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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Gedanke, daß die Punkte und Vocalen nicht zur Spra-
che gehören, länger selbst unter den Juden erhalten habe,
als ein großer Theil unsrer Orientalisten gemeiniglich
glaubt? Die kleine Masora ist blos an den Rand, aber
schön geschrieben, die grosse steht oben und unten auf jedem
Blatte. Vorne sind kostbare Malereien; wo ein ander
Buch anfängt, da ist ein blosser Absatz ohne Aufschrift.
Doch bemerkte ich, daß nicht bei allen Büchern der Na-
me oben geschrieben ist, und im Buch der Richter fand
ich einige Blätter, wo Jehoshua, andre wo Scho-
phetim,
andre wo wieder kein Name stand, da hat al-
so die Genauigkeit des Abschreibers ein wenig nachgelas-
sen. Ich möchte wohl wissen, wie viel Jahre man da-
mahls brauchte, um so was Schönes zu schreiben? III)
Aus den Lateinischen. 1) Plinii Hist. Nat. aus
dem 15. Jahrh.
gar schön auf Pergament. Der In-
halt des Kapitels ist allemahl mit rother Dinte beige-
schrieben, und die Anfangsbuchstaben stehen über die Li-
nie herausgerückt mit Gold oder andern Farben am Ran-
de. Der erste Buchstabe von jedem Buche ist gemahlt.
Eine Menge Abbreviaturen sind darin, man versteht sie
aber gleich; die großen S. am Ende der Wörter sehen
wie die Zahl 5. aus, das verstellt manches Wort. Vor-
ne sind die beiden Briefe des jüngern Plinius an den
Marcus und Tacitus, und das Leben des Naturfor-
schers ex Tranquilli (Suetonii steht nicht dabei) ca-
talogo virorum illustrium.
Diese ist kurz, enthält
aber die Nachricht, der grosse Mann habe im Dampf
(deficiente aestu) seinen Sklaven gebeten, nach dem
Gerücht das damals ging (ut necem sibi maturaret.)
-- 2) Plin. Hist. Nat. aus dem 9ten Jahrh. da
war ich sehr begierig. Allein dieser Codex war grade

ausge-
M 4

Gedanke, daß die Punkte und Vocalen nicht zur Spra-
che gehoͤren, laͤnger ſelbſt unter den Juden erhalten habe,
als ein großer Theil unſrer Orientaliſten gemeiniglich
glaubt? Die kleine Maſora iſt blos an den Rand, aber
ſchoͤn geſchrieben, die groſſe ſteht oben und unten auf jedem
Blatte. Vorne ſind koſtbare Malereien; wo ein ander
Buch anfaͤngt, da iſt ein bloſſer Abſatz ohne Aufſchrift.
Doch bemerkte ich, daß nicht bei allen Buͤchern der Na-
me oben geſchrieben iſt, und im Buch der Richter fand
ich einige Blaͤtter, wo Jehoſhua, andre wo Scho-
phetim,
andre wo wieder kein Name ſtand, da hat al-
ſo die Genauigkeit des Abſchreibers ein wenig nachgelaſ-
ſen. Ich moͤchte wohl wiſſen, wie viel Jahre man da-
mahls brauchte, um ſo was Schoͤnes zu ſchreiben? III)
Aus den Lateiniſchen. 1) Plinii Hiſt. Nat. aus
dem 15. Jahrh.
gar ſchoͤn auf Pergament. Der In-
halt des Kapitels iſt allemahl mit rother Dinte beige-
ſchrieben, und die Anfangsbuchſtaben ſtehen uͤber die Li-
nie herausgeruͤckt mit Gold oder andern Farben am Ran-
de. Der erſte Buchſtabe von jedem Buche iſt gemahlt.
Eine Menge Abbreviaturen ſind darin, man verſteht ſie
aber gleich; die großen S. am Ende der Woͤrter ſehen
wie die Zahl 5. aus, das verſtellt manches Wort. Vor-
ne ſind die beiden Briefe des juͤngern Plinius an den
Marcus und Tacitus, und das Leben des Naturfor-
ſchers ex Tranquilli (Suetonii ſteht nicht dabei) ca-
talogo virorum illuſtrium.
Dieſe iſt kurz, enthaͤlt
aber die Nachricht, der groſſe Mann habe im Dampf
(deficiente aeſtu) ſeinen Sklaven gebeten, nach dem
Geruͤcht das damals ging (ut necem ſibi maturaret.)
— 2) Plin. Hiſt. Nat. aus dem 9ten Jahrh. da
war ich ſehr begierig. Allein dieſer Codex war grade

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[183/0207] Gedanke, daß die Punkte und Vocalen nicht zur Spra- che gehoͤren, laͤnger ſelbſt unter den Juden erhalten habe, als ein großer Theil unſrer Orientaliſten gemeiniglich glaubt? Die kleine Maſora iſt blos an den Rand, aber ſchoͤn geſchrieben, die groſſe ſteht oben und unten auf jedem Blatte. Vorne ſind koſtbare Malereien; wo ein ander Buch anfaͤngt, da iſt ein bloſſer Abſatz ohne Aufſchrift. Doch bemerkte ich, daß nicht bei allen Buͤchern der Na- me oben geſchrieben iſt, und im Buch der Richter fand ich einige Blaͤtter, wo Jehoſhua, andre wo Scho- phetim, andre wo wieder kein Name ſtand, da hat al- ſo die Genauigkeit des Abſchreibers ein wenig nachgelaſ- ſen. Ich moͤchte wohl wiſſen, wie viel Jahre man da- mahls brauchte, um ſo was Schoͤnes zu ſchreiben? III) Aus den Lateiniſchen. 1) Plinii Hiſt. Nat. aus dem 15. Jahrh. gar ſchoͤn auf Pergament. Der In- halt des Kapitels iſt allemahl mit rother Dinte beige- ſchrieben, und die Anfangsbuchſtaben ſtehen uͤber die Li- nie herausgeruͤckt mit Gold oder andern Farben am Ran- de. Der erſte Buchſtabe von jedem Buche iſt gemahlt. Eine Menge Abbreviaturen ſind darin, man verſteht ſie aber gleich; die großen S. am Ende der Woͤrter ſehen wie die Zahl 5. aus, das verſtellt manches Wort. Vor- ne ſind die beiden Briefe des juͤngern Plinius an den Marcus und Tacitus, und das Leben des Naturfor- ſchers ex Tranquilli (Suetonii ſteht nicht dabei) ca- talogo virorum illuſtrium. Dieſe iſt kurz, enthaͤlt aber die Nachricht, der groſſe Mann habe im Dampf (deficiente aeſtu) ſeinen Sklaven gebeten, nach dem Geruͤcht das damals ging (ut necem ſibi maturaret.) — 2) Plin. Hiſt. Nat. aus dem 9ten Jahrh. da war ich ſehr begierig. Allein dieſer Codex war grade ausge- M 4

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/207>, abgerufen am 03.05.2024.