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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Name des Künstlers und das Wappen der Duchesse
ist auch darin. *)

Les Porcherons. Wenn man in Paris alles,
was erhaben, was gros, was lobenswürdig ist, sieht;
so muß man auch die Gegenden besuchen, wo der größte
Verfall, die abscheulichste Sittenlosigkeit und die schänd-
lichsten Denkmale vom sittlichen Elend der Nation sicht-
bar werden. Und eine solche Gegend der Stadt heist in
Fauxbourg Montmartre, Rue de Porcherons.
In dieser Strasse wohnt fast niemand, als Cabaretiers,
Rotisseurs,
und Huren. Zu beiden Seiten sind
Wirthshäuser an Wirthshäuser, und, weil ich's nun
einmahl sehen wolte, so ging ich auch in alle auf der ei-
nen Seite, und durch alle auf der andern Seite wieder
zurück. Küche, Wirthsstube, Tanzboden, Hof, Gar-
ten, das ist unten alles en plein pied, ein einziges
Ganzes. Man muß gegen die Nacht kommen, wenn
man sehen will, wie's da zugeht, und besonders an Fest-
und Sonntagen, wo auch oben alle Stuben angefüllt
sind. Kurz, es ist die ärgste Sauerei, die man
sich nur denken kan. Spielleute sind beständig da, und
in jedem Hause eine Menge Huren, die zum Theil noch
gut genug aussehen, und sich putzen, daß man sie für die Vor-
nehmsten ansehen sollte, aber alle Schamhaftigkeit, alle
Reste der weiblichen Sittsamkeit ausgezogen haben. Man
kan leicht denken, daß sich alle Abend Soldaten, Bedien-
te, Handwerksbursche, Reisende, Fremde, andre schlech-

te,
*) Einige nennen das Kabinet, le Cabinet du Duc
d'Orleans.
Eigentlich hat er Kameen gesammelt,
die gar schön sind.

Name des Kuͤnſtlers und das Wappen der Ducheſſe
iſt auch darin. *)

Les Porcherons. Wenn man in Paris alles,
was erhaben, was gros, was lobenswuͤrdig iſt, ſieht;
ſo muß man auch die Gegenden beſuchen, wo der groͤßte
Verfall, die abſcheulichſte Sittenloſigkeit und die ſchaͤnd-
lichſten Denkmale vom ſittlichen Elend der Nation ſicht-
bar werden. Und eine ſolche Gegend der Stadt heiſt in
Fauxbourg Montmartre, Rue de Porcherons.
In dieſer Straſſe wohnt faſt niemand, als Cabaretiers,
Rotiſſeurs,
und Huren. Zu beiden Seiten ſind
Wirthshaͤuſer an Wirthshaͤuſer, und, weil ich’s nun
einmahl ſehen wolte, ſo ging ich auch in alle auf der ei-
nen Seite, und durch alle auf der andern Seite wieder
zuruͤck. Kuͤche, Wirthsſtube, Tanzboden, Hof, Gar-
ten, das iſt unten alles en plein pied, ein einziges
Ganzes. Man muß gegen die Nacht kommen, wenn
man ſehen will, wie’s da zugeht, und beſonders an Feſt-
und Sonntagen, wo auch oben alle Stuben angefuͤllt
ſind. Kurz, es iſt die aͤrgſte Sauerei, die man
ſich nur denken kan. Spielleute ſind beſtaͤndig da, und
in jedem Hauſe eine Menge Huren, die zum Theil noch
gut genug ausſehen, und ſich putzen, daß man ſie fuͤr die Vor-
nehmſten anſehen ſollte, aber alle Schamhaftigkeit, alle
Reſte der weiblichen Sittſamkeit ausgezogen haben. Man
kan leicht denken, daß ſich alle Abend Soldaten, Bedien-
te, Handwerksburſche, Reiſende, Fremde, andre ſchlech-

te,
*) Einige nennen das Kabinet, le Cabinet du Duc
d’Orleans.
Eigentlich hat er Kameen geſammelt,
die gar ſchoͤn ſind.
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[136/0160] Name des Kuͤnſtlers und das Wappen der Ducheſſe iſt auch darin. *) Les Porcherons. Wenn man in Paris alles, was erhaben, was gros, was lobenswuͤrdig iſt, ſieht; ſo muß man auch die Gegenden beſuchen, wo der groͤßte Verfall, die abſcheulichſte Sittenloſigkeit und die ſchaͤnd- lichſten Denkmale vom ſittlichen Elend der Nation ſicht- bar werden. Und eine ſolche Gegend der Stadt heiſt in Fauxbourg Montmartre, Rue de Porcherons. In dieſer Straſſe wohnt faſt niemand, als Cabaretiers, Rotiſſeurs, und Huren. Zu beiden Seiten ſind Wirthshaͤuſer an Wirthshaͤuſer, und, weil ich’s nun einmahl ſehen wolte, ſo ging ich auch in alle auf der ei- nen Seite, und durch alle auf der andern Seite wieder zuruͤck. Kuͤche, Wirthsſtube, Tanzboden, Hof, Gar- ten, das iſt unten alles en plein pied, ein einziges Ganzes. Man muß gegen die Nacht kommen, wenn man ſehen will, wie’s da zugeht, und beſonders an Feſt- und Sonntagen, wo auch oben alle Stuben angefuͤllt ſind. Kurz, es iſt die aͤrgſte Sauerei, die man ſich nur denken kan. Spielleute ſind beſtaͤndig da, und in jedem Hauſe eine Menge Huren, die zum Theil noch gut genug ausſehen, und ſich putzen, daß man ſie fuͤr die Vor- nehmſten anſehen ſollte, aber alle Schamhaftigkeit, alle Reſte der weiblichen Sittſamkeit ausgezogen haben. Man kan leicht denken, daß ſich alle Abend Soldaten, Bedien- te, Handwerksburſche, Reiſende, Fremde, andre ſchlech- te, *) Einige nennen das Kabinet, le Cabinet du Duc d’Orleans. Eigentlich hat er Kameen geſammelt, die gar ſchoͤn ſind.

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/160>, abgerufen am 25.11.2024.