Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Verkehr zu Wasser.
der Technik aufs beste ausgerüsteten Bergungsdampfern haben schon
so manches aufgefahrene oder gesunkene Schiff wieder flott gemacht
oder gehoben und in das Dock zur Wiederherstellung geschleppt. Daß
hierbei die Thätigkeit der Taucher, sowohl für die Erkundung der Lage
des Schiffes, als für die Verstopfung eines etwa vorhandeneu Lecks oder
gar die Bergung der wertvollsten Teile der Ladung, unter Umständen
ganz unentbehrlich und von höchstem Nutzen sein kann, liegt in der
Natur der Sache.

Das Taucherwesen selbst ist sehr alt, und schon aus der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts wird über Versuche mit einer Taucher-
glocke berichtet. Wenn man ein Trinkglas mit der Öffnung nach unten
in ein Gefäß mit Wasser stülpt, so wird die abgeschlossene Luft um
so mehr zusammengedrängt, je stärker der aufgewendete Druck ist,
je weiter man also das Glas hinabzudrücken versucht. Wird dieser
Versuch in hinreichend großem Maßstabe angestellt, so kann ein Mensch
innerhalb der abgeschlossenen Luftmenge so lange existieren, als der für
die Lebensthätigkeit notwendige Sauerstoff noch nicht verzehrt ist. Um
demnach ein längeres Verweilen in der Taucherglocke, die für die praktische
Anwendung mit mehreren Sitzbänken im Innern versehen wurde, zu
ermöglichen, muß also von außen stets frische Luft zugeführt und für
ein regelmäßiges Entweichen der ausgeatmeten verdorbenen Luft Sorge
getragen werden. Wegen des mit der Tiefe zunehmenden Luftverbrauchs
ist die Anwendung der Taucherglocke, welche jetzt meist die Form einer
abgestumpften Pyramide erhält, auf mäßige Tiefen, höchstens bis zu
50 m beschränkt; die Luft wird durch eine geeignet konstruierte Kom-
pressionspumpe erneuert und die Luftzufuhr selbst dem in der Arbeits-
tiefe herrschenden Wasserdruck entsprechend geregelt. Die außerordentlich
komplizierten Apparate, welche ein Hinabsteigen in noch größere Tiefen,
bis zu 250 m und darüber erlauben, können hier, wo lediglich die
nautischen Zwecken dienenden Vorrichtungen besprochen werden sollen,
keine Berücksichtigung finden; zu erwähnen sind nur noch die übrigens
ziemlich allgemein bekannten Taucherapparate, die im wesentlichen aus
einem wasserdichten Anzuge und einem fest mit demselben verbundenen
Metallhelm bestehen und bei geregelter Luftzufuhr in nicht zu beträcht-
lichen Tiefen ein mehrstündiges Arbeiten gestatten. Allerdings ist hier
eine außerordentlich intensive Thätigkeit der Lungen und eine kräftige
Körperbeschaffenheit Bedingung, um den kolossalen Wasserdruck einiger-
maßen erträglich und für den menschlichen Organismus unschädlich zu
machen. Der in Fig. 446 abgebildete Taucheranzug (oberer Teil) wird
ohne besondere Erläuterung verständlich sein; schwere Bleigewichte auf
Brust, Rücken und unter der Fußbekleidung sollen den Taucher am
Boden festhalten und innerhalb des beträchtlichen Wasserdruckes seine
Bewegungsfähigkeit herstellen helfen. Um übrigens den Taucher, der
nach oben hin durch Signalleine, Sprachrohr oder Telephon sich ver-
ständlich machen und Anordnungen erteilen kann, von dem regelrechten

Der Verkehr zu Waſſer.
der Technik aufs beſte ausgerüſteten Bergungsdampfern haben ſchon
ſo manches aufgefahrene oder geſunkene Schiff wieder flott gemacht
oder gehoben und in das Dock zur Wiederherſtellung geſchleppt. Daß
hierbei die Thätigkeit der Taucher, ſowohl für die Erkundung der Lage
des Schiffes, als für die Verſtopfung eines etwa vorhandeneu Lecks oder
gar die Bergung der wertvollſten Teile der Ladung, unter Umſtänden
ganz unentbehrlich und von höchſtem Nutzen ſein kann, liegt in der
Natur der Sache.

