Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Hierauf ging ich

La Comedie francoise zu besuchen. Denn
was würden viele Leute sagen, wenn ich in Paris gewe-
sen, und nicht einmahl in die Komödie gegangen wäre?
Man gab heute Phedre, ein Trauerspiel von Racine,
ein Stück, das fade, aber auch herrliche Stellen hat.
Das Komödienhaus ist ein Theil der Königl. Gebäu-
de, *) die gleich unterm Pontneuf anfangen, und bis
in die Thuilleries fortlaufen. Der Schauplatz und
das Auditorium ist bei weitem nicht so gros, wie in
Strasburg, die Musik ist herzlich elend, etliche Akteurs
und Aktricen, sonderlich Vater und Sohn, machten die
Scenen, wo sie sich mit einander aussöhnen sollen, vor-
treflich. Es herrscht bei weiten hier nicht die Stille und
Ordnung, wie in der Oper. Wiewohl man alle Tage
hinein gehen kan, so ist doch immer ein gewaltiges Drän-
gen und Drücken um den Platz. Den Akteurs sieht
mans zum Theil wohl an, daß ihnen das Deklamiren,
das Weinen, das Lamentiren, das Exspiriren zur Ge-
wohnheit worden ist. Die französische Sprache schickt
sich dazu, man kan darin erstaunlich schnell, und sehr
energisch, pathetisch reden. In dem ganzen Stücke war
die Dekoration ein simpler Saal, der nie verändert wur-
de. Es geht übrigens dem Schauspieler wie dem Pre-
diger und dem Professor, man schwazt, lacht, gähnt,
lärmt etc. Das Parterre kostet 20. die 3te Gallerie 40.

Sous,
*) Jetzt svielt die Comed. franc. in dem neuen in
der Fauxbourg St. Germain erbauten und am 9ten
April 1782. eingeweihten Schauspielhause.
Herausgeber.

Hierauf ging ich

La Comedie françoiſe zu beſuchen. Denn
was wuͤrden viele Leute ſagen, wenn ich in Paris gewe-
ſen, und nicht einmahl in die Komoͤdie gegangen waͤre?
Man gab heute Phedre, ein Trauerſpiel von Racine,
ein Stuͤck, das fade, aber auch herrliche Stellen hat.
Das Komoͤdienhaus iſt ein Theil der Koͤnigl. Gebaͤu-
de, *) die gleich unterm Pontneuf anfangen, und bis
in die Thuilleries fortlaufen. Der Schauplatz und
das Auditorium iſt bei weitem nicht ſo gros, wie in
Strasburg, die Muſik iſt herzlich elend, etliche Akteurs
und Aktricen, ſonderlich Vater und Sohn, machten die
Scenen, wo ſie ſich mit einander ausſoͤhnen ſollen, vor-
treflich. Es herrſcht bei weiten hier nicht die Stille und
Ordnung, wie in der Oper. Wiewohl man alle Tage
hinein gehen kan, ſo iſt doch immer ein gewaltiges Draͤn-
gen und Druͤcken um den Platz. Den Akteurs ſieht
mans zum Theil wohl an, daß ihnen das Deklamiren,
das Weinen, das Lamentiren, das Exſpiriren zur Ge-
wohnheit worden iſt. Die franzoͤſiſche Sprache ſchickt
ſich dazu, man kan darin erſtaunlich ſchnell, und ſehr
energiſch, pathetiſch reden. In dem ganzen Stuͤcke war
die Dekoration ein ſimpler Saal, der nie veraͤndert wur-
de. Es geht uͤbrigens dem Schauſpieler wie dem Pre-
diger und dem Profeſſor, man ſchwazt, lacht, gaͤhnt,
laͤrmt ꝛc. Das Parterre koſtet 20. die 3te Gallerie 40.

