vielen, fast bis an die Drahtgitter heranreichenden Stäben versehene Axe. Der ganze Apparat wird mit den Lumpen gefüllt und darauf in ziemlich schnelle Rotation versetzt. Die Geschwindigkeit, mit der die Umdrehungen der Axe erfolgen, muß aber eine größere, wie die der Trommel sein. Dadurch erfolgt eine außerordentlich gründliche Durch- schüttelung und Reinigung der Lumpen.
Es ist nunmehr aber ein Waschen der Lumpen nicht zu umgehen, und zwar genügt nur in den seltensten Fällen, wenn nämlich die Hadern besonders sauber sind, ein mehrstündiges Auswaschen mit kaltem Wasser. Im allgemeinen ist aus mehreren Gründen ein vollkommenes Kochen der Lumpen in einer alkalischen Flüssigkeit, z. B. Soda oder Ätzkalk erforderlich. Erstens läßt sich nämlich nicht aller Schmutz mechanisch entfernen, besonders werden aber die fettigen Bestandteile erst durch heiße Alkalien aufgelöst, sodaß sie dann durch weiteres Waschen aus den Hadern herausgebracht werden können. Ferner wird die sogenannte Intercellularsubstanz, durch welche die Pflanzenfasern der Hadern zusammengehalten werden, durch die alka- lische Flüssigkeit stark angegriffen, resp. zerstört, wodurch eine für den weiteren Papierfabrikationsprozeß sehr erwünschte Auflockerung und Erweichung der Lumpen eintritt. Schließlich werden die zum Färben angewandten mineralischen oder vegetabilischen Farbstoffe durch ein solches Kochen beseitigt. Dies ist sehr vorteilhaft, da das Papier meist eine gleichmäßige weiße oder gelbe Färbung erhalten soll, zu welchem Zwecke allerdings später noch ein besonderes Bleichverfahren angewendet wird. Der Apparat zum Kochen, der "Hadernkocher", besteht gewöhnlich aus einem in sich ge- schlossenen cylinder- oder trommelartigen Kessel, in den soviel Lumpen mit einem nach den Umständen verschieden bemessenen Zusatz von Alkalien eingefüllt werden, daß nur etwa ein Viertel des verfügbaren Raumes frei bleibt. Der Kessel wird dann in langsame Rotation versetzt, während gleichzeitig heißer Dampf unter einem Druck von 3 bis 6 Atmosphären in ihn hineingeleitet wird. Es entsteht dadurch im Innern des Kessels eine Temperatur, die über die gewöhnliche Siedehitze der alkalischen Flüssigkeit hinausgeht, sodaß die Hadern völlig durchgekocht werden.
Jetzt sind die vorbereitenden Arbeiten soweit beendet, daß man an die Hauptaufgabe der Fabrikation, die Zerkleinerung der Lumpen- masse herangehen kann. In früheren Zeiten geschah dies mittels des "Hammergeschirrs", eines Stampfwerkes, das die mit Wasser vermischten Hadern durch eisenbeschlagene Hämmer unaufhörlich bearbeitete, wo- bei sich die Lumpen allmählich in ihre Fasern auflösten. Wie oben erwähnt trat an die Stelle der Stampfwerke etwa seit Mitte vorigen Jahrhunderts der weit leistungsfähigere "Holländer", der auf dem Prinzip des Zerschneidens der Lumpen beruht. Es läßt sich allerdings nicht leugnen, daß die ältere Methode langfaserigeres und daher halt-
Die Erfindung des Papiers.
vielen, faſt bis an die Drahtgitter heranreichenden Stäben verſehene Axe. Der ganze Apparat wird mit den Lumpen gefüllt und darauf in ziemlich ſchnelle Rotation verſetzt. Die Geſchwindigkeit, mit der die Umdrehungen der Axe erfolgen, muß aber eine größere, wie die der Trommel ſein. Dadurch erfolgt eine außerordentlich gründliche Durch- ſchüttelung und Reinigung der Lumpen.