Das Taucherweſen ſelbſt iſt ſehr alt, und ſchon aus der erſten
Hälfte des 16. Jahrhunderts wird über Verſuche mit einer Taucher-
glocke berichtet. Wenn man ein Trinkglas mit der Öffnung nach unten
in ein Gefäß mit Waſſer ſtülpt, ſo wird die abgeſchloſſene Luft um
ſo mehr zuſammengedrängt, je ſtärker der aufgewendete Druck iſt,
je weiter man alſo das Glas hinabzudrücken verſucht. Wird dieſer
Verſuch in hinreichend großem Maßſtabe angeſtellt, ſo kann ein Menſch
innerhalb der abgeſchloſſenen Luftmenge ſo lange exiſtieren, als der für
die Lebensthätigkeit notwendige Sauerſtoff noch nicht verzehrt iſt. Um
demnach ein längeres Verweilen in der Taucherglocke, die für die praktiſche
Anwendung mit mehreren Sitzbänken im Innern verſehen wurde, zu
ermöglichen, muß alſo von außen ſtets friſche Luft zugeführt und für
ein regelmäßiges Entweichen der ausgeatmeten verdorbenen Luft Sorge
getragen werden. Wegen des mit der Tiefe zunehmenden Luftverbrauchs
iſt die Anwendung der Taucherglocke, welche jetzt meiſt die Form einer
abgeſtumpften Pyramide erhält, auf mäßige Tiefen, höchſtens bis zu
50 m beſchränkt; die Luft wird durch eine geeignet konſtruierte Kom-
preſſionspumpe erneuert und die Luftzufuhr ſelbſt dem in der Arbeits-
tiefe herrſchenden Waſſerdruck entſprechend geregelt. Die außerordentlich
komplizierten Apparate, welche ein Hinabſteigen in noch größere Tiefen,
bis zu 250 m und darüber erlauben, können hier, wo lediglich die
nautiſchen Zwecken dienenden Vorrichtungen beſprochen werden ſollen,
keine Berückſichtigung finden; zu erwähnen ſind nur noch die übrigens
ziemlich allgemein bekannten Taucherapparate, die im weſentlichen aus
einem waſſerdichten Anzuge und einem feſt mit demſelben verbundenen
Metallhelm beſtehen und bei geregelter Luftzufuhr in nicht zu beträcht-
lichen Tiefen ein mehrſtündiges Arbeiten geſtatten. Allerdings iſt hier
eine außerordentlich intenſive Thätigkeit der Lungen und eine kräftige
Körperbeſchaffenheit Bedingung, um den koloſſalen Waſſerdruck einiger-
maßen erträglich und für den menſchlichen Organismus unſchädlich zu
machen. Der in Fig. 446 abgebildete Taucheranzug (oberer Teil) wird
ohne beſondere Erläuterung verſtändlich ſein; ſchwere Bleigewichte auf
Bruſt, Rücken und unter der Fußbekleidung ſollen den Taucher am
Boden feſthalten und innerhalb des beträchtlichen Waſſerdruckes ſeine
Bewegungsfähigkeit herſtellen helfen. Um übrigens den Taucher, der
nach oben hin durch Signalleine, Sprachrohr oder Telephon ſich ver-
ſtändlich machen und Anordnungen erteilen kann, von dem regelrechten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0836" n="818"/><fw place="top" type="header">Der Verkehr zu Wa&#x017F;&#x017F;er.</fw><lb/>
der Technik aufs be&#x017F;te ausgerü&#x017F;teten Bergungsdampfern haben &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;o manches aufgefahrene oder ge&#x017F;unkene Schiff wieder flott gemacht<lb/>
oder gehoben und in das Dock zur Wiederher&#x017F;tellung ge&#x017F;chleppt. Daß<lb/>
hierbei die Thätigkeit der Taucher, &#x017F;owohl für die Erkundung der Lage<lb/>
des Schiffes, als für die Ver&#x017F;topfung eines etwa vorhandeneu Lecks oder<lb/>
gar die Bergung der wertvoll&#x017F;ten Teile der Ladung, unter Um&#x017F;tänden<lb/>
ganz unentbehrlich und von höch&#x017F;tem Nutzen &#x017F;ein kann, liegt in der<lb/>
Natur der Sache.</p><lb/>
