Dieser Tag war nicht viel besser als der vorige. Re- genwetter und Sonnenblicke wechselten beständig ab. Die Leute, die ich besuchen wollte, traf ich meistens nicht an. Weil ich bald nach Versailles reisen wollte, so brachte ich meine Sachen in Ordnung, war bei dem Kaufmanne, an den ich angewiesen war, trieb meine Wäsche ein, be- stellte Briefe nach Holland, gab die Bücher, die ich noch hatte, auf die Abtei St. Victor zurück, erkundigte mich wegen der Posten nach Versailles, nach Chan- tilly, und nach Brüssel, und arbeitete übrigens auf meinem Zimmer, unter beständiger Plage von der un- glücklichen Pariser Diarrhoe. Ich habe bereits viele Dinge beschrieben, ich muß fortfahren, die Menschen zu schildern.
Bemerkungen.
Die Moden, die beständig hier in Ebbe und Flut sind, sind die Erfindungen der Künstler, und werden durch die Leute, die beständig was Neues haben wollen, und eine Menge Geld an Putz und Staat wenden kön- nen, in Gang gebracht. Bei einem Juwelier Koenig et Comp. Rue St. Honore, Hotel d'Aligre, proche la Rue de l'Arbre sec sah ich heute, eine neue Mode von Coeurs und Bracelets, die eine Phantasie von ihm ist. Das Herzchen wird aus 2. Hälften von Glas zu- sammengesetzt. Die Einfassung ist von Gold. Zwi- schen den Glashälften macht er einen Büschel feiner Frau- enzimmer- oder Kinderhaare in Form einer Fruchtgarbe. Diese Haare sind durch eine Schleife von Gold, die mit Edelsteinen besetzt ist, zusammengebunden. Er hat
Cailloux
Den 25ſten Jun.
Dieſer Tag war nicht viel beſſer als der vorige. Re- genwetter und Sonnenblicke wechſelten beſtaͤndig ab. Die Leute, die ich beſuchen wollte, traf ich meiſtens nicht an. Weil ich bald nach Verſailles reiſen wollte, ſo brachte ich meine Sachen in Ordnung, war bei dem Kaufmanne, an den ich angewieſen war, trieb meine Waͤſche ein, be- ſtellte Briefe nach Holland, gab die Buͤcher, die ich noch hatte, auf die Abtei St. Victor zuruͤck, erkundigte mich wegen der Poſten nach Verſailles, nach Chan- tilly, und nach Bruͤſſel, und arbeitete uͤbrigens auf meinem Zimmer, unter beſtaͤndiger Plage von der un- gluͤcklichen Pariſer Diarrhoe. Ich habe bereits viele Dinge beſchrieben, ich muß fortfahren, die Menſchen zu ſchildern.
Bemerkungen.
Die Moden, die beſtaͤndig hier in Ebbe und Flut ſind, ſind die Erfindungen der Kuͤnſtler, und werden durch die Leute, die beſtaͤndig was Neues haben wollen, und eine Menge Geld an Putz und Staat wenden koͤn- nen, in Gang gebracht. Bei einem Juwelier Koenig et Comp. Rue St. Honoré, Hôtel d’Aligre, proche la Rue de l’Arbre ſec ſah ich heute, eine neue Mode von Coeurs und Bracelets, die eine Phantaſie von ihm iſt. Das Herzchen wird aus 2. Haͤlften von Glas zu- ſammengeſetzt. Die Einfaſſung iſt von Gold. Zwi- ſchen den Glashaͤlften macht er einen Buͤſchel feiner Frau- enzimmer- oder Kinderhaare in Form einer Fruchtgarbe. Dieſe Haare ſind durch eine Schleife von Gold, die mit Edelſteinen beſetzt iſt, zuſammengebunden. Er hat
Cailloux
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0302"n="278"/><divn="3"><head>Den 25ſten Jun.</head><lb/><p>Dieſer Tag war nicht viel beſſer als der vorige. Re-<lb/>
genwetter und Sonnenblicke wechſelten beſtaͤndig ab. Die<lb/>
Leute, die ich beſuchen wollte, traf ich meiſtens nicht an.<lb/>
Weil ich bald nach <hirendition="#fr">Verſailles</hi> reiſen wollte, ſo brachte<lb/>
ich meine Sachen in Ordnung, war bei dem Kaufmanne,<lb/>
