der Messe des Königs, weil sie ihren eignen Aumonier hat; aber heute war sie nicht recht wohl, hörte daher die Messe en particulier in einer Kapelle linker Hand des Königl. Stuhls um halb 12. Uhr. Eine Menge Gar- des du Corps besetzten schon vorher mit ihren Hellebar- den den Platz. Sie kam -- mit ungemein vieler Gra- zie und Majestät, -- in einem weissen seidenen Kleide, mässig coifirt, geschminkt, und sah nicht übel aus. Ei- ne Dame d'honneur in einem gelben Kleide und noch mehr Gardes du Corps mit Gewehr begleiteten sie. Sie kniete sehr andächtig auf ihrem Stuhl, und ging wieder freundlich und reizend durch die gedrängte Menge der Zuschauer hindurch zurück. Viele tausend Augen zog sie auf sich, sobald sie nur die geringste Bewegung machte, und eben so viele tausend folgten ihr nach, bis sie der lüsternen Menge verschwand. Um 12. Uhr kam der König selbst. Eine noch stärkere Wache brachte ihn mit einem, freilich nicht feierlichen und nicht anständigen, Lärm zu dem wartenden Volke, und besetzte die Kirche oben und unten. Beim Eintritt in die Kirche ward stark getrommelt, die Garde trieb das Volk aller Orten weg, und stellte sich zu beiden Seiten. Die Musik hob an, die unbeschreibliche Menge Menschen sah jetzt auf den Königl. Platz. Erst kam die Garde, stellte sich hin- ten und an den Seiten hin, dann bracht' ein andrer das Gebetbuch aufgeschlagen; drauf kam der Comte d'Ar- tois, und dann der König. Man hat so viele Kupfer- stiche von ihm, daß ich nichts sagen darf. Er ist nicht so gros, wie ich, hat wenig Farbe, trug ein fleischfarbnes ganzes Kleid mit Silber reich besetzt, auch auf den Ach- seln, einen silbernen Degen mit Brillanten besetzt und weisse seidene Strümpfe. In der Messe, die ganz ge-
sungen
der Meſſe des Koͤnigs, weil ſie ihren eignen Aumonier hat; aber heute war ſie nicht recht wohl, hoͤrte daher die Meſſe en particulier in einer Kapelle linker Hand des Koͤnigl. Stuhls um halb 12. Uhr. Eine Menge Gar- des du Corps beſetzten ſchon vorher mit ihren Hellebar- den den Platz. Sie kam — mit ungemein vieler Gra- zie und Majeſtaͤt, — in einem weiſſen ſeidenen Kleide, maͤſſig coifirt, geſchminkt, und ſah nicht uͤbel aus. Ei- ne Dame d’honneur in einem gelben Kleide und noch mehr Gardes du Corps mit Gewehr begleiteten ſie. Sie kniete ſehr andaͤchtig auf ihrem Stuhl, und ging wieder freundlich und reizend durch die gedraͤngte Menge der Zuſchauer hindurch zuruͤck. Viele tauſend Augen zog ſie auf ſich, ſobald ſie nur die geringſte Bewegung machte, und eben ſo viele tauſend folgten ihr nach, bis ſie der luͤſternen Menge verſchwand. Um 12. Uhr kam der Koͤnig ſelbſt. Eine noch ſtaͤrkere Wache brachte ihn mit einem, freilich nicht feierlichen und nicht anſtaͤndigen, Laͤrm zu dem wartenden Volke, und beſetzte die Kirche oben und unten. Beim Eintritt in die Kirche ward ſtark getrommelt, die Garde trieb das Volk aller Orten weg, und ſtellte ſich zu beiden Seiten. Die Muſik hob an, die unbeſchreibliche Menge Menſchen ſah jetzt auf den Koͤnigl. Platz. Erſt kam die Garde, ſtellte ſich hin- ten und an den Seiten hin, dann bracht’ ein andrer das Gebetbuch aufgeſchlagen; drauf kam der Comte d’Ar- tois, und dann der Koͤnig. Man hat ſo viele Kupfer- ſtiche von ihm, daß ich nichts ſagen darf. Er iſt nicht ſo gros, wie ich, hat wenig Farbe, trug ein fleiſchfarbnes ganzes Kleid mit Silber reich beſetzt, auch auf den Ach- ſeln, einen ſilbernen Degen mit Brillanten beſetzt und weiſſe ſeidene Struͤmpfe. In der Meſſe, die ganz ge-
ſungen
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der Meſſe des Koͤnigs, weil ſie ihren eignen Aumonier
hat; aber heute war ſie nicht recht wohl, hoͤrte daher die
Meſſe en particulier in einer Kapelle linker Hand des
Koͤnigl. Stuhls um halb 12. Uhr. Eine Menge Gar-
des du Corps beſetzten ſchon vorher mit ihren Hellebar-
den den Platz. Sie kam — mit ungemein vieler Gra-
zie und Majeſtaͤt, — in einem weiſſen ſeidenen Kleide,
maͤſſig coifirt, geſchminkt, und ſah nicht uͤbel aus. Ei-
ne Dame d’honneur in einem gelben Kleide und noch
mehr Gardes du Corps mit Gewehr begleiteten ſie.
Sie kniete ſehr andaͤchtig auf ihrem Stuhl, und ging
wieder freundlich und reizend durch die gedraͤngte Menge
der Zuſchauer hindurch zuruͤck. Viele tauſend Augen
zog ſie auf ſich, ſobald ſie nur die geringſte Bewegung
machte, und eben ſo viele tauſend folgten ihr nach, bis
ſie der luͤſternen Menge verſchwand. Um 12. Uhr kam
der Koͤnig ſelbſt. Eine noch ſtaͤrkere Wache brachte ihn
mit einem, freilich nicht feierlichen und nicht anſtaͤndigen,
Laͤrm zu dem wartenden Volke, und beſetzte die Kirche
oben und unten. Beim Eintritt in die Kirche ward ſtark
getrommelt, die Garde trieb das Volk aller Orten
weg, und ſtellte ſich zu beiden Seiten. Die Muſik hob
an, die unbeſchreibliche Menge Menſchen ſah jetzt auf
den Koͤnigl. Platz. Erſt kam die Garde, ſtellte ſich hin-
ten und an den Seiten hin, dann bracht’ ein andrer das
Gebetbuch aufgeſchlagen; drauf kam der Comte d’Ar-
tois, und dann der Koͤnig. Man hat ſo viele Kupfer-
ſtiche von ihm, daß ich nichts ſagen darf. Er iſt nicht
ſo gros, wie ich, hat wenig Farbe, trug ein fleiſchfarbnes
ganzes Kleid mit Silber reich beſetzt, auch auf den Ach-
ſeln, einen ſilbernen Degen mit Brillanten beſetzt und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/332>, abgerufen am 22.11.2024.
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