              <p>Das Taucherwe&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t &#x017F;ehr alt, und &#x017F;chon aus der er&#x017F;ten<lb/>
Hälfte des 16. Jahrhunderts wird über Ver&#x017F;uche mit einer Taucher-<lb/>
glocke berichtet. Wenn man ein Trinkglas mit der Öffnung nach unten<lb/>
in ein Gefäß mit Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tülpt, &#x017F;o wird die abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Luft um<lb/>
&#x017F;o mehr zu&#x017F;ammengedrängt, je &#x017F;tärker der aufgewendete Druck i&#x017F;t,<lb/>
je weiter man al&#x017F;o das Glas hinabzudrücken ver&#x017F;ucht. Wird die&#x017F;er<lb/>
Ver&#x017F;uch in hinreichend großem Maß&#x017F;tabe ange&#x017F;tellt, &#x017F;o kann ein Men&#x017F;ch<lb/>
innerhalb der abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Luftmenge &#x017F;o lange exi&#x017F;tieren, als der für<lb/>
die Lebensthätigkeit notwendige Sauer&#x017F;toff noch nicht verzehrt i&#x017F;t. Um<lb/>
demnach ein längeres Verweilen in der Taucherglocke, die für die prakti&#x017F;che<lb/>
Anwendung mit mehreren Sitzbänken im Innern ver&#x017F;ehen wurde, zu<lb/>
ermöglichen, muß al&#x017F;o von außen &#x017F;tets fri&#x017F;che Luft zugeführt und für<lb/>
ein regelmäßiges Entweichen der ausgeatmeten verdorbenen Luft Sorge<lb/>
getragen werden. Wegen des mit der Tiefe zunehmenden Luftverbrauchs<lb/>
i&#x017F;t die Anwendung der Taucherglocke, welche jetzt mei&#x017F;t die Form einer<lb/>
abge&#x017F;tumpften Pyramide erhält, auf mäßige Tiefen, höch&#x017F;tens bis zu<lb/>
50 <hi rendition="#aq">m</hi> be&#x017F;chränkt; die Luft wird durch eine geeignet kon&#x017F;truierte Kom-<lb/>
pre&#x017F;&#x017F;ionspumpe erneuert und die Luftzufuhr &#x017F;elb&#x017F;t dem in der Arbeits-<lb/>
tiefe herr&#x017F;chenden Wa&#x017F;&#x017F;erdruck ent&#x017F;prechend geregelt. Die außerordentlich<lb/>
komplizierten Apparate, welche ein Hinab&#x017F;teigen in noch größere Tiefen,<lb/>
bis zu 250 <hi rendition="#aq">m</hi> und darüber erlauben, können hier, wo lediglich die<lb/>
nauti&#x017F;chen Zwecken dienenden Vorrichtungen be&#x017F;prochen werden &#x017F;ollen,<lb/>
keine Berück&#x017F;ichtigung finden; zu erwähnen &#x017F;ind nur noch die übrigens<lb/>
ziemlich allgemein bekannten Taucherapparate, die im we&#x017F;entlichen aus<lb/>
einem wa&#x017F;&#x017F;erdichten Anzuge und einem fe&#x017F;t mit dem&#x017F;elben verbundenen<lb/>
Metallhelm be&#x017F;tehen und bei geregelter Luftzufuhr in nicht zu beträcht-<lb/>
lichen Tiefen ein mehr&#x017F;tündiges Arbeiten ge&#x017F;tatten. Allerdings i&#x017F;t hier<lb/>
eine außerordentlich inten&#x017F;ive Thätigkeit der Lungen und eine kräftige<lb/>
Körperbe&#x017F;chaffenheit Bedingung, um den kolo&#x017F;&#x017F;alen Wa&#x017F;&#x017F;erdruck einiger-<lb/>
maßen erträglich und für den men&#x017F;chlichen Organismus un&#x017F;chädlich zu<lb/>
machen. Der in Fig. 446 abgebildete Taucheranzug (oberer Teil) wird<lb/>
ohne be&#x017F;ondere Erläuterung ver&#x017F;tändlich &#x017F;ein; &#x017F;chwere Bleigewichte auf<lb/>
Bru&#x017F;t, Rücken und unter der Fußbekleidung &#x017F;ollen den Taucher am<lb/>
Boden fe&#x017F;thalten und innerhalb des beträchtlichen Wa&#x017F;&#x017F;erdruckes &#x017F;eine<lb/>
Bewegungsfähigkeit her&#x017F;tellen helfen. Um übrigens den Taucher, der<lb/>
nach oben hin durch Signalleine, Sprachrohr oder Telephon &#x017F;ich ver-<lb/>