an den ich angewieſen war, trieb meine Waͤſche ein, be-<lb/>ſtellte Briefe nach <hirendition="#fr">Holland,</hi> gab die Buͤcher, die ich<lb/>
noch hatte, auf die Abtei St. <hirendition="#fr">Victor</hi> zuruͤck, erkundigte<lb/>
mich wegen der Poſten nach <hirendition="#fr">Verſailles,</hi> nach <hirendition="#fr">Chan-<lb/>
tilly,</hi> und nach <hirendition="#fr">Bruͤſſel,</hi> und arbeitete uͤbrigens auf<lb/>
meinem Zimmer, unter beſtaͤndiger Plage von der un-<lb/>
gluͤcklichen <hirendition="#fr">Pariſer</hi> Diarrhoe. Ich habe bereits viele<lb/>
Dinge beſchrieben, ich muß fortfahren, die Menſchen<lb/>
zu ſchildern.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#fr">Bemerkungen.</hi></head><lb/><p>Die Moden, die beſtaͤndig hier in Ebbe und Flut<lb/>ſind, ſind die Erfindungen der Kuͤnſtler, und werden<lb/>
durch die Leute, die beſtaͤndig was Neues haben wollen,<lb/>
und eine Menge Geld an Putz und Staat wenden koͤn-<lb/>
nen, in Gang gebracht. Bei einem Juwelier <hirendition="#aq"><hirendition="#i">Koenig</hi><lb/>
et Comp. Rue St. <hirendition="#i">Honoré</hi>, Hôtel d’<hirendition="#i">Aligre</hi>, proche<lb/>
la Rue de l’Arbre ſec</hi>ſah ich heute, eine neue Mode<lb/>
von <hirendition="#aq">Coeurs</hi> und <hirendition="#aq">Bracelets,</hi> die eine Phantaſie von ihm<lb/>
iſt. Das Herzchen wird aus 2. Haͤlften von Glas zu-<lb/>ſammengeſetzt. Die Einfaſſung iſt von Gold. Zwi-<lb/>ſchen den Glashaͤlften macht er einen Buͤſchel feiner Frau-<lb/>
enzimmer- oder Kinderhaare in Form einer Fruchtgarbe.<lb/>
Dieſe Haare ſind durch eine Schleife von Gold, die mit<lb/>
Edelſteinen beſetzt iſt, zuſammengebunden. Er hat<lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">Cailloux</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[278/0302]
Den 25ſten Jun.
Dieſer Tag war nicht viel beſſer als der vorige. Re-
genwetter und Sonnenblicke wechſelten beſtaͤndig ab. Die
Leute, die ich beſuchen wollte, traf ich meiſtens nicht an.
Weil ich bald nach Verſailles reiſen wollte, ſo brachte
ich meine Sachen in Ordnung, war bei dem Kaufmanne,
an den ich angewieſen war, trieb meine Waͤſche ein, be-
ſtellte Briefe nach Holland, gab die Buͤcher, die ich
noch hatte, auf die Abtei St. Victor zuruͤck, erkundigte
mich wegen der Poſten nach Verſailles, nach Chan-
tilly, und nach Bruͤſſel, und arbeitete uͤbrigens auf
meinem Zimmer, unter beſtaͤndiger Plage von der un-
gluͤcklichen Pariſer Diarrhoe. Ich habe bereits viele
Dinge beſchrieben, ich muß fortfahren, die Menſchen
zu ſchildern.
Bemerkungen.
Die Moden, die beſtaͤndig hier in Ebbe und Flut
ſind, ſind die Erfindungen der Kuͤnſtler, und werden
durch die Leute, die beſtaͤndig was Neues haben wollen,
und eine Menge Geld an Putz und Staat wenden koͤn-
nen, in Gang gebracht. Bei einem Juwelier Koenig
et Comp. Rue St. Honoré, Hôtel d’Aligre, proche
la Rue de l’Arbre ſec ſah ich heute, eine neue Mode
von Coeurs und Bracelets, die eine Phantaſie von ihm
iſt. Das Herzchen wird aus 2. Haͤlften von Glas zu-
ſammengeſetzt. Die Einfaſſung iſt von Gold. Zwi-
ſchen den Glashaͤlften macht er einen Buͤſchel feiner Frau-
enzimmer- oder Kinderhaare in Form einer Fruchtgarbe.
Dieſe Haare ſind durch eine Schleife von Gold, die mit
Edelſteinen beſetzt iſt, zuſammengebunden. Er hat
Cailloux
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/302>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.