der französischen Bildhauerkunst. Blos um deswillen möcht ich noch einmahl hingehen. Da wird einem, -- man weis nicht, wie? -- wenn man davor steht. Der Gedanke des Grossen, des Erhabenen, hängt durchgän- gig daran. Schon die Kriegstrophäen zu beiden Seiten der hintern Pyramide, kann man nicht genug betrachten. Er sinkt zusammen, vom Blitz getroffen, und fällt hinter sich der Göttin Unsterblichkeit in die Arme, die ihm ei- nen Lorbeerkranz über den Kopf hält. Unten ist eine Gruppe vom vorigen Kriege. -- Ha quel ouvrage! Zu beiden Seiten stehen 2. weibliche Figuren, Frank- reich oder Tugenden etc. verdecken das Gesicht, sehen weg, und -- man meint sie weinen wirklich über den Helden. An diesem Orte fühlt man recht, daß auch Könige Men- schen sind, und sich durch Millionen Goldes nicht vom Gesetz der Verwesung und des Todes loskaufen können. Was ist diese Pracht? Ein Beweis, daß man gern der Natur trotzte, wenn man könnte, -- gern nach dem Tode noch glänzen, vom übrigen Haufen unterschieden seyn will. -- Aber unter dem vergessenen Grabhügel schläft der sterbliche Rest des Weisen, des Christen, eben so ruhig, als unter dem panegyrischen Marmor, und der goldenen Ehrensäule.
La Montagne de Chaux Mont. Wenn man von St. Denys nach Paris geht, hat man linker Hand einen langen Berg hinter einem Dorfe, der ganz voll Kalk ist, und aus dem aller Kalk für Paris herausge- nommen wird. Im Kalk kommen kleine Stücke von Mica vor. Das schönste ist, daß dieser ganze Berg, so hoch und langgestreckt er ist, aus Lagen über Lagen auf- geführt ist. Einige sind mächtig, andre dünn und nie-
drig.
Y 5
der franzoͤſiſchen Bildhauerkunſt. Blos um deswillen moͤcht ich noch einmahl hingehen. Da wird einem, — man weis nicht, wie? — wenn man davor ſteht. Der Gedanke des Groſſen, des Erhabenen, haͤngt durchgaͤn- gig daran. Schon die Kriegstrophaͤen zu beiden Seiten der hintern Pyramide, kann man nicht genug betrachten. Er ſinkt zuſammen, vom Blitz getroffen, und faͤllt hinter ſich der Goͤttin Unſterblichkeit in die Arme, die ihm ei- nen Lorbeerkranz uͤber den Kopf haͤlt. Unten iſt eine Gruppe vom vorigen Kriege. — Ha quel ouvrage! Zu beiden Seiten ſtehen 2. weibliche Figuren, Frank- reich oder Tugenden ꝛc. verdecken das Geſicht, ſehen weg, und — man meint ſie weinen wirklich uͤber den Helden. An dieſem Orte fuͤhlt man recht, daß auch Koͤnige Men- ſchen ſind, und ſich durch Millionen Goldes nicht vom Geſetz der Verweſung und des Todes loskaufen koͤnnen. Was iſt dieſe Pracht? Ein Beweis, daß man gern der Natur trotzte, wenn man koͤnnte, — gern nach dem Tode noch glaͤnzen, vom uͤbrigen Haufen unterſchieden ſeyn will. — Aber unter dem vergeſſenen Grabhuͤgel ſchlaͤft der ſterbliche Reſt des Weiſen, des Chriſten, eben ſo ruhig, als unter dem panegyriſchen Marmor, und der goldenen Ehrenſaͤule.
La Montagne de Chaux Mont. Wenn man von St. Denys nach Paris geht, hat man linker Hand einen langen Berg hinter einem Dorfe, der ganz voll Kalk iſt, und aus dem aller Kalk fuͤr Paris herausge- nommen wird. Im Kalk kommen kleine Stuͤcke von Mica vor. Das ſchoͤnſte iſt, daß dieſer ganze Berg, ſo hoch und langgeſtreckt er iſt, aus Lagen uͤber Lagen auf- gefuͤhrt iſt. Einige ſind maͤchtig, andre duͤnn und nie-
drig.
