Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Zähne waren sehr klein, und noch stumpf, und schie-
nen doch nicht abgestossen zu seyn. Wir hatten eine
Bouteille Wein mitgebracht, um ihn zu tractiren. Diese
stieß er in seinen Rüssel aus. Er kostet dem Könige alle
Tage 6. Liver. Alle Morgen wird er spazieren geführt.
Er hatte grade die Höhe seiner Thüre. Von allem dem,
was Perrault von der Oberhaut des Thiers gesagt hat,
kan man nichts sehen, und nichts fühlen. Ich ließ mir
etliche von den schwarzen Schwanzhaaren ausreissen und
habe sie noch zum Andenken an dieses Thier, das man
immer mit Vergnügen sieht, besonders, weil es mehr,
als alle andre Thiere, unsere Sprache, unsere Winke,
und unsere Pantomimen zu verstehen scheint, und sie durch
seinen gelehrigen und folgsamen Karakter besser, als an-
dre Thiere beantwortet.
2) Das Rhinoceros. Man jagte das Thier aus
einer Mistpfütze auf, in welcher es, so gros es war, ganz
versunken lag, und es begab sich ungern aus dieser Lache
heraus. Ich machte grosse Augen, wie ichs herauf stei-
gen, und auf mich zukommen sah. So viel ich sehen
und fühlen konnte, beobachtete ich. Schreber hat, glaubt
ich, eine gute Zeichnung davon geliefert, aber alle Nach-
richten, die wir vom Horn des Thiers haben, sind, denk
ich, falsch. Es ist kein hervorstehendes Horn, es ist
kein amas von Poil herisse, epars, confondu, wie
man in Göttingen meint. Das was hier Horn heist,
ist eine grosse knochenharte mit keiner Haut überzogene
Stelle, 2. Finger über dem Museau. Diese Verhär-
tung, die im Knochen ihre Wurzel zu haben scheint, war
länger als meine Spanne, und fast eben so breit. Kei-
ne Spitze von Haareu war oben, oder an der Seite zu
sehen.
T 4
Die Zaͤhne waren ſehr klein, und noch ſtumpf, und ſchie-
nen doch nicht abgeſtoſſen zu ſeyn. Wir hatten eine
Bouteille Wein mitgebracht, um ihn zu tractiren. Dieſe
ſtieß er in ſeinen Ruͤſſel aus. Er koſtet dem Koͤnige alle
Tage 6. Liver. Alle Morgen wird er ſpazieren gefuͤhrt.
Er hatte grade die Hoͤhe ſeiner Thuͤre. Von allem dem,
was Perrault von der Oberhaut des Thiers geſagt hat,
kan man nichts ſehen, und nichts fuͤhlen. Ich ließ mir
etliche von den ſchwarzen Schwanzhaaren ausreiſſen und
habe ſie noch zum Andenken an dieſes Thier, das man
immer mit Vergnuͤgen ſieht, beſonders, weil es mehr,
als alle andre Thiere, unſere Sprache, unſere Winke,
und unſere Pantomimen zu verſtehen ſcheint, und ſie durch
ſeinen gelehrigen und folgſamen Karakter beſſer, als an-
dre Thiere beantwortet.
2) Das Rhinoceros. Man jagte das Thier aus
einer Miſtpfuͤtze auf, in welcher es, ſo gros es war, ganz
verſunken lag, und es begab ſich ungern aus dieſer Lache
heraus. Ich machte groſſe Augen, wie ichs herauf ſtei-
gen, und auf mich zukommen ſah. So viel ich ſehen
und fuͤhlen konnte, beobachtete ich. Schreber hat, glaubt
ich, eine gute Zeichnung davon geliefert, aber alle Nach-
richten, die wir vom Horn des Thiers haben, ſind, denk
ich, falſch. Es iſt kein hervorſtehendes Horn, es iſt
kein amas von Poil heriſſé, epars, confondu, wie
man in Goͤttingen meint. Das was hier Horn heiſt,
iſt eine groſſe knochenharte mit keiner Haut uͤberzogene
Stelle, 2. Finger uͤber dem Muſeau. Dieſe Verhaͤr-
tung, die im Knochen ihre Wurzel zu haben ſcheint, war
laͤnger als meine Spanne, und faſt eben ſo breit. Kei-
ne Spitze von Haareu war oben, oder an der Seite zu
ſehen.
