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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Das Papier und die vervielfältigenden Künste.
natürlich mit der Einführung der Maschinenfabrikation ein. Als Er-
finder der noch heute gebräuchlichen, wenn auch mehrfach umgeänderten
Papiermaschine ist der Franzose Louis Roberts in Essonne zu nennen,
der im Jahre 1799 durch seine Maschine eine vorher von Leisten-
schneider in Poncey erfundene Cylindermaschine völlig verdrängte, die
eigentlich nur zur Pappenfabrikation geeignet und auch dazu in
Gebrauch geblieben ist. Die wesentlichsten Verbesserungen an der
Papiermaschine machten Leger-Didot im Jahre 1819, Fourdrinier im
Jahre 1830 und Donkin im Jahre 1835. Als bedeutsame Erfindung
ist auch diejenige der Büttenleimung von den Gebrüdern Illig
in Erbach im Jahre 1806 zu bezeichnen, indem sie an Stelle der zeit-
raubenden Leimung der einzelnen Papierbogen ein Verfahren setzten,
bei dem ein geeigneter Leimzusatz zu der noch unfertigen Papiermasse
gefügt wurde. Im übrigen sind im 19. Jahrhundert verschiedene
Stoffe gefunden worden, die einen Ersatz für die kaum mehr den
Papierbedarf deckenden Baumwollen- und Leinenlumpen bieten sollen
Wir wollen den geschliffenen Holzstoff von Keller (1847), die chemisch
gewonnenen Cellulosestoffe und die Verwendung von Stroh zu dem
gleichen Zwecke erwähnen. -- Gehen wir zur Papierfabrikation
selbst über und folgen der Umwandlung der Hadern zum feinsten
Schreibpapier von Schritt zu Schritt. Zunächst handelt es sich
darum, die Hadern, die in den mannigfaltigsten Beziehungen, wie
Farbe, Stoff, Feinheit u. s. w. Verschiedenheiten zeigen, zu sortieren.
Es giebt Fabriken, die mehr als 30 Sorten unterscheiden, wobei natür-
lich die Absicht der Herstellung so viel verschiedener Papiersorten maß-
gebend ist. So werden z. B. zur Anfertigung von Seiden-, Cigaretten-
und Banknotenpapier nur die kräftigsten Leinen- oder Hanfhadern, die
nicht durch Bleichen angegriffen sind, verwendet, dagegen für Grob-
papier und Pappe Holzzeug, zerkleinertes Stroh, Kartoffelkraut, Moos,
Föhrennadeln, Weinreben und ähnliches. Nächst oder gleichzeitig mit
dem Sortieren wird das Schneiden der Lumpen vorgenommen, wobei
es einerseits darauf ankommt, alles Unbrauchbare, wie Knopflöcher,
Nähte, Knöpfe u. dergl. wegzuschneiden, andererseits darauf, das ganze
Material in Stücke von ziemlich gleicher Größe, 3 bis 5 Centimeter
lang, zu zerkleinern. Das erstere geschieht meistens mit der Hand,
das letztere gewöhnlich mit einem mechanischen Messerapparat,
dem "Lumpenschneider". Sehr notwendig ist außerdem das Aus-
stauben, das manchmal schon teilweise ganz am Anfang der Be-
arbeitung, meist aber und vollständig nach dem Schneiden erfolgt. Es
geschieht dies erstens im "Lumpenwolf", in dem die Lumpen von einer
mit eisernen Pflöcken versehenen Rolle gegen eiserne Roste geschleudert
und dadurch aufgelockert werden, und dann in der "Siebmaschine",
in der der vorher aufgelockerte Staub ganz entfernt wird. Die Sieb-
maschine besteht aus einer großen sechs- oder achtseitigen Trommel,
deren Wände Drahtgitter bilden. Im Innern befindet sich eine mit

Das Papier und die vervielfältigenden Künſte.
