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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Der Verkehr zu Lande.
von den Ufern aus allmählich vorgebaut werden mußte; als günstiger
Umstand kam dem Bau die zwischen beiden Ufern gelegene kleine
Felseninsel Garvie zu gute; dieselbe ist denn auch zur Aufnahme des
[Abbildung] Fig 412.

Die Forth-Brücke

einzigen Zwischenpfeilers benutzt worden. Wie
aus der in Fig. 412 gegebenen Skizze zu er-
sehen ist, besteht die Brücke aus drei großartigen
Pfeilerkonstruktionen, von denen je eine auf dem
südlichen bezw. nördlichen Ufern und eine auf
der eben erwähnten Insel Garvie errichtet ist.
Das Charakteristische der Konstruktion besteht
darin, daß von jedem Pfeiler aus Konsolen
nach beiden Seiten hin vorgebaut sind, und der
zwischen den Endpunkten der Konsolen noch zu
überbrückende Teil der Spannweite durch einen
mit Hilfe von Gelenken eingeschalteten Fachwerks-
träger überspannt wird. Die Gelenkigkeit dieser
Verbindung ist erforderlich, um den Ver-
änderungen der Höhenlage der Stützpunkte und
den durch die Temperaturschwankungen hervor-
gerufenen Ausdehnungen der Eisenkonstruktionen
entgegentreten zu können. Dieses System des
Brückenbaues, bekannt als Cantilever-Brücke
oder Konsolbrücke mit frei schwebenden Stütz-
punkten, ist berufen, eine hervorragende Rolle
bei der Überbrückung solcher Verkehrshindernisse
zu bieten, bei denen aus irgend welchen Gründen
die Errichtung eines Baugerüstes zwischen den
Stützpunkten ausgeschlossen ist. In der That
hat dasselbe bereits mehrfach Anwendung ge-
funden, wie z. B. bei der Überbrückung des
Niagara und des St. Johnflusses in Neu-Braun-
schweig. Die Grundidee ist sehr alt und soll
bereits vor Hunderten von Jahren von den
Chinesen benutzt worden sein. Als Baker, der
eine Erbauer der Forth-Brücke, den durch seine
außereuropäischen Feldzüge bekannten englischen
General Lord Napier of Magdala auf die Bau-
stelle führte und ihm das Prinzip der Kon-
struktion darlegte, äußerte derselbe, daß die
gleiche Bauweise ihm mehrfach bei wilden
Völkern zum Zwecke der Überbrückung reißender,
unwegsamer Flüsse bekannt geworden sei.

Fig. 413 giebt die Art und Weise wieder,
wie Baker gelegentlich eines in London ge-
haltenen Vortrages die Wirkungsweise der

Der Verkehr zu Lande.
von den Ufern aus allmählich vorgebaut werden mußte; als günſtiger
Umſtand kam dem Bau die zwiſchen beiden Ufern gelegene kleine
Felſeninſel Garvie zu gute; dieſelbe iſt denn auch zur Aufnahme des
[Abbildung] Fig 412.

