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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Im Schlosse hier sind die Deckenstücke alle schlecht
gemahlt, auch sieht man keine einzige schöne Stukkatur-
arbeit. Die sogenannten neuen Zimmer aber sind mit
vielem Geschmack angelegt. In der Bildergallerie
hängen ausser einigen meisterhaften Gemälden von Ha-
milton,
die Eidechsen, Schnecken, Schmetterlinge dar-
stellen, viele gemeine Stücke. Im Migniaturgemäl-
de
saal befindet sich in der Wand ein Cabinet de For-
nication,
wo alle mögliche wollüstige Stellungen und
Unflätereien aufs feinste gemalt sind. Einige Tische be-
merkte ich, die aus einem herrlichen rothen regulärgezeich-
neten Landmarmor gemachtwaren. Auch sind im Schlosse
die protestantische und die katholische Hofkapelle, in je-
ner sieht das Untertheil der Kanzel einer Krautstaude nach.

Im Waisen- Zucht- und Tollhause, das seit
1736. hier angelegt ist, spinnt alles Wolle, die aber in
der Hitze entsetzlich stinkt. Es war jetzt eines Superin-
tendenten Tochter hier im Zuchthause, die von einem
Manne geschieden worden, den andern mit Gift vergeben
wollte, Ehebruch trieb, und doch schwatzen konnte, wie
ein Engel.

Das hiesige militärische Waisenhaus gehört zu
des Herzogs besten Anstalten. Hundert arme Kinder,
davon 50. Knaben und 50. Mädchen sind, werden darin
umsonst gekleidet, ernährt und unterrichtet. Ein Haupt-
mann und seine Frau haben die Aufsicht über sie. Viel
Reinlichkeit herrscht darin, aber alles ist auch militärisch,
selbst bei den Mädchen. Sie spinnen Flachs, Hanf und
Baumwolle, 120. schnellerliche Faden machen sie aus fei-
ner Wolle aus Cayenne. Doch war das Tischzeug sehr
zerlumpt und voller Löcher. Die Knaben brauchen nicht

alle
E 3

Im Schloſſe hier ſind die Deckenſtuͤcke alle ſchlecht
gemahlt, auch ſieht man keine einzige ſchoͤne Stukkatur-
arbeit. Die ſogenannten neuen Zimmer aber ſind mit
vielem Geſchmack angelegt. In der Bildergallerie
haͤngen auſſer einigen meiſterhaften Gemaͤlden von Ha-
milton,
die Eidechſen, Schnecken, Schmetterlinge dar-
ſtellen, viele gemeine Stuͤcke. Im Migniaturgemaͤl-
de
ſaal befindet ſich in der Wand ein Cabinet de For-
nication,
wo alle moͤgliche wolluͤſtige Stellungen und
Unflaͤtereien aufs feinſte gemalt ſind. Einige Tiſche be-
merkte ich, die aus einem herrlichen rothen regulaͤrgezeich-
neten Landmarmor gemachtwaren. Auch ſind im Schloſſe
die proteſtantiſche und die katholiſche Hofkapelle, in je-
ner ſieht das Untertheil der Kanzel einer Krautſtaude nach.

Im Waiſen- Zucht- und Tollhauſe, das ſeit
1736. hier angelegt iſt, ſpinnt alles Wolle, die aber in
der Hitze entſetzlich ſtinkt. Es war jetzt eines Superin-
tendenten Tochter hier im Zuchthauſe, die von einem
Manne geſchieden worden, den andern mit Gift vergeben
wollte, Ehebruch trieb, und doch ſchwatzen konnte, wie
ein Engel.

Das hieſige militaͤriſche Waiſenhaus gehoͤrt zu
des Herzogs beſten Anſtalten. Hundert arme Kinder,
davon 50. Knaben und 50. Maͤdchen ſind, werden darin
umſonſt gekleidet, ernaͤhrt und unterrichtet. Ein Haupt-
mann und ſeine Frau haben die Aufſicht uͤber ſie. Viel
Reinlichkeit herrſcht darin, aber alles iſt auch militaͤriſch,
ſelbſt bei den Maͤdchen. Sie ſpinnen Flachs, Hanf und
Baumwolle, 120. ſchnellerliche Faden machen ſie aus fei-
ner Wolle aus Cayenne. Doch war das Tiſchzeug ſehr
zerlumpt und voller Loͤcher. Die Knaben brauchen nicht

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[69/0107] Im Schloſſe hier ſind die Deckenſtuͤcke alle ſchlecht gemahlt, auch ſieht man keine einzige ſchoͤne Stukkatur- arbeit. Die ſogenannten neuen Zimmer aber ſind mit vielem Geſchmack angelegt. In der Bildergallerie haͤngen auſſer einigen meiſterhaften Gemaͤlden von Ha- milton, die Eidechſen, Schnecken, Schmetterlinge dar- ſtellen, viele gemeine Stuͤcke. Im Migniaturgemaͤl- deſaal befindet ſich in der Wand ein Cabinet de For- nication, wo alle moͤgliche wolluͤſtige Stellungen und Unflaͤtereien aufs feinſte gemalt ſind. Einige Tiſche be- merkte ich, die aus einem herrlichen rothen regulaͤrgezeich- neten Landmarmor gemachtwaren. Auch ſind im Schloſſe die proteſtantiſche und die katholiſche Hofkapelle, in je- ner ſieht das Untertheil der Kanzel einer Krautſtaude nach. Im Waiſen- Zucht- und Tollhauſe, das ſeit 1736. hier angelegt iſt, ſpinnt alles Wolle, die aber in der Hitze entſetzlich ſtinkt. Es war jetzt eines Superin- tendenten Tochter hier im Zuchthauſe, die von einem Manne geſchieden worden, den andern mit Gift vergeben wollte, Ehebruch trieb, und doch ſchwatzen konnte, wie ein Engel. Das hieſige militaͤriſche Waiſenhaus gehoͤrt zu des Herzogs beſten Anſtalten. Hundert arme Kinder, davon 50. Knaben und 50. Maͤdchen ſind, werden darin umſonſt gekleidet, ernaͤhrt und unterrichtet. Ein Haupt- mann und ſeine Frau haben die Aufſicht uͤber ſie. Viel Reinlichkeit herrſcht darin, aber alles iſt auch militaͤriſch, ſelbſt bei den Maͤdchen. Sie ſpinnen Flachs, Hanf und Baumwolle, 120. ſchnellerliche Faden machen ſie aus fei- ner Wolle aus Cayenne. Doch war das Tiſchzeug ſehr zerlumpt und voller Loͤcher. Die Knaben brauchen nicht alle E 3

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/107>, abgerufen am 25.11.2024.