natürlich mit der Einführung der Maſchinenfabrikation ein. Als Er-
finder der noch heute gebräuchlichen, wenn auch mehrfach umgeänderten
Papiermaſchine iſt der Franzoſe Louis Roberts in Eſſonne zu nennen,
der im Jahre 1799 durch ſeine Maſchine eine vorher von Leiſten-
ſchneider in Poncey erfundene Cylindermaſchine völlig verdrängte, die
eigentlich nur zur Pappenfabrikation geeignet und auch dazu in
Gebrauch geblieben iſt. Die weſentlichſten Verbeſſerungen an der
Papiermaſchine machten Léger-Didot im Jahre 1819, Fourdrinier im
Jahre 1830 und Donkin im Jahre 1835. Als bedeutſame Erfindung
iſt auch diejenige der Büttenleimung von den Gebrüdern Illig
in Erbach im Jahre 1806 zu bezeichnen, indem ſie an Stelle der zeit-
raubenden Leimung der einzelnen Papierbogen ein Verfahren ſetzten,
bei dem ein geeigneter Leimzuſatz zu der noch unfertigen Papiermaſſe
gefügt wurde. Im übrigen ſind im 19. Jahrhundert verſchiedene
Stoffe gefunden worden, die einen Erſatz für die kaum mehr den
Papierbedarf deckenden Baumwollen- und Leinenlumpen bieten ſollen
Wir wollen den geſchliffenen Holzſtoff von Keller (1847), die chemiſch
gewonnenen Celluloſeſtoffe und die Verwendung von Stroh zu dem
gleichen Zwecke erwähnen. — Gehen wir zur Papierfabrikation
ſelbſt über und folgen der Umwandlung der Hadern zum feinſten
Schreibpapier von Schritt zu Schritt. Zunächſt handelt es ſich
darum, die Hadern, die in den mannigfaltigſten Beziehungen, wie
Farbe, Stoff, Feinheit u. ſ. w. Verſchiedenheiten zeigen, zu ſortieren.
Es giebt Fabriken, die mehr als 30 Sorten unterſcheiden, wobei natür-
lich die Abſicht der Herſtellung ſo viel verſchiedener Papierſorten maß-
gebend iſt. So werden z. B. zur Anfertigung von Seiden-, Cigaretten-
und Banknotenpapier nur die kräftigſten Leinen- oder Hanfhadern, die
nicht durch Bleichen angegriffen ſind, verwendet, dagegen für Grob-
papier und Pappe Holzzeug, zerkleinertes Stroh, Kartoffelkraut, Moos,
Föhrennadeln, Weinreben und ähnliches. Nächſt oder gleichzeitig mit
dem Sortieren wird das Schneiden der Lumpen vorgenommen, wobei
es einerſeits darauf ankommt, alles Unbrauchbare, wie Knopflöcher,
Nähte, Knöpfe u. dergl. wegzuſchneiden, andererſeits darauf, das ganze
Material in Stücke von ziemlich gleicher Größe, 3 bis 5 Centimeter
lang, zu zerkleinern. Das erſtere geſchieht meiſtens mit der Hand,
das letztere gewöhnlich mit einem mechaniſchen Meſſerapparat,
dem „Lumpenſchneider“. Sehr notwendig iſt außerdem das Aus-
ſtauben, das manchmal ſchon teilweiſe ganz am Anfang der Be-
arbeitung, meiſt aber und vollſtändig nach dem Schneiden erfolgt. Es
geſchieht dies erſtens im „Lumpenwolf“, in dem die Lumpen von einer
mit eiſernen Pflöcken verſehenen Rolle gegen eiſerne Roſte geſchleudert
und dadurch aufgelockert werden, und dann in der „Siebmaſchine“,
in der der vorher aufgelockerte Staub ganz entfernt wird. Die Sieb-
maſchine beſteht aus einer großen ſechs- oder achtſeitigen Trommel,
