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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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lich, besonders die linke Brust, die entblöst ist, und dann
die linke Hand, die sie gegen das Gesicht zu hebt. Das
gelbe und blaue Gewand hat sein herrliches Kolorit in
260. Jahren nicht im Geringsten verloren. Von hier
ging ich, das noch prächtigere

Cabinet des Peintures de Mr. le Chev. Ver-
hulst
zu besehen. Die Könige von Schweden und
Dännemark habens besehen, und alle die mit Kennt-
nissen und um der Künste willen, reisen, gehen dahin,
sehen, bewundern, und staunen. Im Hause eines rei-
chen Kapitalisten, der seinen Bedienten die prächtigste
Livre'e gibt, und alles kauft, was schön, selten und kost-
bar ist, sind 4. grosse Zimmer an allen Wänden mit den
seltensten Gemälden von Rubens, Rembrand, Dü-
rer, Carracci, Lucas von Leyden, Teniers, Carlo
Dolce, Mignon, Peter Neefs, Titian, Van
Dyck, Ostade
etc. behangen. Ich sah mich fast blind
mit der Lorgnette, man weis nicht, wo man hintreten,
wo man bewundern soll. Aus der Flandrischen Schule
findet man die seltensten, die ausgesuchtesten Stücke.
Auch die Werke der Neuern fehlen nicht. Wenn ein
Stück nicht 100. Dukaten kostet, kauft Verhulst es gar
nicht. Es sind Gemälde da, zu 200. zu 300. Louisdor.
Ich bewunderte unter andern: 1) Eine alte Frau etc. von
Nogari. Die grauweissen Haare stossen unter der Hau-
be hervor, sie hat ein Glas rothen Wein in der Hand.
2) Tenier's, Frau, sein Gärtner, sein Haus; eine
Landschaft, die Erndte vorstellend; eine Winterlandschaft,
wo's schneiet; ein Seesturm etc. Alle von Teniers
selbst. 3) Die herrlichsten Stücke, voll Ausdruck, von
Vandyck. 4) Ein bärtiger alter Kopf von Titian.

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lich, beſonders die linke Bruſt, die entbloͤſt iſt, und dann
die linke Hand, die ſie gegen das Geſicht zu hebt. Das
gelbe und blaue Gewand hat ſein herrliches Kolorit in
260. Jahren nicht im Geringſten verloren. Von hier
ging ich, das noch praͤchtigere

Cabinet des Peintures de Mr. le Chev. Ver-
hulſt
zu beſehen. Die Koͤnige von Schweden und
Daͤnnemark habens beſehen, und alle die mit Kennt-
niſſen und um der Kuͤnſte willen, reiſen, gehen dahin,
ſehen, bewundern, und ſtaunen. Im Hauſe eines rei-
chen Kapitaliſten, der ſeinen Bedienten die praͤchtigſte
Livre’e gibt, und alles kauft, was ſchoͤn, ſelten und koſt-
bar iſt, ſind 4. groſſe Zimmer an allen Waͤnden mit den
ſeltenſten Gemaͤlden von Rubens, Rembrand, Duͤ-
rer, Carracci, Lucas von Leyden, Teniers, Carlo
Dolce, Mignon, Peter Neefs, Titian, Van
Dyck, Oſtade
ꝛc. behangen. Ich ſah mich faſt blind
mit der Lorgnette, man weis nicht, wo man hintreten,
wo man bewundern ſoll. Aus der Flandriſchen Schule
findet man die ſeltenſten, die ausgeſuchteſten Stuͤcke.
Auch die Werke der Neuern fehlen nicht. Wenn ein
Stuͤck nicht 100. Dukaten koſtet, kauft Verhulſt es gar
nicht. Es ſind Gemaͤlde da, zu 200. zu 300. Louisdor.
Ich bewunderte unter andern: 1) Eine alte Frau ꝛc. von
Nogari. Die grauweiſſen Haare ſtoſſen unter der Hau-
be hervor, ſie hat ein Glas rothen Wein in der Hand.
2) Tenier’s, Frau, ſein Gaͤrtner, ſein Haus; eine
Landſchaft, die Erndte vorſtellend; eine Winterlandſchaft,
wo’s ſchneiet; ein Seeſturm ꝛc. Alle von Teniers
ſelbſt. 3) Die herrlichſten Stuͤcke, voll Ausdruck, von
Vandyck. 4) Ein baͤrtiger alter Kopf von Titian.

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[441/0465] lich, beſonders die linke Bruſt, die entbloͤſt iſt, und dann die linke Hand, die ſie gegen das Geſicht zu hebt. Das gelbe und blaue Gewand hat ſein herrliches Kolorit in 260. Jahren nicht im Geringſten verloren. Von hier ging ich, das noch praͤchtigere Cabinet des Peintures de Mr. le Chev. Ver- hulſt zu beſehen. Die Koͤnige von Schweden und Daͤnnemark habens beſehen, und alle die mit Kennt- niſſen und um der Kuͤnſte willen, reiſen, gehen dahin, ſehen, bewundern, und ſtaunen. Im Hauſe eines rei- chen Kapitaliſten, der ſeinen Bedienten die praͤchtigſte Livre’e gibt, und alles kauft, was ſchoͤn, ſelten und koſt- bar iſt, ſind 4. groſſe Zimmer an allen Waͤnden mit den ſeltenſten Gemaͤlden von Rubens, Rembrand, Duͤ- rer, Carracci, Lucas von Leyden, Teniers, Carlo Dolce, Mignon, Peter Neefs, Titian, Van Dyck, Oſtade ꝛc. behangen. Ich ſah mich faſt blind mit der Lorgnette, man weis nicht, wo man hintreten, wo man bewundern ſoll. Aus der Flandriſchen Schule findet man die ſeltenſten, die ausgeſuchteſten Stuͤcke. Auch die Werke der Neuern fehlen nicht. Wenn ein Stuͤck nicht 100. Dukaten koſtet, kauft Verhulſt es gar nicht. Es ſind Gemaͤlde da, zu 200. zu 300. Louisdor. Ich bewunderte unter andern: 1) Eine alte Frau ꝛc. von Nogari. Die grauweiſſen Haare ſtoſſen unter der Hau- be hervor, ſie hat ein Glas rothen Wein in der Hand. 2) Tenier’s, Frau, ſein Gaͤrtner, ſein Haus; eine Landſchaft, die Erndte vorſtellend; eine Winterlandſchaft, wo’s ſchneiet; ein Seeſturm ꝛc. Alle von Teniers ſelbſt. 3) Die herrlichſten Stuͤcke, voll Ausdruck, von Vandyck. 4) Ein baͤrtiger alter Kopf von Titian. Es E e 5

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/465>, abgerufen am 22.11.2024.