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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Wir fuhren unter der Schelde weg, ohne einen Tropfen
Wassers zu sehen, unter einem grossen Flusse, ohne naß
zu werden. Freilich kan man in diesen Wegen nur sel-
ten grade stehen. Man muß sich fast immer zwiefach
zusammen biegen, auf ein kleines Holz stützen und so fort-
kriechen. Zuweilen muß man sich niederlegen, und auf
allen Vieren, wie die Bäre, daher kriechen. 3) An
der Grube sah ich deutlich das Hängende und das Lie-
gende,
oder die zwei Steinarten, zwischen denen die
Steinkohlen brechen. -- Die Leute sitzen da, schwarz
wie man Teufel mahlt, und verrichten wahrhaftig saure
Arbeit. Das Licht steht neben ihnen, jedem ist die Höhe
seiner Arbeit durch ein Bret, das über einen Bengel,
der zwischen dem Hangenden und dem Liegenden einge-
macht ist, liegt, vorgezeichnet, über ihm sitzt noch einer,
über dem wieder ein andrer; -- so sieht man hier und
da Lichtchen, und hört sie an den festen harten Steinen
hämmern. Sie treiben, wenn sie erst unten lange mit
dem Spitzhammer losgehackt haben, grosse starke eiserne
Keile hinein, und spalten dadurch ihr Stück, dann bre-
chen sie grosse starke Stücke heraus, und klopfen diese wie-
der klein. Ich hab's selber versucht, ein Stück los zu
schlagen, und erfahren, daß es wirklich harte Arbeit ist.
4) Was nun aus der Grube losgebrochen worden ist,
wird in grosse Kübel mit Schaufeln geworfen, und diese
müssen eigne dazu bestellte Leute, die sie Traineurs
(Karrenläufer) nennen, nach und nach in dem Gange
fortziehen, bis an den Ort, wo der Schacht ist und die
Kübel auf und absteigen. Dazu ist an den Banquets ei-
ne Art von Kummt, oder Geschirr von Leder mit 2. Ket-
ten, worin sich die Leute einspannen, wie Pferde. Ei-
ner muß es allemahl 10. Toisen fortziehen, das Stück

ist
D d 3

Wir fuhren unter der Schelde weg, ohne einen Tropfen
Waſſers zu ſehen, unter einem groſſen Fluſſe, ohne naß
zu werden. Freilich kan man in dieſen Wegen nur ſel-
ten grade ſtehen. Man muß ſich faſt immer zwiefach
zuſammen biegen, auf ein kleines Holz ſtuͤtzen und ſo fort-
kriechen. Zuweilen muß man ſich niederlegen, und auf
allen Vieren, wie die Baͤre, daher kriechen. 3) An
der Grube ſah ich deutlich das Haͤngende und das Lie-
gende,
oder die zwei Steinarten, zwiſchen denen die
Steinkohlen brechen. — Die Leute ſitzen da, ſchwarz
wie man Teufel mahlt, und verrichten wahrhaftig ſaure
Arbeit. Das Licht ſteht neben ihnen, jedem iſt die Hoͤhe
ſeiner Arbeit durch ein Bret, das uͤber einen Bengel,
der zwiſchen dem Hangenden und dem Liegenden einge-
macht iſt, liegt, vorgezeichnet, uͤber ihm ſitzt noch einer,
uͤber dem wieder ein andrer; — ſo ſieht man hier und
da Lichtchen, und hoͤrt ſie an den feſten harten Steinen
haͤmmern. Sie treiben, wenn ſie erſt unten lange mit
dem Spitzhammer losgehackt haben, groſſe ſtarke eiſerne
Keile hinein, und ſpalten dadurch ihr Stuͤck, dann bre-
chen ſie groſſe ſtarke Stuͤcke heraus, und klopfen dieſe wie-
der klein. Ich hab’s ſelber verſucht, ein Stuͤck los zu
ſchlagen, und erfahren, daß es wirklich harte Arbeit iſt.
4) Was nun aus der Grube losgebrochen worden iſt,
wird in groſſe Kuͤbel mit Schaufeln geworfen, und dieſe
muͤſſen eigne dazu beſtellte Leute, die ſie Traineurs
(Karrenlaͤufer) nennen, nach und nach in dem Gange
fortziehen, bis an den Ort, wo der Schacht iſt und die
Kuͤbel auf und abſteigen. Dazu iſt an den Banquets ei-
ne Art von Kummt, oder Geſchirr von Leder mit 2. Ket-
ten, worin ſich die Leute einſpannen, wie Pferde. Ei-
ner muß es allemahl 10. Toiſen fortziehen, das Stuͤck

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[421/0445] Wir fuhren unter der Schelde weg, ohne einen Tropfen Waſſers zu ſehen, unter einem groſſen Fluſſe, ohne naß zu werden. Freilich kan man in dieſen Wegen nur ſel- ten grade ſtehen. Man muß ſich faſt immer zwiefach zuſammen biegen, auf ein kleines Holz ſtuͤtzen und ſo fort- kriechen. Zuweilen muß man ſich niederlegen, und auf allen Vieren, wie die Baͤre, daher kriechen. 3) An der Grube ſah ich deutlich das Haͤngende und das Lie- gende, oder die zwei Steinarten, zwiſchen denen die Steinkohlen brechen. — Die Leute ſitzen da, ſchwarz wie man Teufel mahlt, und verrichten wahrhaftig ſaure Arbeit. Das Licht ſteht neben ihnen, jedem iſt die Hoͤhe ſeiner Arbeit durch ein Bret, das uͤber einen Bengel, der zwiſchen dem Hangenden und dem Liegenden einge- macht iſt, liegt, vorgezeichnet, uͤber ihm ſitzt noch einer, uͤber dem wieder ein andrer; — ſo ſieht man hier und da Lichtchen, und hoͤrt ſie an den feſten harten Steinen haͤmmern. Sie treiben, wenn ſie erſt unten lange mit dem Spitzhammer losgehackt haben, groſſe ſtarke eiſerne Keile hinein, und ſpalten dadurch ihr Stuͤck, dann bre- chen ſie groſſe ſtarke Stuͤcke heraus, und klopfen dieſe wie- der klein. Ich hab’s ſelber verſucht, ein Stuͤck los zu ſchlagen, und erfahren, daß es wirklich harte Arbeit iſt. 4) Was nun aus der Grube losgebrochen worden iſt, wird in groſſe Kuͤbel mit Schaufeln geworfen, und dieſe muͤſſen eigne dazu beſtellte Leute, die ſie Traineurs (Karrenlaͤufer) nennen, nach und nach in dem Gange fortziehen, bis an den Ort, wo der Schacht iſt und die Kuͤbel auf und abſteigen. Dazu iſt an den Banquets ei- ne Art von Kummt, oder Geſchirr von Leder mit 2. Ket- ten, worin ſich die Leute einſpannen, wie Pferde. Ei- ner muß es allemahl 10. Toiſen fortziehen, das Stuͤck iſt D d 3

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/445>, abgerufen am 22.11.2024.