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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Aber noch viel schöner, als dies alles, sind die Ta-
pisseries a soie,
die man Nachmittags in einem grossen
Saal zu sehen bekam. Da hört alle Sprache, alle Be-
schreibung auf, man wird entzückt, wenn man's sieht,
weis nicht, wo man anfangen, wo man aufhören soll.
Schwerlich kan man die Nachahmung der Natur höher
treiben, und man geräth wirklich zuweilen in Versuchung,
mit dem Franzosen zu sagen: die Natur kans nicht schö-
ner machen. Die gröste Feinheit, die höchste Schönheit
im Kolorit, die möglichste Delikatesse in jedem Zug, die
beste Symmetrie; kurz, alles was prächtig, majestätisch,
eingreifend ist, ist da vereinigt. Die Tapeten sind über
12. Schuh hoch, und einige 6. Schuh, andre 3. Schuh
breit. Ganze Büschel von Rosen, Ranunkeln, Ane-
monen, und kleine Früchte, Affen und Papageien und
bunte schimmernde Vögel darzwischen, -- Scenen aus
dem Don Quichotte, ganze Gruppen von Genien, Göt-
tinnen, Königinnen, Kriegshelden, Baurenscenen, Opfer-
priester, Thiere, Ausdrücke von Leidenschaften, Trennun-
gen, voll Rührung und Wehmuth, schöne Stellungen,
nackte Menschenfiguren im völligen göttlichen Ebenmaas,
Königinnen im Prachtkleide, und im Neglige'e, Göttin-
nen schlafend, und alles in lauter paradiesischen Gegen-
den. Die brennenden Farben, das Einnehmende in den
Gesichtern, sonderlich in den Augen, die feinen Pin-
selstriche, die Wellen, der Wurf, die Falten in den Klei-
dungen, die Abwechslung, die Zusammenstellung, die
Anordnung des Ganzen, die Sorgfalt, die auf jedes
Theilchen gewendet ist, der Ausdruck der Seelenbewegun-
gen, das überall leuchtende Zeugnis von der Kunst, Na-
turscenen bis auf die größten Kleinigkeiten zu beobachten
und sie auf Seide und Leinwand zu schaffen, wo sie vor-

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Aber noch viel ſchoͤner, als dies alles, ſind die Ta-
piſſeries à ſoie,
die man Nachmittags in einem groſſen
Saal zu ſehen bekam. Da hoͤrt alle Sprache, alle Be-
ſchreibung auf, man wird entzuͤckt, wenn man’s ſieht,
weis nicht, wo man anfangen, wo man aufhoͤren ſoll.
Schwerlich kan man die Nachahmung der Natur hoͤher
treiben, und man geraͤth wirklich zuweilen in Verſuchung,
mit dem Franzoſen zu ſagen: die Natur kans nicht ſchoͤ-
ner machen. Die groͤſte Feinheit, die hoͤchſte Schoͤnheit
im Kolorit, die moͤglichſte Delikateſſe in jedem Zug, die
beſte Symmetrie; kurz, alles was praͤchtig, majeſtaͤtiſch,
eingreifend iſt, iſt da vereinigt. Die Tapeten ſind uͤber
12. Schuh hoch, und einige 6. Schuh, andre 3. Schuh
breit. Ganze Buͤſchel von Roſen, Ranunkeln, Ane-
monen, und kleine Fruͤchte, Affen und Papageien und
bunte ſchimmernde Voͤgel darzwiſchen, — Scenen aus
dem Don Quichotte, ganze Gruppen von Genien, Goͤt-
tinnen, Koͤniginnen, Kriegshelden, Baurenſcenen, Opfer-
prieſter, Thiere, Ausdruͤcke von Leidenſchaften, Trennun-
gen, voll Ruͤhrung und Wehmuth, ſchoͤne Stellungen,
nackte Menſchenfiguren im voͤlligen goͤttlichen Ebenmaas,
Koͤniginnen im Prachtkleide, und im Neglige’e, Goͤttin-
nen ſchlafend, und alles in lauter paradieſiſchen Gegen-
den. Die brennenden Farben, das Einnehmende in den
Geſichtern, ſonderlich in den Augen, die feinen Pin-
ſelſtriche, die Wellen, der Wurf, die Falten in den Klei-
dungen, die Abwechslung, die Zuſammenſtellung, die
Anordnung des Ganzen, die Sorgfalt, die auf jedes
Theilchen gewendet iſt, der Ausdruck der Seelenbewegun-
gen, das uͤberall leuchtende Zeugnis von der Kunſt, Na-
turſcenen bis auf die groͤßten Kleinigkeiten zu beobachten
und ſie auf Seide und Leinwand zu ſchaffen, wo ſie vor-

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[153/0177] Aber noch viel ſchoͤner, als dies alles, ſind die Ta- piſſeries à ſoie, die man Nachmittags in einem groſſen Saal zu ſehen bekam. Da hoͤrt alle Sprache, alle Be- ſchreibung auf, man wird entzuͤckt, wenn man’s ſieht, weis nicht, wo man anfangen, wo man aufhoͤren ſoll. Schwerlich kan man die Nachahmung der Natur hoͤher treiben, und man geraͤth wirklich zuweilen in Verſuchung, mit dem Franzoſen zu ſagen: die Natur kans nicht ſchoͤ- ner machen. Die groͤſte Feinheit, die hoͤchſte Schoͤnheit im Kolorit, die moͤglichſte Delikateſſe in jedem Zug, die beſte Symmetrie; kurz, alles was praͤchtig, majeſtaͤtiſch, eingreifend iſt, iſt da vereinigt. Die Tapeten ſind uͤber 12. Schuh hoch, und einige 6. Schuh, andre 3. Schuh breit. Ganze Buͤſchel von Roſen, Ranunkeln, Ane- monen, und kleine Fruͤchte, Affen und Papageien und bunte ſchimmernde Voͤgel darzwiſchen, — Scenen aus dem Don Quichotte, ganze Gruppen von Genien, Goͤt- tinnen, Koͤniginnen, Kriegshelden, Baurenſcenen, Opfer- prieſter, Thiere, Ausdruͤcke von Leidenſchaften, Trennun- gen, voll Ruͤhrung und Wehmuth, ſchoͤne Stellungen, nackte Menſchenfiguren im voͤlligen goͤttlichen Ebenmaas, Koͤniginnen im Prachtkleide, und im Neglige’e, Goͤttin- nen ſchlafend, und alles in lauter paradieſiſchen Gegen- den. Die brennenden Farben, das Einnehmende in den Geſichtern, ſonderlich in den Augen, die feinen Pin- ſelſtriche, die Wellen, der Wurf, die Falten in den Klei- dungen, die Abwechslung, die Zuſammenſtellung, die Anordnung des Ganzen, die Sorgfalt, die auf jedes Theilchen gewendet iſt, der Ausdruck der Seelenbewegun- gen, das uͤberall leuchtende Zeugnis von der Kunſt, Na- turſcenen bis auf die groͤßten Kleinigkeiten zu beobachten und ſie auf Seide und Leinwand zu ſchaffen, wo ſie vor- her K 5

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/177>, abgerufen am 23.11.2024.