Die Forth-Brücke

einzigen Zwiſchenpfeilers benutzt worden. Wie
aus der in Fig. 412 gegebenen Skizze zu er-
ſehen iſt, beſteht die Brücke aus drei großartigen
Pfeilerkonſtruktionen, von denen je eine auf dem
ſüdlichen bezw. nördlichen Ufern und eine auf
der eben erwähnten Inſel Garvie errichtet iſt.
Das Charakteriſtiſche der Konſtruktion beſteht
darin, daß von jedem Pfeiler aus Konſolen
nach beiden Seiten hin vorgebaut ſind, und der
zwiſchen den Endpunkten der Konſolen noch zu
überbrückende Teil der Spannweite durch einen
mit Hilfe von Gelenken eingeſchalteten Fachwerks-
träger überſpannt wird. Die Gelenkigkeit dieſer
Verbindung iſt erforderlich, um den Ver-
änderungen der Höhenlage der Stützpunkte und
den durch die Temperaturſchwankungen hervor-
gerufenen Ausdehnungen der Eiſenkonſtruktionen
entgegentreten zu können. Dieſes Syſtem des
Brückenbaues, bekannt als Cantilever-Brücke
oder Konſolbrücke mit frei ſchwebenden Stütz-
punkten, iſt berufen, eine hervorragende Rolle
bei der Überbrückung ſolcher Verkehrshinderniſſe
zu bieten, bei denen aus irgend welchen Gründen
die Errichtung eines Baugerüſtes zwiſchen den
Stützpunkten ausgeſchloſſen iſt. In der That
hat dasſelbe bereits mehrfach Anwendung ge-
funden, wie z. B. bei der Überbrückung des
Niagara und des St. Johnfluſſes in Neu-Braun-
ſchweig. Die Grundidee iſt ſehr alt und ſoll
bereits vor Hunderten von Jahren von den
Chineſen benutzt worden ſein. Als Baker, der
eine Erbauer der Forth-Brücke, den durch ſeine
außereuropäiſchen Feldzüge bekannten engliſchen
General Lord Napier of Magdala auf die Bau-
ſtelle führte und ihm das Prinzip der Kon-
ſtruktion darlegte, äußerte derſelbe, daß die
gleiche Bauweiſe ihm mehrfach bei wilden
Völkern zum Zwecke der Überbrückung reißender,
unwegſamer Flüſſe bekannt geworden ſei.

Fig. 413 giebt die Art und Weiſe wieder,
wie Baker gelegentlich eines in London ge-
haltenen Vortrages die Wirkungsweiſe der

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[750/0768] Der Verkehr zu Lande. von den Ufern aus allmählich vorgebaut werden mußte; als günſtiger Umſtand kam dem Bau die zwiſchen beiden Ufern gelegene kleine Felſeninſel Garvie zu gute; dieſelbe iſt denn auch zur Aufnahme des [Abbildung Fig 412. Die Forth-Brücke] einzigen Zwiſchenpfeilers benutzt worden. Wie aus der in Fig. 412 gegebenen Skizze zu er- ſehen iſt, beſteht die Brücke aus drei großartigen Pfeilerkonſtruktionen, von denen je eine auf dem ſüdlichen bezw. nördlichen Ufern und eine auf der eben erwähnten Inſel Garvie errichtet iſt. Das Charakteriſtiſche der Konſtruktion beſteht darin, daß von jedem Pfeiler aus Konſolen nach beiden Seiten hin vorgebaut ſind, und der zwiſchen den Endpunkten der Konſolen noch zu überbrückende Teil der Spannweite durch einen mit Hilfe von Gelenken eingeſchalteten Fachwerks- träger überſpannt wird. Die Gelenkigkeit dieſer Verbindung iſt erforderlich, um den Ver- änderungen der Höhenlage der Stützpunkte und den durch die Temperaturſchwankungen hervor- gerufenen Ausdehnungen der Eiſenkonſtruktionen entgegentreten zu können. Dieſes Syſtem des Brückenbaues, bekannt als Cantilever-Brücke oder Konſolbrücke mit frei ſchwebenden Stütz- punkten, iſt berufen, eine hervorragende Rolle bei der Überbrückung ſolcher Verkehrshinderniſſe zu bieten, bei denen aus irgend welchen Gründen die Errichtung eines Baugerüſtes zwiſchen den Stützpunkten ausgeſchloſſen iſt. In der That hat dasſelbe bereits mehrfach Anwendung ge- funden, wie z. B. bei der Überbrückung des Niagara und des St. Johnfluſſes in Neu-Braun- ſchweig. Die Grundidee iſt ſehr alt und ſoll bereits vor Hunderten von Jahren von den Chineſen benutzt worden ſein. Als Baker, der eine Erbauer der Forth-Brücke, den durch ſeine außereuropäiſchen Feldzüge bekannten engliſchen General Lord Napier of Magdala auf die Bau- ſtelle führte und ihm das Prinzip der Kon- ſtruktion darlegte, äußerte derſelbe, daß die gleiche Bauweiſe ihm mehrfach bei wilden Völkern zum Zwecke der Überbrückung reißender, unwegſamer Flüſſe bekannt geworden ſei. Fig. 413 giebt die Art und Weiſe wieder, wie Baker gelegentlich eines in London ge- haltenen Vortrages die Wirkungsweiſe der

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 750. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/768>, abgerufen am 22.11.2024.