erstaunlich stinkender Milchsaft heraus, daß er von der Abzeichnung weggehen, und das Fenster aufmachen muste. m) Einen Wasserwurm hat er beobachtet, der kein Maul, aber 2. Haken hat, mit denen er Frösche aus- saugt. n) Eine Larve von einem Käfer, die gleich 4, 5. mahl grösser -- mit Erde oder Wasser angefüllt? -- aus dem Ei kömmt, als das Ei selber ist. Er schliest daraus, daß sie also schon preformirt sei, und nur verhärte. o) Die Zeugungsglieder des Männchens der Spinne habe er entdeckt. Reaumur schrieb ihm, er sei sehr erstaunt, daß er und seine Gesellschaft das nicht bemerkt hätten, als sie Spinnen aufzogen. Er habe ge- sehen, daß eine Feldspinne das Männchen lockte, und, wie es kam, doch gleich tödtete. -- Die Zeugungsglie- der liegen vielleicht am Halse, um gleich entfliehen zu kön- nen. p) Die Knöchelchen beim Schneckenbegat- ten kennt er weder aus Swammerdam, noch aus der Natur. Wie viel würde die Naturgeschichte gewin- nen, wenn das alles bekannt gemacht würde! Wie schmerz- lich wehe that mir der Abschied von Lyonet! "Wenn ich todt bin," sagte er, "werd' ich in der Ewigkeit die Ach- seln zucken und sagen: Ach, wie wenig kannt' ich die Natur!"
Den 2ten Aug.
Das Gemäldekabinet des Prinzen Erbstatthalters beschäftigte mich heute zuerst. Ein langer Saal nebst einem kleinen Zimmer sind mit den herrlichsten Stücken vollgepfropft. Der Prinz liebt die Gemälde sehr, und wendet viel darauf. Nach meinem Urtheil waren fol- gende Stücken die schönsten: Rindvieh mit einem Bauer dabei, von Paul Potter. Schwerlich kan man die
Nach-
erſtaunlich ſtinkender Milchſaft heraus, daß er von der Abzeichnung weggehen, und das Fenſter aufmachen muſte. m) Einen Waſſerwurm hat er beobachtet, der kein Maul, aber 2. Haken hat, mit denen er Froͤſche aus- ſaugt. n) Eine Larve von einem Kaͤfer, die gleich 4, 5. mahl groͤſſer — mit Erde oder Waſſer angefuͤllt? — aus dem Ei koͤmmt, als das Ei ſelber iſt. Er ſchlieſt daraus, daß ſie alſo ſchon preformirt ſei, und nur verhaͤrte. o) Die Zeugungsglieder des Maͤnnchens der Spinne habe er entdeckt. Reaumur ſchrieb ihm, er ſei ſehr erſtaunt, daß er und ſeine Geſellſchaft das nicht bemerkt haͤtten, als ſie Spinnen aufzogen. Er habe ge- ſehen, daß eine Feldſpinne das Maͤnnchen lockte, und, wie es kam, doch gleich toͤdtete. — Die Zeugungsglie- der liegen vielleicht am Halſe, um gleich entfliehen zu koͤn- nen. p) Die Knoͤchelchen beim Schneckenbegat- ten kennt er weder aus Swammerdam, noch aus der Natur. Wie viel wuͤrde die Naturgeſchichte gewin- nen, wenn das alles bekannt gemacht wuͤrde! Wie ſchmerz- lich wehe that mir der Abſchied von Lyonet! „Wenn ich todt bin,“ ſagte er, „werd’ ich in der Ewigkeit die Ach- ſeln zucken und ſagen: Ach, wie wenig kannt’ ich die Natur!“
Den 2ten Aug.
Das Gemaͤldekabinet des Prinzen Erbſtatthalters beſchaͤftigte mich heute zuerſt. Ein langer Saal nebſt einem kleinen Zimmer ſind mit den herrlichſten Stuͤcken vollgepfropft. Der Prinz liebt die Gemaͤlde ſehr, und wendet viel darauf. Nach meinem Urtheil waren fol- gende Stuͤcken die ſchoͤnſten: Rindvieh mit einem Bauer dabei, von Paul Potter. Schwerlich kan man die
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erſtaunlich ſtinkender Milchſaft heraus, daß er von der
Abzeichnung weggehen, und das Fenſter aufmachen muſte.
m) Einen Waſſerwurm hat er beobachtet, der kein
Maul, aber 2. Haken hat, mit denen er Froͤſche aus-
ſaugt. n) Eine Larve von einem Kaͤfer, die gleich
4, 5. mahl groͤſſer — mit Erde oder Waſſer angefuͤllt?
— aus dem Ei koͤmmt, als das Ei ſelber iſt. Er
ſchlieſt daraus, daß ſie alſo ſchon preformirt ſei, und
nur verhaͤrte. o) Die Zeugungsglieder des Maͤnnchens
der Spinne habe er entdeckt. Reaumur ſchrieb ihm,
er ſei ſehr erſtaunt, daß er und ſeine Geſellſchaft das nicht
bemerkt haͤtten, als ſie Spinnen aufzogen. Er habe ge-
ſehen, daß eine Feldſpinne das Maͤnnchen lockte, und,
wie es kam, doch gleich toͤdtete. — Die Zeugungsglie-
der liegen vielleicht am Halſe, um gleich entfliehen zu koͤn-
nen. p) Die Knoͤchelchen beim Schneckenbegat-
ten kennt er weder aus Swammerdam, noch aus
der Natur. Wie viel wuͤrde die Naturgeſchichte gewin-
nen, wenn das alles bekannt gemacht wuͤrde! Wie ſchmerz-
lich wehe that mir der Abſchied von Lyonet! „Wenn ich
todt bin,“ ſagte er, „werd’ ich in der Ewigkeit die Ach-
ſeln zucken und ſagen: Ach, wie wenig kannt’ ich die
Natur!“
Den 2ten Aug.
Das Gemaͤldekabinet des Prinzen Erbſtatthalters
beſchaͤftigte mich heute zuerſt. Ein langer Saal nebſt
einem kleinen Zimmer ſind mit den herrlichſten Stuͤcken
vollgepfropft. Der Prinz liebt die Gemaͤlde ſehr, und
wendet viel darauf. Nach meinem Urtheil waren fol-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/528>, abgerufen am 24.11.2024.
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