Sous,
*) Jetzt ſvielt die Comed. franç. in dem neuen in
der Fauxbourg St. Germain erbauten und am 9ten
April 1782. eingeweihten Schauſpielhauſe.
Herausgeber.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0270" n="246"/>
            <p>Hierauf ging ich</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">La Comedie françoi&#x017F;e</hi> zu be&#x017F;uchen. Denn<lb/>
was wu&#x0364;rden viele Leute &#x017F;agen, wenn ich in <hi rendition="#fr">Paris</hi> gewe-<lb/>
&#x017F;en, und nicht einmahl in die Komo&#x0364;die gegangen wa&#x0364;re?<lb/>
Man gab heute <hi rendition="#aq">Phedre,</hi> ein Trauer&#x017F;piel von <hi rendition="#fr">Racine,</hi><lb/>
ein Stu&#x0364;ck, das fade, aber auch herrliche Stellen hat.<lb/>
Das Komo&#x0364;dienhaus i&#x017F;t ein Theil der Ko&#x0364;nigl. Geba&#x0364;u-<lb/>
de, <note place="foot" n="*)">Jetzt &#x017F;vielt die <hi rendition="#aq">Comed. franç.</hi> in dem neuen in<lb/>
der <hi rendition="#aq">Fauxbourg St. <hi rendition="#i">Germain</hi></hi> erbauten und am 9ten<lb/>
April 1782. eingeweihten Schau&#x017F;pielhau&#x017F;e.<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Herausgeber.</hi></hi></note> die gleich unterm <hi rendition="#fr">Pontneuf</hi> anfangen, und bis<lb/>
in die <hi rendition="#fr">Thuilleries</hi> fortlaufen. Der Schauplatz und<lb/>
das Auditorium i&#x017F;t bei weitem nicht &#x017F;o gros, wie in<lb/><hi rendition="#fr">Strasburg,</hi> die Mu&#x017F;ik i&#x017F;t herzlich elend, etliche Akteurs<lb/>
und Aktricen, &#x017F;onderlich Vater und Sohn, machten die<lb/>
Scenen, wo &#x017F;ie &#x017F;ich mit einander aus&#x017F;o&#x0364;hnen &#x017F;ollen, vor-<lb/>
treflich. Es herr&#x017F;cht bei weiten hier nicht die Stille und<lb/>
Ordnung, wie in der Oper. Wiewohl man alle Tage<lb/>
hinein gehen kan, &#x017F;o i&#x017F;t doch immer ein gewaltiges Dra&#x0364;n-<lb/>
gen und Dru&#x0364;cken um den Platz. Den Akteurs &#x017F;ieht<lb/>
mans zum Theil wohl an, daß ihnen das Deklamiren,<lb/>
das Weinen, das Lamentiren, das Ex&#x017F;piriren zur Ge-<lb/>
wohnheit worden i&#x017F;t. Die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Sprache &#x017F;chickt<lb/>
&#x017F;ich dazu, man kan darin er&#x017F;taunlich &#x017F;chnell, und &#x017F;ehr<lb/>
energi&#x017F;ch, patheti&#x017F;ch reden. In dem ganzen Stu&#x0364;cke war<lb/>
die Dekoration ein &#x017F;impler Saal, der nie vera&#x0364;ndert wur-<lb/>
de. Es geht u&#x0364;brigens dem Schau&#x017F;pieler wie dem Pre-<lb/>
diger und dem Profe&#x017F;&#x017F;or, man &#x017F;chwazt, lacht, ga&#x0364;hnt,<lb/>
la&#x0364;rmt &#xA75B;c. Das Parterre ko&#x017F;tet 20. die 3te Gallerie 40.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sous,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0270] Hierauf ging ich La Comedie françoiſe zu beſuchen. Denn was wuͤrden viele Leute ſagen, wenn ich in Paris gewe- ſen, und nicht einmahl in die Komoͤdie gegangen waͤre? Man gab heute Phedre, ein Trauerſpiel von Racine, ein Stuͤck, das fade, aber auch herrliche Stellen hat. Das Komoͤdienhaus iſt ein Theil der Koͤnigl. Gebaͤu- de, *) die gleich unterm Pontneuf anfangen, und bis in die Thuilleries fortlaufen. Der Schauplatz und das Auditorium iſt bei weitem nicht ſo gros, wie in Strasburg, die Muſik iſt herzlich elend, etliche Akteurs und Aktricen, ſonderlich Vater und Sohn, machten die Scenen, wo ſie ſich mit einander ausſoͤhnen ſollen, vor- treflich. Es herrſcht bei weiten hier nicht die Stille und Ordnung, wie in der Oper. Wiewohl man alle Tage hinein gehen kan, ſo iſt doch immer ein gewaltiges Draͤn- gen und Druͤcken um den Platz. Den Akteurs ſieht mans zum Theil wohl an, daß ihnen das Deklamiren, das Weinen, das Lamentiren, das Exſpiriren zur Ge- wohnheit worden iſt. Die franzoͤſiſche Sprache ſchickt ſich dazu, man kan darin erſtaunlich ſchnell, und ſehr energiſch, pathetiſch reden. In dem ganzen Stuͤcke war die Dekoration ein ſimpler Saal, der nie veraͤndert wur- de. Es geht uͤbrigens dem Schauſpieler wie dem Pre- diger und dem Profeſſor, man ſchwazt, lacht, gaͤhnt, laͤrmt ꝛc. Das Parterre koſtet 20. die 3te Gallerie 40. Sous, *) Jetzt ſvielt die Comed. franç. in dem neuen in der Fauxbourg St. Germain erbauten und am 9ten April 1782. eingeweihten Schauſpielhauſe. Herausgeber.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/270
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/270>, abgerufen am 24.11.2024.