Es iſt nunmehr aber ein Waſchen der Lumpen nicht zu umgehen, und zwar genügt nur in den ſeltenſten Fällen, wenn nämlich die Hadern beſonders ſauber ſind, ein mehrſtündiges Auswaſchen mit kaltem Waſſer. Im allgemeinen iſt aus mehreren Gründen ein vollkommenes Kochen der Lumpen in einer alkaliſchen Flüſſigkeit, z. B. Soda oder Ätzkalk erforderlich. Erſtens läßt ſich nämlich nicht aller Schmutz mechaniſch entfernen, beſonders werden aber die fettigen Beſtandteile erſt durch heiße Alkalien aufgelöſt, ſodaß ſie dann durch weiteres Waſchen aus den Hadern herausgebracht werden können. Ferner wird die ſogenannte Intercellularſubſtanz, durch welche die Pflanzenfaſern der Hadern zuſammengehalten werden, durch die alka- liſche Flüſſigkeit ſtark angegriffen, reſp. zerſtört, wodurch eine für den weiteren Papierfabrikationsprozeß ſehr erwünſchte Auflockerung und Erweichung der Lumpen eintritt. Schließlich werden die zum Färben angewandten mineraliſchen oder vegetabiliſchen Farbſtoffe durch ein ſolches Kochen beſeitigt. Dies iſt ſehr vorteilhaft, da das Papier meiſt eine gleichmäßige weiße oder gelbe Färbung erhalten ſoll, zu welchem Zwecke allerdings ſpäter noch ein beſonderes Bleichverfahren angewendet wird. Der Apparat zum Kochen, der „Hadernkocher“, beſteht gewöhnlich aus einem in ſich ge- ſchloſſenen cylinder- oder trommelartigen Keſſel, in den ſoviel Lumpen mit einem nach den Umſtänden verſchieden bemeſſenen Zuſatz von Alkalien eingefüllt werden, daß nur etwa ein Viertel des verfügbaren Raumes frei bleibt. Der Keſſel wird dann in langſame Rotation verſetzt, während gleichzeitig heißer Dampf unter einem Druck von 3 bis 6 Atmoſphären in ihn hineingeleitet wird. Es entſteht dadurch im Innern des Keſſels eine Temperatur, die über die gewöhnliche Siedehitze der alkaliſchen Flüſſigkeit hinausgeht, ſodaß die Hadern völlig durchgekocht werden.
Jetzt ſind die vorbereitenden Arbeiten ſoweit beendet, daß man an die Hauptaufgabe der Fabrikation, die Zerkleinerung der Lumpen- maſſe herangehen kann. In früheren Zeiten geſchah dies mittels des „Hammergeſchirrs“, eines Stampfwerkes, das die mit Waſſer vermiſchten Hadern durch eiſenbeſchlagene Hämmer unaufhörlich bearbeitete, wo- bei ſich die Lumpen allmählich in ihre Faſern auflöſten. Wie oben erwähnt trat an die Stelle der Stampfwerke etwa ſeit Mitte vorigen Jahrhunderts der weit leiſtungsfähigere „Holländer“, der auf dem Prinzip des Zerſchneidens der Lumpen beruht. Es läßt ſich allerdings nicht leugnen, daß die ältere Methode langfaſerigeres und daher halt-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0943"n="925"/><fwplace="top"type="header">Die Erfindung des Papiers.</fw><lb/>
vielen, faſt bis an die Drahtgitter heranreichenden Stäben verſehene<lb/>
Axe. Der ganze Apparat wird mit den Lumpen gefüllt und darauf<lb/>
in ziemlich ſchnelle Rotation verſetzt. Die Geſchwindigkeit, mit der die<lb/>
Umdrehungen der Axe erfolgen, muß aber eine größere, wie die der<lb/>
Trommel ſein. Dadurch erfolgt eine außerordentlich gründliche Durch-<lb/>ſchüttelung und Reinigung der Lumpen.</p><lb/><p>Es iſt nunmehr aber ein Waſchen der Lumpen nicht zu umgehen,<lb/>
