Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

len, nur sagen, was ich bemerkte. Der Intendant und
Obriste, Hr. von Seger, ist ein Mann von grossen Ga-
ben, wird aber auch in Allem vom Herzoge nachdrücklich
unterstützt. Alles ist hier auf militairischen Fuß und
nach der strengsten Taktik eingerichtet. Das Aufstehen
der Eleven, ihre Unterweisung, ihr Speisen, -- so gar
ihr Gebet bei Tisch, -- ihr Schlafengehen; kurz alles.
Sie sind in Divisionen abgetheilt. Jede davon hat ih-
ren Offizier oder Aufseher. Sie marschiren Kolonnen-
weise, mit ihren Aufsehern an der Spitze, zu und von Ti-
sche. Mit einem Tempo falten alle die Hände zum Ge-
bet, rücken den Stuhl, setzen sich nieder u. s. w. So
sonderbar dies Manchem im ersten Augenblicke scheinen
möchte; so hats doch seinen gar grossen Nutzen. Die
jungen Leute werden in frühen Jahren an Ordnung in ih-
ren Geschäften, und an eine gute Eintheilung ihrer Zeit
gewöhnt; Eigenschaften, die sie hernach gewis ihr gan-
zes Leben hindurch nicht ablegen. Man gewöhnt sie fer-
ner zur Höflichkeit und Lebensart. Sie dürfen keinen
Namen nennen, ohne ein Ehrenwort vorzusetzen. Man
macht daher unter Eleven von vornehmerer und geringe-
rer Geburt keinen Unterschied. Es waren jetzt ein paar
junge Grafen von Isenburg hier: sie wurden gemeinen
Kindern gleich gehalten. Man sucht einen edlen Stolz
bei ihnen zu erwecken, um sie dadurch zum Fleis und gu-
ten Betragen anzuspornen. Sechs bis 7. ganz eminen-
te Jünglinge sah ich an einem eigenen Tische speisen. *)
Beim Unfleiß und andern Vergehungen werden ihnen

papierne
*) Eleven von vorzüglichen Verdiensten haben sogar die
Ehre, manchmahl mit dem Herzoge an einer beson-
dern Tafel zu speisen. Herausgeber.

len, nur ſagen, was ich bemerkte. Der Intendant und
Obriſte, Hr. von Seger, iſt ein Mann von groſſen Ga-
ben, wird aber auch in Allem vom Herzoge nachdruͤcklich
unterſtuͤtzt. Alles iſt hier auf militairiſchen Fuß und
nach der ſtrengſten Taktik eingerichtet. Das Aufſtehen
der Eleven, ihre Unterweiſung, ihr Speiſen, — ſo gar
ihr Gebet bei Tiſch, — ihr Schlafengehen; kurz alles.
Sie ſind in Diviſionen abgetheilt. Jede davon hat ih-
ren Offizier oder Aufſeher. Sie marſchiren Kolonnen-
weiſe, mit ihren Aufſehern an der Spitze, zu und von Ti-
ſche. Mit einem Tempo falten alle die Haͤnde zum Ge-
bet, ruͤcken den Stuhl, ſetzen ſich nieder u. ſ. w. So
ſonderbar dies Manchem im erſten Augenblicke ſcheinen
moͤchte; ſo hats doch ſeinen gar groſſen Nutzen. Die
jungen Leute werden in fruͤhen Jahren an Ordnung in ih-
ren Geſchaͤften, und an eine gute Eintheilung ihrer Zeit
gewoͤhnt; Eigenſchaften, die ſie hernach gewis ihr gan-
zes Leben hindurch nicht ablegen. Man gewoͤhnt ſie fer-
ner zur Hoͤflichkeit und Lebensart. Sie duͤrfen keinen
Namen nennen, ohne ein Ehrenwort vorzuſetzen. Man
macht daher unter Eleven von vornehmerer und geringe-
rer Geburt keinen Unterſchied. Es waren jetzt ein paar
junge Grafen von Iſenburg hier: ſie wurden gemeinen
Kindern gleich gehalten. Man ſucht einen edlen Stolz
bei ihnen zu erwecken, um ſie dadurch zum Fleis und gu-
ten Betragen anzuſpornen. Sechs bis 7. ganz eminen-
te Juͤnglinge ſah ich an einem eigenen Tiſche ſpeiſen. *)
Beim Unfleiß und andern Vergehungen werden ihnen

