz kostet hier über 2. Thaler, der König verkauft aber jedem Bürger 6. Klaf- tern für 1. Thaler 6. Groschen, aber das Fuhrlohn bezahlt der Bürger. Die Soldaten dürfen es nicht einmahl spalten. Es sind noch einige Soldaten vom vorigen Kö- nige hier, z. B. der Flügelmann vom ersten Bataillon. Er mißt 18. Zoll über 5. Schuh, ist eine schreckliche Ma- schine, geht aber schon gebückt. Auch von der Kolliner Bataille sind noch welche hier. Diese bekommen zu ih- rem Traktament 1. Gulden Zulage *). Jene vom 1sten
Bataillon
*) Vor Kurzem lebte in Berlin noch ein Jude, der Sol- dat, und am Sonnabend, als seinem Schabbes, frei war. Er war recht stolz auf seine Montur, und trug sie beständig.
Breßlau, nach Eroberung dieſes Orts, in der Kirche geweſen, ſonſt nie. Der Prinz von Preuſſen kommu- nizirt des Jahrs einmahl. Der Koͤnig raͤumt den Ein- fluß der Religion aufs Volk ein, und ſetzt ſie doch oft vor Offiziers und Pagen herab. Blutſchande, Sodomite- rei ꝛc. nennt er Peccadilles, und Hurerei menſchliche Schwachheit. Man ſolle den Bauer nicht noch mehr von Geld enerviren, lieber ein Paar Monat Feſtungs- bau. Nach jedem Kriege will man bemerkt haben, daß er etwas haͤrter geworden.
Es liegen ohngefaͤhr 8000. Mann Garniſon hier. Die Soldaten vom erſten Bataillon der Leibgarde zu Fuß muͤſſen immer in Parade ſeyn, duͤrfen nicht arbeiten, und haben woͤchentlich einen Gulden. Die Soldaten ſind alle im 2ten Stock einquartirt. Mancher Buͤrger hat 8. bis 10. Mann, mancher 6, alle aber 4. Mann. Der Buͤrger muß ihnen auch kochen, und das Eſſen auf die Wache ſchicken. Die Klafter Holz koſtet hier uͤber 2. Thaler, der Koͤnig verkauft aber jedem Buͤrger 6. Klaf- tern fuͤr 1. Thaler 6. Groſchen, aber das Fuhrlohn bezahlt der Buͤrger. Die Soldaten duͤrfen es nicht einmahl ſpalten. Es ſind noch einige Soldaten vom vorigen Koͤ- nige hier, z. B. der Fluͤgelmann vom erſten Bataillon. Er mißt 18. Zoll uͤber 5. Schuh, iſt eine ſchreckliche Ma- ſchine, geht aber ſchon gebuͤckt. Auch von der Kolliner Bataille ſind noch welche hier. Dieſe bekommen zu ih- rem Traktament 1. Gulden Zulage *). Jene vom 1ſten
Bataillon
*) Vor Kurzem lebte in Berlin noch ein Jude, der Sol- dat, und am Sonnabend, als ſeinem Schabbes, frei war. Er war recht ſtolz auf ſeine Montur, und trug ſie beſtaͤndig.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0248"n="210"/><hirendition="#fr">Breßlau,</hi> nach Eroberung dieſes Orts, in der Kirche<lb/>
geweſen, ſonſt nie. Der Prinz von <hirendition="#fr">Preuſſen</hi> kommu-<lb/>
nizirt des Jahrs einmahl. Der Koͤnig raͤumt den Ein-<lb/>
fluß der Religion aufs Volk ein, und ſetzt ſie doch oft vor<lb/>
Offiziers und Pagen herab. Blutſchande, Sodomite-<lb/>
rei ꝛc. nennt er <hirendition="#aq">Peccadilles,</hi> und Hurerei menſchliche<lb/>
Schwachheit. Man ſolle den Bauer nicht noch mehr<lb/>
von Geld enerviren, lieber ein Paar Monat Feſtungs-<lb/>
bau. Nach jedem Kriege will man bemerkt haben, daß<lb/>
er etwas haͤrter geworden.</p><lb/><p>Es liegen ohngefaͤhr 8000. Mann Garniſon hier.<lb/>
Die Soldaten vom erſten Bataillon der Leibgarde zu Fuß<lb/>
