ohne Fackeln und Wegweiser verirren könnte. Man sieht überall die Eingänge, wie die Löcher zum Avernus. Man braucht den Stein auch als eine fruchtbare Mergel- art auf die Felder. Weil unten alles ausgehöhlt ist; so stürzt sehr oft in einer Nacht ein grosses Stück vom obern Berge ein, so daß die Bauern die Aecker suchen müssen. Man begegnet oben überall solchen eingesunke- nen Feldern. Man baut dann Küchengewächse darauf, wo man mit der Hacke zukommen kann. Geht man hinein, so ists sehr kühl darin, und die Gänge ziehen sich krum hinein. Die Leute, welche am Fuß des Berges wohnen, brauchen diese Hölen als Behältnisse für ihr Heu etc. Das sonderbarste aber ist, daß dieser Stein, wenn er viel tragen und lange dauern soll, grade so wie- der gelegt werden muß, wie er im Berge gelegen hat. Die Steinbrecher machen daher gleich auf die obre hori- zontale Fläche jedes Stücks ein Kreuz. Legt man ihn wieder so, so dauert er unendlich, und trägt Fortifikatio- nen: bringt man ihn aber in eine andre Lage; so trägt er kaum 100. Pfund und bricht. Auf der andern Seite des Bergs fliest die Maaß, und da ist der Berg mit Versteinerungen und Kieseln angefüllt.
Auf diesem Berge blickt ich schon wieder von weitem auf die geliebten Fluren Deutschlands hin, und bewill- kommte sie mit patriotischer Freude.
Den Rest des Tags brachte ich mit meinem Freunde Monachon hin. Hofmann's Versteinerungskabinet war nicht zu sehen. -- Wir waren im Blumengärt- chen, und sprachen -- wovon? Ach ja, von Pflanzen und Thieren, bis ich Nachts um 10. Uhr von meinem Freunde und seiner vernünftigen Gattin in meine Au-
berge
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ohne Fackeln und Wegweiſer verirren koͤnnte. Man ſieht uͤberall die Eingaͤnge, wie die Loͤcher zum Avernus. Man braucht den Stein auch als eine fruchtbare Mergel- art auf die Felder. Weil unten alles ausgehoͤhlt iſt; ſo ſtuͤrzt ſehr oft in einer Nacht ein groſſes Stuͤck vom obern Berge ein, ſo daß die Bauern die Aecker ſuchen muͤſſen. Man begegnet oben uͤberall ſolchen eingeſunke- nen Feldern. Man baut dann Kuͤchengewaͤchſe darauf, wo man mit der Hacke zukommen kann. Geht man hinein, ſo iſts ſehr kuͤhl darin, und die Gaͤnge ziehen ſich krum hinein. Die Leute, welche am Fuß des Berges wohnen, brauchen dieſe Hoͤlen als Behaͤltniſſe fuͤr ihr Heu ꝛc. Das ſonderbarſte aber iſt, daß dieſer Stein, wenn er viel tragen und lange dauern ſoll, grade ſo wie- der gelegt werden muß, wie er im Berge gelegen hat. Die Steinbrecher machen daher gleich auf die obre hori- zontale Flaͤche jedes Stuͤcks ein Kreuz. Legt man ihn wieder ſo, ſo dauert er unendlich, und traͤgt Fortifikatio- nen: bringt man ihn aber in eine andre Lage; ſo traͤgt er kaum 100. Pfund und bricht. Auf der andern Seite des Bergs flieſt die Maaß, und da iſt der Berg mit Verſteinerungen und Kieſeln angefuͤllt.
Auf dieſem Berge blickt ich ſchon wieder von weitem auf die geliebten Fluren Deutſchlands hin, und bewill- kommte ſie mit patriotiſcher Freude.
Den Reſt des Tags brachte ich mit meinem Freunde Monachon hin. Hofmann’s Verſteinerungskabinet war nicht zu ſehen. — Wir waren im Blumengaͤrt- chen, und ſprachen — wovon? Ach ja, von Pflanzen und Thieren, bis ich Nachts um 10. Uhr von meinem Freunde und ſeiner vernuͤnftigen Gattin in meine Au-
berge
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ohne Fackeln und Wegweiſer verirren koͤnnte. Man
ſieht uͤberall die Eingaͤnge, wie die Loͤcher zum Avernus.
Man braucht den Stein auch als eine fruchtbare Mergel-
art auf die Felder. Weil unten alles ausgehoͤhlt iſt;
ſo ſtuͤrzt ſehr oft in einer Nacht ein groſſes Stuͤck vom
obern Berge ein, ſo daß die Bauern die Aecker ſuchen
muͤſſen. Man begegnet oben uͤberall ſolchen eingeſunke-
nen Feldern. Man baut dann Kuͤchengewaͤchſe darauf,
wo man mit der Hacke zukommen kann. Geht man
hinein, ſo iſts ſehr kuͤhl darin, und die Gaͤnge ziehen ſich
krum hinein. Die Leute, welche am Fuß des Berges
wohnen, brauchen dieſe Hoͤlen als Behaͤltniſſe fuͤr ihr
Heu ꝛc. Das ſonderbarſte aber iſt, daß dieſer Stein,
wenn er viel tragen und lange dauern ſoll, grade ſo wie-
der gelegt werden muß, wie er im Berge gelegen hat.
Die Steinbrecher machen daher gleich auf die obre hori-
zontale Flaͤche jedes Stuͤcks ein Kreuz. Legt man ihn
wieder ſo, ſo dauert er unendlich, und traͤgt Fortifikatio-
nen: bringt man ihn aber in eine andre Lage; ſo traͤgt
er kaum 100. Pfund und bricht. Auf der andern Seite
des Bergs flieſt die Maaß, und da iſt der Berg mit
Verſteinerungen und Kieſeln angefuͤllt.
Auf dieſem Berge blickt ich ſchon wieder von weitem
auf die geliebten Fluren Deutſchlands hin, und bewill-
kommte ſie mit patriotiſcher Freude.
Den Reſt des Tags brachte ich mit meinem Freunde
Monachon hin. Hofmann’s Verſteinerungskabinet
war nicht zu ſehen. — Wir waren im Blumengaͤrt-
chen, und ſprachen — wovon? Ach ja, von Pflanzen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/633>, abgerufen am 22.11.2024.
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