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[924/0942] Das Papier und die vervielfältigenden Künſte. natürlich mit der Einführung der Maſchinenfabrikation ein. Als Er- finder der noch heute gebräuchlichen, wenn auch mehrfach umgeänderten Papiermaſchine iſt der Franzoſe Louis Roberts in Eſſonne zu nennen, der im Jahre 1799 durch ſeine Maſchine eine vorher von Leiſten- ſchneider in Poncey erfundene Cylindermaſchine völlig verdrängte, die eigentlich nur zur Pappenfabrikation geeignet und auch dazu in Gebrauch geblieben iſt. Die weſentlichſten Verbeſſerungen an der Papiermaſchine machten Léger-Didot im Jahre 1819, Fourdrinier im Jahre 1830 und Donkin im Jahre 1835. Als bedeutſame Erfindung iſt auch diejenige der Büttenleimung von den Gebrüdern Illig in Erbach im Jahre 1806 zu bezeichnen, indem ſie an Stelle der zeit- raubenden Leimung der einzelnen Papierbogen ein Verfahren ſetzten, bei dem ein geeigneter Leimzuſatz zu der noch unfertigen Papiermaſſe gefügt wurde. Im übrigen ſind im 19. Jahrhundert verſchiedene Stoffe gefunden worden, die einen Erſatz für die kaum mehr den Papierbedarf deckenden Baumwollen- und Leinenlumpen bieten ſollen Wir wollen den geſchliffenen Holzſtoff von Keller (1847), die chemiſch gewonnenen Celluloſeſtoffe und die Verwendung von Stroh zu dem gleichen Zwecke erwähnen. — Gehen wir zur Papierfabrikation ſelbſt über und folgen der Umwandlung der Hadern zum feinſten Schreibpapier von Schritt zu Schritt. Zunächſt handelt es ſich darum, die Hadern, die in den mannigfaltigſten Beziehungen, wie Farbe, Stoff, Feinheit u. ſ. w. Verſchiedenheiten zeigen, zu ſortieren. Es giebt Fabriken, die mehr als 30 Sorten unterſcheiden, wobei natür- lich die Abſicht der Herſtellung ſo viel verſchiedener Papierſorten maß- gebend iſt. So werden z. B. zur Anfertigung von Seiden-, Cigaretten- und Banknotenpapier nur die kräftigſten Leinen- oder Hanfhadern, die nicht durch Bleichen angegriffen ſind, verwendet, dagegen für Grob- papier und Pappe Holzzeug, zerkleinertes Stroh, Kartoffelkraut, Moos, Föhrennadeln, Weinreben und ähnliches. Nächſt oder gleichzeitig mit dem Sortieren wird das Schneiden der Lumpen vorgenommen, wobei es einerſeits darauf ankommt, alles Unbrauchbare, wie Knopflöcher, Nähte, Knöpfe u. dergl. wegzuſchneiden, andererſeits darauf, das ganze Material in Stücke von ziemlich gleicher Größe, 3 bis 5 Centimeter lang, zu zerkleinern. Das erſtere geſchieht meiſtens mit der Hand, das letztere gewöhnlich mit einem mechaniſchen Meſſerapparat, dem „Lumpenſchneider“. Sehr notwendig iſt außerdem das Aus- ſtauben, das manchmal ſchon teilweiſe ganz am Anfang der Be- arbeitung, meiſt aber und vollſtändig nach dem Schneiden erfolgt. Es geſchieht dies erſtens im „Lumpenwolf“, in dem die Lumpen von einer mit eiſernen Pflöcken verſehenen Rolle gegen eiſerne Roſte geſchleudert und dadurch aufgelockert werden, und dann in der „Siebmaſchine“, in der der vorher aufgelockerte Staub ganz entfernt wird. Die Sieb- maſchine beſteht aus einer großen ſechs- oder achtſeitigen Trommel, deren Wände Drahtgitter bilden. Im Innern befindet ſich eine mit

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 924. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/942>, abgerufen am 29.07.2024.