T 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item><pb facs="#f0319" n="295"/>
Die Za&#x0364;hne waren &#x017F;ehr klein, und noch &#x017F;tumpf, und &#x017F;chie-<lb/>
nen doch nicht abge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en zu &#x017F;eyn. Wir hatten eine<lb/>
Bouteille Wein mitgebracht, um ihn zu tractiren. Die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;tieß er in &#x017F;einen Ru&#x0364;&#x017F;&#x017F;el aus. Er ko&#x017F;tet dem Ko&#x0364;nige alle<lb/>
Tage 6. Liver. Alle Morgen wird er &#x017F;pazieren gefu&#x0364;hrt.<lb/>
Er hatte grade die Ho&#x0364;he &#x017F;einer Thu&#x0364;re. Von allem dem,<lb/>
was <hi rendition="#fr">Perrault</hi> von der Oberhaut des Thiers ge&#x017F;agt hat,<lb/>
kan man nichts &#x017F;ehen, und nichts fu&#x0364;hlen. Ich ließ mir<lb/>
etliche von den &#x017F;chwarzen Schwanzhaaren ausrei&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
habe &#x017F;ie noch zum Andenken an die&#x017F;es Thier, das man<lb/>
immer mit Vergnu&#x0364;gen &#x017F;ieht, be&#x017F;onders, weil es mehr,<lb/>
als alle andre Thiere, un&#x017F;ere Sprache, un&#x017F;ere Winke,<lb/>
und un&#x017F;ere Pantomimen zu ver&#x017F;tehen &#x017F;cheint, und &#x017F;ie durch<lb/>
&#x017F;einen gelehrigen und folg&#x017F;amen Karakter be&#x017F;&#x017F;er, als an-<lb/>
dre Thiere beantwortet.</item><lb/>
              <item>2) Das <hi rendition="#fr">Rhinoceros.</hi> Man jagte das Thier aus<lb/>
einer Mi&#x017F;tpfu&#x0364;tze auf, in welcher es, &#x017F;o gros es war, ganz<lb/>
ver&#x017F;unken lag, und es begab &#x017F;ich ungern aus die&#x017F;er Lache<lb/>
heraus. Ich machte gro&#x017F;&#x017F;e Augen, wie ichs herauf &#x017F;tei-<lb/>
gen, und auf mich zukommen &#x017F;ah. So viel ich &#x017F;ehen<lb/>
und fu&#x0364;hlen konnte, beobachtete ich. <hi rendition="#fr">Schreber</hi> hat, glaubt<lb/>
ich, eine gute Zeichnung davon geliefert, aber alle Nach-<lb/>
richten, die wir vom Horn des Thiers haben, &#x017F;ind, denk<lb/>
ich, fal&#x017F;ch. Es i&#x017F;t kein hervor&#x017F;tehendes Horn, es i&#x017F;t<lb/>
kein <hi rendition="#aq">amas</hi> von <hi rendition="#aq">Poil heri&#x017F;&#x017F;é, epars, confondu,</hi> wie<lb/>
man in <hi rendition="#fr">Go&#x0364;ttingen</hi> meint. Das was hier Horn hei&#x017F;t,<lb/>
i&#x017F;t eine gro&#x017F;&#x017F;e knochenharte mit keiner Haut u&#x0364;berzogene<lb/>
Stelle, 2. Finger u&#x0364;ber dem <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;eau.</hi> Die&#x017F;e Verha&#x0364;r-<lb/>
tung, die im Knochen ihre Wurzel zu haben &#x017F;cheint, war<lb/>
la&#x0364;nger als meine Spanne, und fa&#x017F;t eben &#x017F;o breit. Kei-<lb/>
ne Spitze von Haareu war oben, oder an der Seite zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ehen.</fw><lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0319] Die Zaͤhne waren ſehr klein, und noch ſtumpf, und ſchie- nen doch nicht abgeſtoſſen zu ſeyn. Wir hatten eine Bouteille Wein mitgebracht, um ihn zu tractiren. Dieſe ſtieß er in ſeinen Ruͤſſel aus. Er koſtet dem Koͤnige alle Tage 6. Liver. Alle Morgen wird er ſpazieren gefuͤhrt. Er hatte grade die Hoͤhe ſeiner Thuͤre. Von allem dem, was Perrault von der Oberhaut des Thiers geſagt hat, kan man nichts ſehen, und nichts fuͤhlen. Ich ließ mir etliche von den ſchwarzen Schwanzhaaren ausreiſſen und habe ſie noch zum Andenken an dieſes Thier, das man immer mit Vergnuͤgen ſieht, beſonders, weil es mehr, als alle andre Thiere, unſere Sprache, unſere Winke, und unſere Pantomimen zu verſtehen ſcheint, und ſie durch ſeinen gelehrigen und folgſamen Karakter beſſer, als an- dre Thiere beantwortet. 2) Das Rhinoceros. Man jagte das Thier aus einer Miſtpfuͤtze auf, in welcher es, ſo gros es war, ganz verſunken lag, und es begab ſich ungern aus dieſer Lache heraus. Ich machte groſſe Augen, wie ichs herauf ſtei- gen, und auf mich zukommen ſah. So viel ich ſehen und fuͤhlen konnte, beobachtete ich. Schreber hat, glaubt ich, eine gute Zeichnung davon geliefert, aber alle Nach- richten, die wir vom Horn des Thiers haben, ſind, denk ich, falſch. Es iſt kein hervorſtehendes Horn, es iſt kein amas von Poil heriſſé, epars, confondu, wie man in Goͤttingen meint. Das was hier Horn heiſt, iſt eine groſſe knochenharte mit keiner Haut uͤberzogene Stelle, 2. Finger uͤber dem Muſeau. Dieſe Verhaͤr- tung, die im Knochen ihre Wurzel zu haben ſcheint, war laͤnger als meine Spanne, und faſt eben ſo breit. Kei- ne Spitze von Haareu war oben, oder an der Seite zu ſehen. T 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/319
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/319>, abgerufen am 18.05.2024.