zwei Menschenaltern durch Fraunhofer zu so ungeahnter Blüte ge- langten. Das Streben wird vor allem immer weiter dahin gerichtet sein müssen, die Reste von farbigen Rändern, welche weder Theorie noch Praxis völlig zu entfernen fähig sind, soweit einzuschränken, daß sie der Deutlichkeit der Bilder möglichst wenig Eintrag thun.
Seit jener Zeit ist die Refraktorentechnik rapid vorangeschritten. Bereits 1823 verließ Fraunhofers Werkstatt das Dorpater Glas von 24 cm, welches seinen allerbesten spiegelnden Vorgängern zur Seite gestellt werden muß: kaum einer oder zwei der Herschelschen Spiegel haben jemals größere Kraft gehabt, während der neue Refraktor ihnen an Bequemlichkeit des Gebrauchs weit überlegen war. Aus der Münchener Werkstatt gingen ferner die in ihrer Zeit mächtigsten Fernröhre hervor: 1837 das Münchener Glas von 30 cm, 1839 das von 38 cm Durch- messer für die Harvard-Sternwarte zu Cambridge in Amerika, 1847 ein ebensolches für die Sternwarte zu Pulkowa, die bedeutendste Europas. Aber in die Fußstapfen der Münchener Meister trat bald eine ganze Reihe geschickter Optiker, deren Fernröhre seit Mitte des Jahrhunderts den Weg durch die Welt gemacht haben. Wir erwähnen die Deutschen Steinheil und Schröder, die Franzosen Cauchoix, Martin und die Ge- brüder Henry von der Pariser Sternwarte. Letztere stellten zuerst eines jener Fernröhre von 32 cm Öffnung zum Zwecke photographischer Aufnahmen am Himmel her, von denen heute fast zwanzig von ver- schiedenen Erbauern der Aufnahme der photographischen Himmels- karte dienen sollen, die durch internationales Zusammenwirken vieler Sternwarten zu Stande kommen wird. Ihre übrigen Werke sind viele schöne Spiegel und Linsen und vorzüglich die vollkommen ebenen Spiegel von beliebiger Größe, denen Loewys neues Fernrohr, das gebrochene Äquatoreal, seine schönen Erfolge verdankt. Der Engländer Cook vollendete 1863 das Instrument von 63 cm Durchmesser, das jetzt die Cambridger Universität besitzt. Sein Landsmann Grubb in Dublin hat gleichfalls viele Refraktoren gebaut, u. a. jenen von 70 cm Durchmesser in Wien. In Amerika endlich sind es Alvan Clarke & Sons in Boston, die heute als die bedeutendsten Glas- schleifer der Welt anzusehen sind. Der bedeutende Ruf dieses Hauses datiert von jenem Momente, da es dem ältesten Sohne seines Begründers, dem noch heute in der Werkstatt thätigen Alvan Clarke gelang, den Be- gleiter des Sirius zu entdecken, mit Hülfe des großen Refraktors, den er im Jahre 1862 für die Sternwarte der Missisippi-Universität zu Chicago in Arbeit genommen hatte, noch bevor derselbe vollendet war. Das Objektivglas dieses Fernrohrs hatte einen Durchmesser von 46 cm, übertraf also die größten Merzschen Gläser noch um 8 cm. Seit jener Zeit hat sich der Weltruf der Werkstatt stetig gehoben. Im Jahre 1873 verließ die Werkstatt eine Riesenlinse, welche bereits einen Durchmesser von 66 cm hatte, für die Marinesternwarte zu Washington, und mit ihrer Hülfe fand Asaph Hall vor 13 Jahren die treuen Gefährten des
Die optiſchen Inſtrumente.
zwei Menſchenaltern durch Fraunhofer zu ſo ungeahnter Blüte ge- langten. Das Streben wird vor allem immer weiter dahin gerichtet ſein müſſen, die Reſte von farbigen Rändern, welche weder Theorie noch Praxis völlig zu entfernen fähig ſind, ſoweit einzuſchränken, daß ſie der Deutlichkeit der Bilder möglichſt wenig Eintrag thun.
