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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Thonwaren.
3. Die Thonwaren.

a) Die Thonwarenfabrikation im allgemeinen.

Wie frühe in dem Menschen der Wunsch erwachte, sich Behälter
für ihm dienende Stoffe anzuschaffen, das wissen wir nicht. Vorerst
mußte er wohl für die flüssigen, durch ihre Beweglichkeit sich uns so
leicht entziehenden Körper nach einer Berge suchen, und den Schädel
wie das Horn der erlegten Jagdbeute fand er für diesen Zweck passend.
Jenes Bedürfnis rief also die Anfänge der heute so entwickelten Horn-
industrie ins Dasein. Daß im Erdboden Stoffe seien, die in Formen
gebracht werden konnten und, getrocknet und gebrannt, ihre Gestalt
behielten, das war, wie die Geschichte der Backsteine uns lehrt, eine
Erfindung, die in den ersten historischen Bauten bereits verwertet ward.
Daß die Kunst, jene Stoffe zu Geschirren zu verarbeiten, sogar vor-
historische Existenz besaß, das lehren die nicht unbedeutenden Reste von
Thongeräten, welche wir in den Pfahlbauten finden. In diesen An-
fängen der keramischen Kunst sind auch die ersten Elemente der Orna-
mentik verwertet. Das Geschirr ward hier noch mit bloßer Hand
geformt, es zeigt sich zuerst als durchaus unregelmäßig in der Dicke
der Böden und Wände; aber gebrannt ist es in einer selbst strengere
Forderungen befriedigenden Weise. Die nächste Erfindung auf diesem
Gebiete, die Töpferscheibe, war bereits um 1900 v. Chr. in Ägypten
bekannt, denn auf dortigen Wandgemälden erblicken wir ihre An-
wendung. Von dort ist sie in Griechenland eingeführt worden, wo
der göttliche Sänger Homer ihre Drehung mit dem Rundtanze verglich.
Sie hat ihr Aussehen -- so weit nicht Maschinenkraft die menschliche
ersetzte -- inzwischen nicht wesentlich geändert. Die vertikale Welle
eines wagerechten Schwungrades trägt an ihrem oberen Ende eine
Platte. Der Arbeiter, welcher vor dem Apparate sitzt, kann durch eine
Stange, den Fuß oder mit Hülfe einer Übertragung das Rad in
Schwung versetzen. Zugleich setzt er die Masse, welche geformt werden
soll, auf die Platte. Derselben muß durch Bearbeiten mittels der
Hände während der Drehung die gewünschte Gestalt gegeben werden.
Sie wird vermöge der Schwungkraft zuerst zu einem stumpfen Kegel
und durch den Druck der beiden Daumen auf den Oberteil und
der übrigen Finger auf die Seiten zu einem ausgehöhlten Gegenstande
von beliebiger Form ausgearbeitet. Die Geschwindigkeit der Drehung
wird der Former natürlich so regulieren, daß keine Teile der Masse
davonfliegen, und daß sie genügt, um der Schwungkraft Einfluß auf
die Formgebung zu verschaffen. Auch die durch Maschinenkraft be-
wegten Drehscheiben sind in Bezug auf ihre Geschwindigkeit leicht zu
regulieren. Wenn es auf genaue Arbeit ankommt, so wird freilich die
Hand nicht alles thun können, man macht dann von Schablonen aus

Die Thonwaren.
3. Die Thonwaren.

a) Die Thonwarenfabrikation im allgemeinen.

Wie frühe in dem Menſchen der Wunſch erwachte, ſich Behälter
für ihm dienende Stoffe anzuſchaffen, das wiſſen wir nicht. Vorerſt
mußte er wohl für die flüſſigen, durch ihre Beweglichkeit ſich uns ſo
leicht entziehenden Körper nach einer Berge ſuchen, und den Schädel
wie das Horn der erlegten Jagdbeute fand er für dieſen Zweck paſſend.
Jenes Bedürfnis rief alſo die Anfänge der heute ſo entwickelten Horn-
induſtrie ins Daſein. Daß im Erdboden Stoffe ſeien, die in Formen
gebracht werden konnten und, getrocknet und gebrannt, ihre Geſtalt
behielten, das war, wie die Geſchichte der Backſteine uns lehrt, eine
Erfindung, die in den erſten hiſtoriſchen Bauten bereits verwertet ward.
Daß die Kunſt, jene Stoffe zu Geſchirren zu verarbeiten, ſogar vor-
hiſtoriſche Exiſtenz beſaß, das lehren die nicht unbedeutenden Reſte von
Thongeräten, welche wir in den Pfahlbauten finden. In dieſen An-
fängen der keramiſchen Kunſt ſind auch die erſten Elemente der Orna-
mentik verwertet. Das Geſchirr ward hier noch mit bloßer Hand
geformt, es zeigt ſich zuerſt als durchaus unregelmäßig in der Dicke
der Böden und Wände; aber gebrannt iſt es in einer ſelbſt ſtrengere
Forderungen befriedigenden Weiſe. Die nächſte Erfindung auf dieſem
Gebiete, die Töpferſcheibe, war bereits um 1900 v. Chr. in Ägypten
bekannt, denn auf dortigen Wandgemälden erblicken wir ihre An-
wendung. Von dort iſt ſie in Griechenland eingeführt worden, wo
der göttliche Sänger Homer ihre Drehung mit dem Rundtanze verglich.
Sie hat ihr Ausſehen — ſo weit nicht Maſchinenkraft die menſchliche
erſetzte — inzwiſchen nicht weſentlich geändert. Die vertikale Welle
eines wagerechten Schwungrades trägt an ihrem oberen Ende eine
Platte. Der Arbeiter, welcher vor dem Apparate ſitzt, kann durch eine
Stange, den Fuß oder mit Hülfe einer Übertragung das Rad in
Schwung verſetzen. Zugleich ſetzt er die Maſſe, welche geformt werden
ſoll, auf die Platte. Derſelben muß durch Bearbeiten mittels der
Hände während der Drehung die gewünſchte Geſtalt gegeben werden.
Sie wird vermöge der Schwungkraft zuerſt zu einem ſtumpfen Kegel
und durch den Druck der beiden Daumen auf den Oberteil und
der übrigen Finger auf die Seiten zu einem ausgehöhlten Gegenſtande
von beliebiger Form ausgearbeitet. Die Geſchwindigkeit der Drehung
wird der Former natürlich ſo regulieren, daß keine Teile der Maſſe
davonfliegen, und daß ſie genügt, um der Schwungkraft Einfluß auf
die Formgebung zu verſchaffen. Auch die durch Maſchinenkraft be-
wegten Drehſcheiben ſind in Bezug auf ihre Geſchwindigkeit leicht zu
regulieren. Wenn es auf genaue Arbeit ankommt, ſo wird freilich die
Hand nicht alles thun können, man macht dann von Schablonen aus