papierne
*) Eleven von vorzuͤglichen Verdienſten haben ſogar die
Ehre, manchmahl mit dem Herzoge an einer beſon-
dern Tafel zu ſpeiſen. Herausgeber.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0102" n="64"/>
len, nur &#x017F;agen, was ich bemerkte. Der Intendant und<lb/>
Obri&#x017F;te, Hr. <hi rendition="#fr">von Seger,</hi> i&#x017F;t ein Mann von gro&#x017F;&#x017F;en Ga-<lb/>
ben, wird aber auch in Allem vom Herzoge nachdru&#x0364;cklich<lb/>
unter&#x017F;tu&#x0364;tzt. Alles i&#x017F;t hier auf militairi&#x017F;chen Fuß und<lb/>
nach der &#x017F;treng&#x017F;ten Taktik eingerichtet. Das Auf&#x017F;tehen<lb/>
der Eleven, ihre Unterwei&#x017F;ung, ihr Spei&#x017F;en, &#x2014; &#x017F;o gar<lb/>
ihr Gebet bei Ti&#x017F;ch, &#x2014; ihr Schlafengehen; kurz alles.<lb/>
Sie &#x017F;ind in Divi&#x017F;ionen abgetheilt. Jede davon hat ih-<lb/>
ren Offizier oder Auf&#x017F;eher. Sie mar&#x017F;chiren Kolonnen-<lb/>
wei&#x017F;e, mit ihren Auf&#x017F;ehern an der Spitze, zu und von Ti-<lb/>
&#x017F;che. Mit einem Tempo falten alle die Ha&#x0364;nde zum Ge-<lb/>
bet, ru&#x0364;cken den Stuhl, &#x017F;etzen &#x017F;ich nieder u. &#x017F;. w. So<lb/>
&#x017F;onderbar dies Manchem im er&#x017F;ten Augenblicke &#x017F;cheinen<lb/>
mo&#x0364;chte; &#x017F;o hats doch &#x017F;einen gar gro&#x017F;&#x017F;en Nutzen. Die<lb/>
jungen Leute werden in fru&#x0364;hen Jahren an Ordnung in ih-<lb/>
ren Ge&#x017F;cha&#x0364;ften, und an eine gute Eintheilung ihrer Zeit<lb/>
gewo&#x0364;hnt; Eigen&#x017F;chaften, die &#x017F;ie hernach gewis ihr gan-<lb/>
zes Leben hindurch nicht ablegen. Man gewo&#x0364;hnt &#x017F;ie fer-<lb/>
ner zur Ho&#x0364;flichkeit und Lebensart. Sie du&#x0364;rfen keinen<lb/>
Namen nennen, ohne ein Ehrenwort vorzu&#x017F;etzen. Man<lb/>
macht daher unter Eleven von vornehmerer und geringe-<lb/>
rer Geburt keinen Unter&#x017F;chied. Es waren jetzt ein paar<lb/>
junge Grafen von <hi rendition="#fr">I&#x017F;enburg</hi> hier: &#x017F;ie wurden gemeinen<lb/>
Kindern gleich gehalten. Man &#x017F;ucht einen edlen Stolz<lb/>
bei ihnen zu erwecken, um &#x017F;ie dadurch zum Fleis und gu-<lb/>
ten Betragen anzu&#x017F;pornen. Sechs bis 7. ganz eminen-<lb/>
te Ju&#x0364;nglinge &#x017F;ah ich an einem eigenen Ti&#x017F;che &#x017F;pei&#x017F;en. <note place="foot" n="*)">Eleven von vorzu&#x0364;glichen Verdien&#x017F;ten haben &#x017F;ogar die<lb/>
Ehre, manchmahl mit dem Herzoge an einer be&#x017F;on-<lb/>
dern Tafel zu &#x017F;pei&#x017F;en. <hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Herausgeber.</hi></hi></note><lb/>
Beim Unfleiß und andern Vergehungen werden ihnen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">papierne</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0102] len, nur ſagen, was ich bemerkte. Der Intendant und Obriſte, Hr. von Seger, iſt ein Mann von groſſen Ga- ben, wird aber auch in Allem vom Herzoge nachdruͤcklich unterſtuͤtzt. Alles iſt hier auf militairiſchen Fuß und nach der ſtrengſten Taktik eingerichtet. Das Aufſtehen der Eleven, ihre Unterweiſung, ihr Speiſen, — ſo gar ihr Gebet bei Tiſch, — ihr Schlafengehen; kurz alles. Sie ſind in Diviſionen abgetheilt. Jede davon hat ih- ren Offizier oder Aufſeher. Sie marſchiren Kolonnen- weiſe, mit ihren Aufſehern an der Spitze, zu und von Ti- ſche. Mit einem Tempo falten alle die Haͤnde zum Ge- bet, ruͤcken den Stuhl, ſetzen ſich nieder u. ſ. w. So ſonderbar dies Manchem im erſten Augenblicke ſcheinen moͤchte; ſo hats doch ſeinen gar groſſen Nutzen. Die jungen Leute werden in fruͤhen Jahren an Ordnung in ih- ren Geſchaͤften, und an eine gute Eintheilung ihrer Zeit gewoͤhnt; Eigenſchaften, die ſie hernach gewis ihr gan- zes Leben hindurch nicht ablegen. Man gewoͤhnt ſie fer- ner zur Hoͤflichkeit und Lebensart. Sie duͤrfen keinen Namen nennen, ohne ein Ehrenwort vorzuſetzen. Man macht daher unter Eleven von vornehmerer und geringe- rer Geburt keinen Unterſchied. Es waren jetzt ein paar junge Grafen von Iſenburg hier: ſie wurden gemeinen Kindern gleich gehalten. Man ſucht einen edlen Stolz bei ihnen zu erwecken, um ſie dadurch zum Fleis und gu- ten Betragen anzuſpornen. Sechs bis 7. ganz eminen- te Juͤnglinge ſah ich an einem eigenen Tiſche ſpeiſen. *) Beim Unfleiß und andern Vergehungen werden ihnen papierne *) Eleven von vorzuͤglichen Verdienſten haben ſogar die Ehre, manchmahl mit dem Herzoge an einer beſon- dern Tafel zu ſpeiſen. Herausgeber.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/102
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/102>, abgerufen am 24.11.2024.