Seit jener Zeit iſt die Refraktorentechnik rapid vorangeſchritten. Bereits 1823 verließ Fraunhofers Werkſtatt das Dorpater Glas von 24 cm, welches ſeinen allerbeſten ſpiegelnden Vorgängern zur Seite geſtellt werden muß: kaum einer oder zwei der Herſchelſchen Spiegel haben jemals größere Kraft gehabt, während der neue Refraktor ihnen an Bequemlichkeit des Gebrauchs weit überlegen war. Aus der Münchener Werkſtatt gingen ferner die in ihrer Zeit mächtigſten Fernröhre hervor: 1837 das Münchener Glas von 30 cm, 1839 das von 38 cm Durch- meſſer für die Harvard-Sternwarte zu Cambridge in Amerika, 1847 ein ebenſolches für die Sternwarte zu Pulkowa, die bedeutendſte Europas. Aber in die Fußſtapfen der Münchener Meiſter trat bald eine ganze Reihe geſchickter Optiker, deren Fernröhre ſeit Mitte des Jahrhunderts den Weg durch die Welt gemacht haben. Wir erwähnen die Deutſchen Steinheil und Schröder, die Franzoſen Cauchoix, Martin und die Ge- brüder Henry von der Pariſer Sternwarte. Letztere ſtellten zuerſt eines jener Fernröhre von 32 cm Öffnung zum Zwecke photographiſcher Aufnahmen am Himmel her, von denen heute faſt zwanzig von ver- ſchiedenen Erbauern der Aufnahme der photographiſchen Himmels- karte dienen ſollen, die durch internationales Zuſammenwirken vieler Sternwarten zu Stande kommen wird. Ihre übrigen Werke ſind viele ſchöne Spiegel und Linſen und vorzüglich die vollkommen ebenen Spiegel von beliebiger Größe, denen Loewys neues Fernrohr, das gebrochene Äquatoreal, ſeine ſchönen Erfolge verdankt. Der Engländer Cook vollendete 1863 das Inſtrument von 63 cm Durchmeſſer, das jetzt die Cambridger Univerſität beſitzt. Sein Landsmann Grubb in Dublin hat gleichfalls viele Refraktoren gebaut, u. a. jenen von 70 cm Durchmeſſer in Wien. In Amerika endlich ſind es Alvan Clarke & Sons in Boſton, die heute als die bedeutendſten Glas- ſchleifer der Welt anzuſehen ſind. Der bedeutende Ruf dieſes Hauſes datiert von jenem Momente, da es dem älteſten Sohne ſeines Begründers, dem noch heute in der Werkſtatt thätigen Alvan Clarke gelang, den Be- gleiter des Sirius zu entdecken, mit Hülfe des großen Refraktors, den er im Jahre 1862 für die Sternwarte der Miſſiſippi-Univerſität zu Chicago in Arbeit genommen hatte, noch bevor derſelbe vollendet war. Das Objektivglas dieſes Fernrohrs hatte einen Durchmeſſer von 46 cm, übertraf alſo die größten Merzſchen Gläſer noch um 8 cm. Seit jener Zeit hat ſich der Weltruf der Werkſtatt ſtetig gehoben. Im Jahre 1873 verließ die Werkſtatt eine Rieſenlinſe, welche bereits einen Durchmeſſer von 66 cm hatte, für die Marineſternwarte zu Waſhington, und mit ihrer Hülfe fand Aſaph Hall vor 13 Jahren die treuen Gefährten des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0932"n="914"/><fwplace="top"type="header">Die optiſchen Inſtrumente.</fw><lb/>
zwei Menſchenaltern durch Fraunhofer zu ſo ungeahnter Blüte ge-<lb/>
langten. Das Streben wird vor allem immer weiter dahin gerichtet<lb/>ſein müſſen, die Reſte von farbigen Rändern, welche weder Theorie<lb/>
noch Praxis völlig zu entfernen fähig ſind, ſoweit einzuſchränken, daß<lb/>ſie der Deutlichkeit der Bilder möglichſt wenig Eintrag thun.</p><lb/><p>Seit jener Zeit iſt die Refraktorentechnik rapid vorangeſchritten.<lb/>
Bereits 1823 verließ Fraunhofers Werkſtatt das Dorpater Glas von<lb/>