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[872/0890] Die Thonwaren. 3. Die Thonwaren. a) Die Thonwarenfabrikation im allgemeinen. Wie frühe in dem Menſchen der Wunſch erwachte, ſich Behälter für ihm dienende Stoffe anzuſchaffen, das wiſſen wir nicht. Vorerſt mußte er wohl für die flüſſigen, durch ihre Beweglichkeit ſich uns ſo leicht entziehenden Körper nach einer Berge ſuchen, und den Schädel wie das Horn der erlegten Jagdbeute fand er für dieſen Zweck paſſend. Jenes Bedürfnis rief alſo die Anfänge der heute ſo entwickelten Horn- induſtrie ins Daſein. Daß im Erdboden Stoffe ſeien, die in Formen gebracht werden konnten und, getrocknet und gebrannt, ihre Geſtalt behielten, das war, wie die Geſchichte der Backſteine uns lehrt, eine Erfindung, die in den erſten hiſtoriſchen Bauten bereits verwertet ward. Daß die Kunſt, jene Stoffe zu Geſchirren zu verarbeiten, ſogar vor- hiſtoriſche Exiſtenz beſaß, das lehren die nicht unbedeutenden Reſte von Thongeräten, welche wir in den Pfahlbauten finden. In dieſen An- fängen der keramiſchen Kunſt ſind auch die erſten Elemente der Orna- mentik verwertet. Das Geſchirr ward hier noch mit bloßer Hand geformt, es zeigt ſich zuerſt als durchaus unregelmäßig in der Dicke der Böden und Wände; aber gebrannt iſt es in einer ſelbſt ſtrengere Forderungen befriedigenden Weiſe. Die nächſte Erfindung auf dieſem Gebiete, die Töpferſcheibe, war bereits um 1900 v. Chr. in Ägypten bekannt, denn auf dortigen Wandgemälden erblicken wir ihre An- wendung. Von dort iſt ſie in Griechenland eingeführt worden, wo der göttliche Sänger Homer ihre Drehung mit dem Rundtanze verglich. Sie hat ihr Ausſehen — ſo weit nicht Maſchinenkraft die menſchliche erſetzte — inzwiſchen nicht weſentlich geändert. Die vertikale Welle eines wagerechten Schwungrades trägt an ihrem oberen Ende eine Platte. Der Arbeiter, welcher vor dem Apparate ſitzt, kann durch eine Stange, den Fuß oder mit Hülfe einer Übertragung das Rad in Schwung verſetzen. Zugleich ſetzt er die Maſſe, welche geformt werden ſoll, auf die Platte. Derſelben muß durch Bearbeiten mittels der Hände während der Drehung die gewünſchte Geſtalt gegeben werden. Sie wird vermöge der Schwungkraft zuerſt zu einem ſtumpfen Kegel und durch den Druck der beiden Daumen auf den Oberteil und der übrigen Finger auf die Seiten zu einem ausgehöhlten Gegenſtande von beliebiger Form ausgearbeitet. Die Geſchwindigkeit der Drehung wird der Former natürlich ſo regulieren, daß keine Teile der Maſſe davonfliegen, und daß ſie genügt, um der Schwungkraft Einfluß auf die Formgebung zu verſchaffen. Auch die durch Maſchinenkraft be- wegten Drehſcheiben ſind in Bezug auf ihre Geſchwindigkeit leicht zu regulieren. Wenn es auf genaue Arbeit ankommt, ſo wird freilich die Hand nicht alles thun können, man macht dann von Schablonen aus

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 872. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/890>, abgerufen am 24.11.2024.