Y 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0369"n="345"/>
der franzoͤſiſchen Bildhauerkunſt. Blos um deswillen<lb/>
moͤcht ich noch einmahl hingehen. Da wird einem, —<lb/>
man weis nicht, wie? — wenn man davor ſteht. Der<lb/>
Gedanke des Groſſen, des Erhabenen, haͤngt durchgaͤn-<lb/>
gig daran. Schon die Kriegstrophaͤen zu beiden Seiten<lb/>
der hintern Pyramide, kann man nicht genug betrachten.<lb/>
Er ſinkt zuſammen, vom Blitz getroffen, und faͤllt hinter<lb/>ſich der Goͤttin <hirendition="#fr">Unſterblichkeit</hi> in die Arme, die ihm ei-<lb/>
nen Lorbeerkranz uͤber den Kopf haͤlt. Unten iſt eine<lb/>
Gruppe vom vorigen Kriege. —<hirendition="#aq">Ha quel ouvrage!</hi><lb/>
Zu beiden Seiten ſtehen 2. weibliche Figuren, <hirendition="#fr">Frank-<lb/>
reich</hi> oder Tugenden ꝛc. verdecken das Geſicht, ſehen weg,<lb/>
und — man meint ſie weinen wirklich uͤber den Helden.<lb/>
An dieſem Orte fuͤhlt man recht, daß auch Koͤnige Men-<lb/>ſchen ſind, und ſich durch Millionen Goldes nicht vom<lb/>
Geſetz der Verweſung und des Todes loskaufen koͤnnen.<lb/>
Was iſt dieſe Pracht? Ein Beweis, daß man gern der<lb/>
Natur trotzte, wenn man koͤnnte, — gern nach dem Tode<lb/>
noch glaͤnzen, vom uͤbrigen Haufen unterſchieden ſeyn will.<lb/>— Aber unter dem vergeſſenen Grabhuͤgel ſchlaͤft der<lb/>ſterbliche Reſt des Weiſen, des Chriſten, eben ſo ruhig,<lb/>
als unter dem panegyriſchen Marmor, und der goldenen<lb/>
Ehrenſaͤule.</p><lb/><p><hirendition="#aq">La Montagne de Chaux Mont.</hi> Wenn man<lb/>
von St. <hirendition="#fr">Denys</hi> nach <hirendition="#fr">Paris</hi> geht, hat man linker Hand<lb/>
einen langen Berg hinter einem Dorfe, der ganz voll<lb/>
Kalk iſt, und aus dem aller Kalk fuͤr <hirendition="#fr">Paris</hi> herausge-<lb/>
nommen wird. Im Kalk kommen kleine Stuͤcke von<lb/><hirendition="#aq">Mica</hi> vor. Das ſchoͤnſte iſt, daß dieſer ganze Berg, ſo<lb/>
hoch und langgeſtreckt er iſt, aus Lagen uͤber Lagen auf-<lb/>
gefuͤhrt iſt. Einige ſind maͤchtig, andre duͤnn und nie-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">drig.</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[345/0369]
der franzoͤſiſchen Bildhauerkunſt. Blos um deswillen
moͤcht ich noch einmahl hingehen. Da wird einem, —
man weis nicht, wie? — wenn man davor ſteht. Der
Gedanke des Groſſen, des Erhabenen, haͤngt durchgaͤn-
gig daran. Schon die Kriegstrophaͤen zu beiden Seiten
der hintern Pyramide, kann man nicht genug betrachten.
Er ſinkt zuſammen, vom Blitz getroffen, und faͤllt hinter
ſich der Goͤttin Unſterblichkeit in die Arme, die ihm ei-
nen Lorbeerkranz uͤber den Kopf haͤlt. Unten iſt eine
Gruppe vom vorigen Kriege. — Ha quel ouvrage!
Zu beiden Seiten ſtehen 2. weibliche Figuren, Frank-
reich oder Tugenden ꝛc. verdecken das Geſicht, ſehen weg,
und — man meint ſie weinen wirklich uͤber den Helden.
An dieſem Orte fuͤhlt man recht, daß auch Koͤnige Men-
ſchen ſind, und ſich durch Millionen Goldes nicht vom
Geſetz der Verweſung und des Todes loskaufen koͤnnen.
Was iſt dieſe Pracht? Ein Beweis, daß man gern der
Natur trotzte, wenn man koͤnnte, — gern nach dem Tode
noch glaͤnzen, vom uͤbrigen Haufen unterſchieden ſeyn will.
— Aber unter dem vergeſſenen Grabhuͤgel ſchlaͤft der
ſterbliche Reſt des Weiſen, des Chriſten, eben ſo ruhig,
als unter dem panegyriſchen Marmor, und der goldenen
Ehrenſaͤule.
La Montagne de Chaux Mont. Wenn man
von St. Denys nach Paris geht, hat man linker Hand
einen langen Berg hinter einem Dorfe, der ganz voll
Kalk iſt, und aus dem aller Kalk fuͤr Paris herausge-
nommen wird. Im Kalk kommen kleine Stuͤcke von
Mica vor. Das ſchoͤnſte iſt, daß dieſer ganze Berg, ſo
hoch und langgeſtreckt er iſt, aus Lagen uͤber Lagen auf-
gefuͤhrt iſt. Einige ſind maͤchtig, andre duͤnn und nie-
drig.
Y 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/369>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.