24 <hirendition="#aq">cm</hi>, welches ſeinen allerbeſten ſpiegelnden Vorgängern zur Seite<lb/>
geſtellt werden muß: kaum einer oder zwei der Herſchelſchen Spiegel<lb/>
haben jemals größere Kraft gehabt, während der neue Refraktor ihnen an<lb/>
Bequemlichkeit des Gebrauchs weit überlegen war. Aus der Münchener<lb/>
Werkſtatt gingen ferner die in ihrer Zeit mächtigſten Fernröhre hervor:<lb/>
1837 das Münchener Glas von 30 <hirendition="#aq">cm</hi>, 1839 das von 38 <hirendition="#aq">cm</hi> Durch-<lb/>
meſſer für die Harvard-Sternwarte zu Cambridge in Amerika, 1847 ein<lb/>
ebenſolches für die Sternwarte zu Pulkowa, die bedeutendſte Europas.<lb/>
Aber in die Fußſtapfen der Münchener Meiſter trat bald eine ganze<lb/>
Reihe geſchickter Optiker, deren Fernröhre ſeit Mitte des Jahrhunderts<lb/>
den Weg durch die Welt gemacht haben. Wir erwähnen die Deutſchen<lb/>
Steinheil und Schröder, die Franzoſen Cauchoix, Martin und die Ge-<lb/>
brüder Henry von der Pariſer Sternwarte. Letztere ſtellten zuerſt eines<lb/>
jener Fernröhre von 32 <hirendition="#aq">cm</hi> Öffnung zum Zwecke photographiſcher<lb/>
Aufnahmen am Himmel her, von denen heute faſt zwanzig von ver-<lb/>ſchiedenen Erbauern der Aufnahme der photographiſchen Himmels-<lb/>
karte dienen ſollen, die durch internationales Zuſammenwirken vieler<lb/>
Sternwarten zu Stande kommen wird. Ihre übrigen Werke ſind viele<lb/>ſchöne Spiegel und Linſen und vorzüglich die vollkommen ebenen<lb/>
Spiegel von beliebiger Größe, denen Loewys neues Fernrohr, das<lb/>
gebrochene Äquatoreal, ſeine ſchönen Erfolge verdankt. Der Engländer<lb/>
Cook vollendete 1863 das Inſtrument von 63 <hirendition="#aq">cm</hi> Durchmeſſer,<lb/>
das jetzt die Cambridger Univerſität beſitzt. Sein Landsmann<lb/>
Grubb in Dublin hat gleichfalls viele Refraktoren gebaut, u. a. jenen<lb/>
von 70 <hirendition="#aq">cm</hi> Durchmeſſer in Wien. In Amerika endlich ſind es<lb/>
Alvan Clarke & Sons in Boſton, die heute als die bedeutendſten Glas-<lb/>ſchleifer der Welt anzuſehen ſind. Der bedeutende Ruf dieſes Hauſes<lb/>
datiert von jenem Momente, da es dem älteſten Sohne ſeines Begründers,<lb/>
dem noch heute in der Werkſtatt thätigen Alvan Clarke gelang, den Be-<lb/>
gleiter des Sirius zu entdecken, mit Hülfe des großen Refraktors, den er<lb/>
im Jahre 1862 für die Sternwarte der Miſſiſippi-Univerſität zu<lb/>
Chicago in Arbeit genommen hatte, noch bevor derſelbe vollendet war.<lb/>
Das Objektivglas dieſes Fernrohrs hatte einen Durchmeſſer von 46 <hirendition="#aq">cm</hi>,<lb/>
übertraf alſo die größten Merzſchen Gläſer noch um 8 <hirendition="#aq">cm</hi>. Seit jener<lb/>
Zeit hat ſich der Weltruf der Werkſtatt ſtetig gehoben. Im Jahre 1873<lb/>
verließ die Werkſtatt eine Rieſenlinſe, welche bereits einen Durchmeſſer<lb/>
von 66 <hirendition="#aq">cm</hi> hatte, für die Marineſternwarte zu Waſhington, und mit<lb/>
ihrer Hülfe fand Aſaph Hall vor 13 Jahren die treuen Gefährten des<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[914/0932]
Die optiſchen Inſtrumente.
zwei Menſchenaltern durch Fraunhofer zu ſo ungeahnter Blüte ge-
langten. Das Streben wird vor allem immer weiter dahin gerichtet
ſein müſſen, die Reſte von farbigen Rändern, welche weder Theorie
noch Praxis völlig zu entfernen fähig ſind, ſoweit einzuſchränken, daß
ſie der Deutlichkeit der Bilder möglichſt wenig Eintrag thun.