und zwar genügt nur in den ſeltenſten Fällen, wenn nämlich die<lb/>
Hadern beſonders ſauber ſind, ein mehrſtündiges Auswaſchen mit<lb/>
kaltem Waſſer. Im allgemeinen iſt aus mehreren Gründen ein<lb/>
vollkommenes Kochen der Lumpen in einer alkaliſchen Flüſſigkeit, z. B.<lb/>
Soda oder Ätzkalk erforderlich. Erſtens läßt ſich nämlich nicht<lb/>
aller Schmutz mechaniſch entfernen, beſonders werden aber die fettigen<lb/>
Beſtandteile erſt durch heiße Alkalien aufgelöſt, ſodaß ſie dann<lb/>
durch weiteres Waſchen aus den Hadern herausgebracht werden können.<lb/>
Ferner wird die ſogenannte Intercellularſubſtanz, durch welche die<lb/>
Pflanzenfaſern der Hadern zuſammengehalten werden, durch die alka-<lb/>
liſche Flüſſigkeit ſtark angegriffen, reſp. zerſtört, wodurch eine für den<lb/>
weiteren Papierfabrikationsprozeß ſehr erwünſchte Auflockerung und<lb/>
Erweichung der Lumpen eintritt. Schließlich werden die zum<lb/>
Färben angewandten mineraliſchen oder vegetabiliſchen Farbſtoffe<lb/>
durch ein ſolches Kochen beſeitigt. Dies iſt ſehr vorteilhaft,<lb/>
da das Papier meiſt eine gleichmäßige weiße oder gelbe Färbung<lb/>
erhalten ſoll, zu welchem Zwecke allerdings ſpäter noch ein<lb/>
beſonderes Bleichverfahren angewendet wird. Der Apparat zum<lb/>
Kochen, der „Hadernkocher“, beſteht gewöhnlich aus einem in ſich ge-<lb/>ſchloſſenen cylinder- oder trommelartigen Keſſel, in den ſoviel Lumpen<lb/>
mit einem nach den Umſtänden verſchieden bemeſſenen Zuſatz von<lb/>
Alkalien eingefüllt werden, daß nur etwa ein Viertel des verfügbaren<lb/>
Raumes frei bleibt. Der Keſſel wird dann in langſame Rotation<lb/>
verſetzt, während gleichzeitig heißer Dampf unter einem Druck von<lb/>
3 bis 6 Atmoſphären in ihn hineingeleitet wird. Es entſteht dadurch<lb/>
im Innern des Keſſels eine Temperatur, die über die gewöhnliche<lb/>
Siedehitze der alkaliſchen Flüſſigkeit hinausgeht, ſodaß die Hadern völlig<lb/>
durchgekocht werden.</p><lb/><p>Jetzt ſind die vorbereitenden Arbeiten ſoweit beendet, daß man<lb/>
an die Hauptaufgabe der Fabrikation, die Zerkleinerung der Lumpen-<lb/>
maſſe herangehen kann. In früheren Zeiten geſchah dies mittels des<lb/>„Hammergeſchirrs“, eines Stampfwerkes, das die mit Waſſer vermiſchten<lb/>
Hadern durch eiſenbeſchlagene Hämmer unaufhörlich bearbeitete, wo-<lb/>
bei ſich die Lumpen allmählich in ihre Faſern auflöſten. Wie oben<lb/>
erwähnt trat an die Stelle der Stampfwerke etwa ſeit Mitte vorigen<lb/>
Jahrhunderts der weit leiſtungsfähigere „Holländer“, der auf dem<lb/>
Prinzip des Zerſchneidens der Lumpen beruht. Es läßt ſich allerdings<lb/>
nicht leugnen, daß die ältere Methode langfaſerigeres und daher halt-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[925/0943]
Die Erfindung des Papiers.
vielen, faſt bis an die Drahtgitter heranreichenden Stäben verſehene
Axe. Der ganze Apparat wird mit den Lumpen gefüllt und darauf
in ziemlich ſchnelle Rotation verſetzt. Die Geſchwindigkeit, mit der die
Umdrehungen der Axe erfolgen, muß aber eine größere, wie die der
Trommel ſein. Dadurch erfolgt eine außerordentlich gründliche Durch-
ſchüttelung und Reinigung der Lumpen.