&#x017F;tändlich machen und Anordnungen erteilen kann, von dem regelrechten<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[818/0836] Der Verkehr zu Waſſer. der Technik aufs beſte ausgerüſteten Bergungsdampfern haben ſchon ſo manches aufgefahrene oder geſunkene Schiff wieder flott gemacht oder gehoben und in das Dock zur Wiederherſtellung geſchleppt. Daß hierbei die Thätigkeit der Taucher, ſowohl für die Erkundung der Lage des Schiffes, als für die Verſtopfung eines etwa vorhandeneu Lecks oder gar die Bergung der wertvollſten Teile der Ladung, unter Umſtänden ganz unentbehrlich und von höchſtem Nutzen ſein kann, liegt in der Natur der Sache. Das Taucherweſen ſelbſt iſt ſehr alt, und ſchon aus der erſten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird über Verſuche mit einer Taucher- glocke berichtet. Wenn man ein Trinkglas mit der Öffnung nach unten in ein Gefäß mit Waſſer ſtülpt, ſo wird die abgeſchloſſene Luft um ſo mehr zuſammengedrängt, je ſtärker der aufgewendete Druck iſt, je weiter man alſo das Glas hinabzudrücken verſucht. Wird dieſer Verſuch in hinreichend großem Maßſtabe angeſtellt, ſo kann ein Menſch innerhalb der abgeſchloſſenen Luftmenge ſo lange exiſtieren, als der für die Lebensthätigkeit notwendige Sauerſtoff noch nicht verzehrt iſt. Um demnach ein längeres Verweilen in der Taucherglocke, die für die praktiſche Anwendung mit mehreren Sitzbänken im Innern verſehen wurde, zu ermöglichen, muß alſo von außen ſtets friſche Luft zugeführt und für ein regelmäßiges Entweichen der ausgeatmeten verdorbenen Luft Sorge getragen werden. Wegen des mit der Tiefe zunehmenden Luftverbrauchs iſt die Anwendung der Taucherglocke, welche jetzt meiſt die Form einer abgeſtumpften Pyramide erhält, auf mäßige Tiefen, höchſtens bis zu 50 m beſchränkt; die Luft wird durch eine geeignet konſtruierte Kom- preſſionspumpe erneuert und die Luftzufuhr ſelbſt dem in der Arbeits- tiefe herrſchenden Waſſerdruck entſprechend geregelt. Die außerordentlich komplizierten Apparate, welche ein Hinabſteigen in noch größere Tiefen, bis zu 250 m und darüber erlauben, können hier, wo lediglich die nautiſchen Zwecken dienenden Vorrichtungen beſprochen werden ſollen, keine Berückſichtigung finden; zu erwähnen ſind nur noch die übrigens ziemlich allgemein bekannten Taucherapparate, die im weſentlichen aus einem waſſerdichten Anzuge und einem feſt mit demſelben verbundenen Metallhelm beſtehen und bei geregelter Luftzufuhr in nicht zu beträcht- lichen Tiefen ein mehrſtündiges Arbeiten geſtatten. Allerdings iſt hier eine außerordentlich intenſive Thätigkeit der Lungen und eine kräftige Körperbeſchaffenheit Bedingung, um den koloſſalen Waſſerdruck einiger- maßen erträglich und für den menſchlichen Organismus unſchädlich zu machen. Der in Fig. 446 abgebildete Taucheranzug (oberer Teil) wird ohne beſondere Erläuterung verſtändlich ſein; ſchwere Bleigewichte auf Bruſt, Rücken und unter der Fußbekleidung ſollen den Taucher am Boden feſthalten und innerhalb des beträchtlichen Waſſerdruckes ſeine Bewegungsfähigkeit herſtellen helfen. Um übrigens den Taucher, der nach oben hin durch Signalleine, Sprachrohr oder Telephon ſich ver- ſtändlich machen und Anordnungen erteilen kann, von dem regelrechten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/836
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 818. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/836>, abgerufen am 19.07.2024.