Seit jener Zeit iſt die Refraktorentechnik rapid vorangeſchritten.
Bereits 1823 verließ Fraunhofers Werkſtatt das Dorpater Glas von
24 cm, welches ſeinen allerbeſten ſpiegelnden Vorgängern zur Seite
geſtellt werden muß: kaum einer oder zwei der Herſchelſchen Spiegel
haben jemals größere Kraft gehabt, während der neue Refraktor ihnen an
Bequemlichkeit des Gebrauchs weit überlegen war. Aus der Münchener
Werkſtatt gingen ferner die in ihrer Zeit mächtigſten Fernröhre hervor:
1837 das Münchener Glas von 30 cm, 1839 das von 38 cm Durch-
meſſer für die Harvard-Sternwarte zu Cambridge in Amerika, 1847 ein
ebenſolches für die Sternwarte zu Pulkowa, die bedeutendſte Europas.
Aber in die Fußſtapfen der Münchener Meiſter trat bald eine ganze
Reihe geſchickter Optiker, deren Fernröhre ſeit Mitte des Jahrhunderts
den Weg durch die Welt gemacht haben. Wir erwähnen die Deutſchen
Steinheil und Schröder, die Franzoſen Cauchoix, Martin und die Ge-
brüder Henry von der Pariſer Sternwarte. Letztere ſtellten zuerſt eines
jener Fernröhre von 32 cm Öffnung zum Zwecke photographiſcher
Aufnahmen am Himmel her, von denen heute faſt zwanzig von ver-
ſchiedenen Erbauern der Aufnahme der photographiſchen Himmels-
karte dienen ſollen, die durch internationales Zuſammenwirken vieler
Sternwarten zu Stande kommen wird. Ihre übrigen Werke ſind viele
ſchöne Spiegel und Linſen und vorzüglich die vollkommen ebenen
Spiegel von beliebiger Größe, denen Loewys neues Fernrohr, das
gebrochene Äquatoreal, ſeine ſchönen Erfolge verdankt. Der Engländer
Cook vollendete 1863 das Inſtrument von 63 cm Durchmeſſer,
das jetzt die Cambridger Univerſität beſitzt. Sein Landsmann
Grubb in Dublin hat gleichfalls viele Refraktoren gebaut, u. a. jenen
von 70 cm Durchmeſſer in Wien. In Amerika endlich ſind es
Alvan Clarke & Sons in Boſton, die heute als die bedeutendſten Glas-
ſchleifer der Welt anzuſehen ſind. Der bedeutende Ruf dieſes Hauſes
datiert von jenem Momente, da es dem älteſten Sohne ſeines Begründers,
dem noch heute in der Werkſtatt thätigen Alvan Clarke gelang, den Be-
gleiter des Sirius zu entdecken, mit Hülfe des großen Refraktors, den er
im Jahre 1862 für die Sternwarte der Miſſiſippi-Univerſität zu
Chicago in Arbeit genommen hatte, noch bevor derſelbe vollendet war.
Das Objektivglas dieſes Fernrohrs hatte einen Durchmeſſer von 46 cm,
übertraf alſo die größten Merzſchen Gläſer noch um 8 cm. Seit jener
Zeit hat ſich der Weltruf der Werkſtatt ſtetig gehoben. Im Jahre 1873
verließ die Werkſtatt eine Rieſenlinſe, welche bereits einen Durchmeſſer
von 66 cm hatte, für die Marineſternwarte zu Waſhington, und mit
ihrer Hülfe fand Aſaph Hall vor 13 Jahren die treuen Gefährten des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 914. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/932>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.