Es iſt nunmehr aber ein Waſchen der Lumpen nicht zu umgehen,
und zwar genügt nur in den ſeltenſten Fällen, wenn nämlich die
Hadern beſonders ſauber ſind, ein mehrſtündiges Auswaſchen mit
kaltem Waſſer. Im allgemeinen iſt aus mehreren Gründen ein
vollkommenes Kochen der Lumpen in einer alkaliſchen Flüſſigkeit, z. B.
Soda oder Ätzkalk erforderlich. Erſtens läßt ſich nämlich nicht
aller Schmutz mechaniſch entfernen, beſonders werden aber die fettigen
Beſtandteile erſt durch heiße Alkalien aufgelöſt, ſodaß ſie dann
durch weiteres Waſchen aus den Hadern herausgebracht werden können.
Ferner wird die ſogenannte Intercellularſubſtanz, durch welche die
Pflanzenfaſern der Hadern zuſammengehalten werden, durch die alka-
liſche Flüſſigkeit ſtark angegriffen, reſp. zerſtört, wodurch eine für den
weiteren Papierfabrikationsprozeß ſehr erwünſchte Auflockerung und
Erweichung der Lumpen eintritt. Schließlich werden die zum
Färben angewandten mineraliſchen oder vegetabiliſchen Farbſtoffe
durch ein ſolches Kochen beſeitigt. Dies iſt ſehr vorteilhaft,
da das Papier meiſt eine gleichmäßige weiße oder gelbe Färbung
erhalten ſoll, zu welchem Zwecke allerdings ſpäter noch ein
beſonderes Bleichverfahren angewendet wird. Der Apparat zum
Kochen, der „Hadernkocher“, beſteht gewöhnlich aus einem in ſich ge-
ſchloſſenen cylinder- oder trommelartigen Keſſel, in den ſoviel Lumpen
mit einem nach den Umſtänden verſchieden bemeſſenen Zuſatz von
Alkalien eingefüllt werden, daß nur etwa ein Viertel des verfügbaren
Raumes frei bleibt. Der Keſſel wird dann in langſame Rotation
verſetzt, während gleichzeitig heißer Dampf unter einem Druck von
3 bis 6 Atmoſphären in ihn hineingeleitet wird. Es entſteht dadurch
im Innern des Keſſels eine Temperatur, die über die gewöhnliche
Siedehitze der alkaliſchen Flüſſigkeit hinausgeht, ſodaß die Hadern völlig
durchgekocht werden.
Jetzt ſind die vorbereitenden Arbeiten ſoweit beendet, daß man
an die Hauptaufgabe der Fabrikation, die Zerkleinerung der Lumpen-
maſſe herangehen kann. In früheren Zeiten geſchah dies mittels des
„Hammergeſchirrs“, eines Stampfwerkes, das die mit Waſſer vermiſchten
Hadern durch eiſenbeſchlagene Hämmer unaufhörlich bearbeitete, wo-
bei ſich die Lumpen allmählich in ihre Faſern auflöſten. Wie oben
erwähnt trat an die Stelle der Stampfwerke etwa ſeit Mitte vorigen
Jahrhunderts der weit leiſtungsfähigere „Holländer“, der auf dem
Prinzip des Zerſchneidens der Lumpen beruht. Es läßt ſich allerdings
nicht leugnen, daß die ältere Methode langfaſerigeres und daher halt-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 925. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/943>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.