muͤſſen immer in Parade ſeyn, duͤrfen nicht arbeiten, und<lb/>
haben woͤchentlich einen Gulden. Die Soldaten ſind<lb/>
alle im 2ten Stock einquartirt. Mancher Buͤrger hat 8.<lb/>
bis 10. Mann, mancher 6, alle aber 4. Mann. Der<lb/>
Buͤrger muß ihnen auch kochen, und das Eſſen auf die<lb/>
Wache ſchicken. Die Klafter Holz koſtet hier uͤber 2.<lb/>
Thaler, der Koͤnig verkauft aber jedem Buͤrger 6. Klaf-<lb/>
tern fuͤr 1. Thaler 6. Groſchen, aber das Fuhrlohn bezahlt<lb/>
der Buͤrger. Die Soldaten duͤrfen es nicht einmahl<lb/>ſpalten. Es ſind noch einige Soldaten vom vorigen Koͤ-<lb/>
nige hier, z. B. der <hirendition="#fr">Fluͤgelmann</hi> vom erſten Bataillon.<lb/>
Er mißt 18. Zoll uͤber 5. Schuh, iſt eine ſchreckliche Ma-<lb/>ſchine, geht aber ſchon gebuͤckt. Auch von der <hirendition="#fr">Kollin</hi>er<lb/>
Bataille ſind noch welche hier. Dieſe bekommen zu ih-<lb/>
rem Traktament 1. Gulden Zulage <noteplace="foot"n="*)">Vor Kurzem lebte in <hirendition="#fr">Berlin</hi> noch ein <hirendition="#fr">Jude,</hi> der <hirendition="#fr">Sol-<lb/>
dat,</hi> und am Sonnabend, als ſeinem Schabbes, frei<lb/>
war. Er war recht ſtolz auf ſeine Montur, und trug<lb/>ſie beſtaͤndig.</note>. Jene vom 1ſten<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Bataillon</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[210/0248]
Breßlau, nach Eroberung dieſes Orts, in der Kirche
geweſen, ſonſt nie. Der Prinz von Preuſſen kommu-
nizirt des Jahrs einmahl. Der Koͤnig raͤumt den Ein-
fluß der Religion aufs Volk ein, und ſetzt ſie doch oft vor
Offiziers und Pagen herab. Blutſchande, Sodomite-
rei ꝛc. nennt er Peccadilles, und Hurerei menſchliche
Schwachheit. Man ſolle den Bauer nicht noch mehr
von Geld enerviren, lieber ein Paar Monat Feſtungs-
bau. Nach jedem Kriege will man bemerkt haben, daß
er etwas haͤrter geworden.
Es liegen ohngefaͤhr 8000. Mann Garniſon hier.
Die Soldaten vom erſten Bataillon der Leibgarde zu Fuß
muͤſſen immer in Parade ſeyn, duͤrfen nicht arbeiten, und
haben woͤchentlich einen Gulden. Die Soldaten ſind
alle im 2ten Stock einquartirt. Mancher Buͤrger hat 8.
bis 10. Mann, mancher 6, alle aber 4. Mann. Der
Buͤrger muß ihnen auch kochen, und das Eſſen auf die
Wache ſchicken. Die Klafter Holz koſtet hier uͤber 2.
Thaler, der Koͤnig verkauft aber jedem Buͤrger 6. Klaf-
tern fuͤr 1. Thaler 6. Groſchen, aber das Fuhrlohn bezahlt
der Buͤrger. Die Soldaten duͤrfen es nicht einmahl
ſpalten. Es ſind noch einige Soldaten vom vorigen Koͤ-
nige hier, z. B. der Fluͤgelmann vom erſten Bataillon.
Er mißt 18. Zoll uͤber 5. Schuh, iſt eine ſchreckliche Ma-
ſchine, geht aber ſchon gebuͤckt. Auch von der Kolliner
Bataille ſind noch welche hier. Dieſe bekommen zu ih-
rem Traktament 1. Gulden Zulage *). Jene vom 1ſten
Bataillon
*) Vor Kurzem lebte in Berlin noch ein Jude, der Sol-
dat, und am Sonnabend, als ſeinem Schabbes, frei
war. Er war recht ſtolz auf ſeine Montur, und trug
ſie beſtaͤndig.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/248>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.