von Holland so auswendig, daß sie jetzt die paginam von jedem Gesetz wissen, und gleich den Ausgang der Prozesse errathen können. -- 'S ist mir doch leid, daß ich diesen Diogenes nicht kennen lernte. Hierauf be- suchte ich die
Universitätsbibliothek. Sie entspricht der Er- wartung bei weitem nicht. -- Minuit praesentia fa- mam. -- Es ist ein einziges Zimmer, in der nicht die Hälfte der Bücher Platz hat. Wo man hintritt, tritt man auf Bücher. Auf dem Boden, in jedem Winkel, in jedem Gange auf und hintereinander liegen die besten Sachen. Doch besteht der eigentliche Reichthum der Bibliothek mehr in geschriebenen, als gedruckten Büchern. Und unter den Erstern ist besonders der arabische Vor- rath merkwürdig. Aber diese und die übrigen orientali- schen alle, stehen in einem Schranke zusammen gepfropft, und zu diesen steigt man auf eine Art von Porkirche mit Lebensgefahr hinauf. Als grosse Schönheiten der Bi- bliothek wies man mir: 1) Eine Handschrift von den LXX. in 4to. auf Pergament. Sie fängt in den 30. Kapiteln des 1ten B. Mose an und geht fort, bis zu den Richtern; sehr leserlich, ganz caractere unciali ge- schrieben. Soll nach einer Nachricht, die darin steht, noch vor Christi Geburt verfertigt worden seyn; wenn aber auch dies falsch ist, so ist sie doch wenigstens aus dem 2. oder 3. Jahrhunderte. Isaac Vossius besaß sie in sei- ner Bibliothek. 2) Ein geschriebner noch unedirter grie- chischer Kommentar vom Porphyrius über dieJlias. Vollständig, und soll viele gute Sachen enthalten. Der Text ist dabei, und darzwischen mit rother Dinte noch aus- ser den Noten eine Explicatio interlinearis. 3) Ein
Koran
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von Holland ſo auswendig, daß ſie jetzt die paginam von jedem Geſetz wiſſen, und gleich den Ausgang der Prozeſſe errathen koͤnnen. — ’S iſt mir doch leid, daß ich dieſen Diogenes nicht kennen lernte. Hierauf be- ſuchte ich die
Univerſitaͤtsbibliothek. Sie entſpricht der Er- wartung bei weitem nicht. — Minuit praeſentia fa- mam. — Es iſt ein einziges Zimmer, in der nicht die Haͤlfte der Buͤcher Platz hat. Wo man hintritt, tritt man auf Buͤcher. Auf dem Boden, in jedem Winkel, in jedem Gange auf und hintereinander liegen die beſten Sachen. Doch beſteht der eigentliche Reichthum der Bibliothek mehr in geſchriebenen, als gedruckten Buͤchern. Und unter den Erſtern iſt beſonders der arabiſche Vor- rath merkwuͤrdig. Aber dieſe und die uͤbrigen orientali- ſchen alle, ſtehen in einem Schranke zuſammen gepfropft, und zu dieſen ſteigt man auf eine Art von Porkirche mit Lebensgefahr hinauf. Als groſſe Schoͤnheiten der Bi- bliothek wies man mir: 1) Eine Handſchrift von den LXX. in 4to. auf Pergament. Sie faͤngt in den 30. Kapiteln des 1ten B. Moſe an und geht fort, bis zu den Richtern; ſehr leſerlich, ganz caractere unciali ge- ſchrieben. Soll nach einer Nachricht, die darin ſteht, noch vor Chriſti Geburt verfertigt worden ſeyn; wenn aber auch dies falſch iſt, ſo iſt ſie doch wenigſtens aus dem 2. oder 3. Jahrhunderte. Iſaac Voſſius beſaß ſie in ſei- ner Bibliothek. 2) Ein geſchriebner noch unedirter grie- chiſcher Kommentar vom Porphyrius uͤber dieJlias. Vollſtaͤndig, und ſoll viele gute Sachen enthalten. Der Text iſt dabei, und darzwiſchen mit rother Dinte noch auſ- ſer den Noten eine Explicatio interlinearis. 3) Ein
Koran
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von Holland ſo auswendig, daß ſie jetzt die paginam
von jedem Geſetz wiſſen, und gleich den Ausgang der
Prozeſſe errathen koͤnnen. — ’S iſt mir doch leid, daß
ich dieſen Diogenes nicht kennen lernte. Hierauf be-
ſuchte ich die
Univerſitaͤtsbibliothek. Sie entſpricht der Er-
wartung bei weitem nicht. — Minuit praeſentia fa-
mam. — Es iſt ein einziges Zimmer, in der nicht die
Haͤlfte der Buͤcher Platz hat. Wo man hintritt, tritt
man auf Buͤcher. Auf dem Boden, in jedem Winkel,
in jedem Gange auf und hintereinander liegen die beſten
Sachen. Doch beſteht der eigentliche Reichthum der
Bibliothek mehr in geſchriebenen, als gedruckten Buͤchern.
Und unter den Erſtern iſt beſonders der arabiſche Vor-
rath merkwuͤrdig. Aber dieſe und die uͤbrigen orientali-
ſchen alle, ſtehen in einem Schranke zuſammen gepfropft,
und zu dieſen ſteigt man auf eine Art von Porkirche mit
Lebensgefahr hinauf. Als groſſe Schoͤnheiten der Bi-
bliothek wies man mir: 1) Eine Handſchrift von den
LXX. in 4to. auf Pergament. Sie faͤngt in den 30.
Kapiteln des 1ten B. Moſe an und geht fort, bis zu den
Richtern; ſehr leſerlich, ganz caractere unciali ge-
ſchrieben. Soll nach einer Nachricht, die darin ſteht, noch
vor Chriſti Geburt verfertigt worden ſeyn; wenn aber
auch dies falſch iſt, ſo iſt ſie doch wenigſtens aus dem 2.
oder 3. Jahrhunderte. Iſaac Voſſius beſaß ſie in ſei-
ner Bibliothek. 2) Ein geſchriebner noch unedirter grie-
chiſcher Kommentar vom Porphyrius uͤber die Jlias.
Vollſtaͤndig, und ſoll viele gute Sachen enthalten. Der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/545>, abgerufen am 24.11.2024.
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