fältigung des Mechanismus erstaunen. Eine kleine Kin- derkarosse sah ich heute, die doch so gemacht war, daß sie von einem kleinen Pferde gezogen werden muste. In allen Strassen, wo sie der Verfertiger durchführte, entstand ein Auf lauf; das Volk blieb zu beiden Seiten wie Mauern stehen, und applaudirte den Künstler. Man sieht ganze Höfe voll Büsten, Statüen von Gypsar- beit, wo die Erde auf hundertfache Art gefärbt ist, wo Könige, Thiere, Blumen, Philosophen, Götter, Fech- ter, Gladiatoren, Amors, Venusse etc. in Menge stehen, Es gibt Leute, die Schränke, Kästchen, Tische etc. von allen Grössen, alle Arten, aus allen möglichen Holzarten machen etc. Jetzt brachte man die Blumen Wagen- voll herein etc. Vögel in Käfichen sind beständig feil etc.
Bücher kan man an allen Ecken an allen Strassen kaufen. Besonders ist das Quay des Augustins vom Pont Neuf bis zum Pont St. Michel ganz voll von Buchhändlern. Die meisten neuen Bücher kan man schon geheftet und gebunden haben, wie man will. Die Franzosen binden recht gut, und mit vieler Pracht. Aber die Buchbinderstuben sind erbärmliche Löcher aufm Bo- den.
Man hört alle mögliche Instrumente, überall wird gesungen und gepfiffen. Das ist der Geist der Nation, beständig zu trillern und zu spielen. Es gibt Leute, die den ganzen Tag mit ihrem Instrument in der Hand, mit der Flöte am Maul, am Fenster stehen. Das währt bis in die sinkende Nacht; morgens um 3. Uhr hab' ich eins- mahls einen noch gehört. Die schlechtesten Fiedler liegen auf den Brücken auf den Steinen, und haben die Geige unterm Kinn.
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faͤltigung des Mechanismus erſtaunen. Eine kleine Kin- derkaroſſe ſah ich heute, die doch ſo gemacht war, daß ſie von einem kleinen Pferde gezogen werden muſte. In allen Straſſen, wo ſie der Verfertiger durchfuͤhrte, entſtand ein Auf lauf; das Volk blieb zu beiden Seiten wie Mauern ſtehen, und applaudirte den Kuͤnſtler. Man ſieht ganze Hoͤfe voll Buͤſten, Statuͤen von Gypsar- beit, wo die Erde auf hundertfache Art gefaͤrbt iſt, wo Koͤnige, Thiere, Blumen, Philoſophen, Goͤtter, Fech- ter, Gladiatoren, Amors, Venuſſe ꝛc. in Menge ſtehen, Es gibt Leute, die Schraͤnke, Kaͤſtchen, Tiſche ꝛc. von allen Groͤſſen, alle Arten, aus allen moͤglichen Holzarten machen ꝛc. Jetzt brachte man die Blumen Wagen- voll herein ꝛc. Voͤgel in Kaͤfichen ſind beſtaͤndig feil ꝛc.
Buͤcher kan man an allen Ecken an allen Straſſen kaufen. Beſonders iſt das Quay des Auguſtins vom Pont Neuf bis zum Pont St. Michel ganz voll von Buchhaͤndlern. Die meiſten neuen Buͤcher kan man ſchon geheftet und gebunden haben, wie man will. Die Franzoſen binden recht gut, und mit vieler Pracht. Aber die Buchbinderſtuben ſind erbaͤrmliche Loͤcher aufm Bo- den.
Man hoͤrt alle moͤgliche Inſtrumente, uͤberall wird geſungen und gepfiffen. Das iſt der Geiſt der Nation, beſtaͤndig zu trillern und zu ſpielen. Es gibt Leute, die den ganzen Tag mit ihrem Inſtrument in der Hand, mit der Floͤte am Maul, am Fenſter ſtehen. Das waͤhrt bis in die ſinkende Nacht; morgens um 3. Uhr hab’ ich eins- mahls einen noch gehoͤrt. Die ſchlechteſten Fiedler liegen auf den Bruͤcken auf den Steinen, und haben die Geige unterm Kinn.
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faͤltigung des Mechanismus erſtaunen. Eine kleine Kin-
derkaroſſe ſah ich heute, die doch ſo gemacht war, daß
ſie von einem kleinen Pferde gezogen werden muſte.
In allen Straſſen, wo ſie der Verfertiger durchfuͤhrte,
entſtand ein Auf lauf; das Volk blieb zu beiden Seiten
wie Mauern ſtehen, und applaudirte den Kuͤnſtler. Man
ſieht ganze Hoͤfe voll Buͤſten, Statuͤen von Gypsar-
beit, wo die Erde auf hundertfache Art gefaͤrbt iſt, wo
Koͤnige, Thiere, Blumen, Philoſophen, Goͤtter, Fech-
ter, Gladiatoren, Amors, Venuſſe ꝛc. in Menge ſtehen,
Es gibt Leute, die Schraͤnke, Kaͤſtchen, Tiſche ꝛc. von
allen Groͤſſen, alle Arten, aus allen moͤglichen Holzarten
machen ꝛc. Jetzt brachte man die Blumen Wagen-
voll herein ꝛc. Voͤgel in Kaͤfichen ſind beſtaͤndig feil ꝛc.
Buͤcher kan man an allen Ecken an allen Straſſen
kaufen. Beſonders iſt das Quay des Auguſtins vom
Pont Neuf bis zum Pont St. Michel ganz voll von
Buchhaͤndlern. Die meiſten neuen Buͤcher kan man
ſchon geheftet und gebunden haben, wie man will. Die
Franzoſen binden recht gut, und mit vieler Pracht. Aber
die Buchbinderſtuben ſind erbaͤrmliche Loͤcher aufm Bo-
den.
Man hoͤrt alle moͤgliche Inſtrumente, uͤberall wird
geſungen und gepfiffen. Das iſt der Geiſt der Nation,
beſtaͤndig zu trillern und zu ſpielen. Es gibt Leute, die
den ganzen Tag mit ihrem Inſtrument in der Hand, mit
der Floͤte am Maul, am Fenſter ſtehen. Das waͤhrt bis
in die ſinkende Nacht; morgens um 3. Uhr hab’ ich eins-
mahls einen noch gehoͤrt. Die ſchlechteſten Fiedler liegen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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