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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Allgemeines.

Die vier um die Palme des Sieges ringenden Lokomotiven
waren:

The Rocket, die Rakete, von Stephenson in seiner Fabrik
zu Newcastle erbaut;
The Novelty, die Neuigkeit, von Braithwaite und Ericson;
The Sanspareil, die Unvergleichliche, von Hackworth;
The Perseverance, die Beharrlichkeit, von Burstall.

Der Wettbewerb dieser vier Maschinen fand in Gegenwart einer
großen Menge von Gelehrten, Fachmännern und Laien statt und endete
mit einem vollständigen Siege der Stephensonschen Lokomotive "The
Rocket"
. Dieselbe hatte bei einem Eigenwicht von 41/4 Tonnen einen
123/4 Tonnen schweren Zug mit einer Geschwindigkeit von 13,8 englischen
Meilen in der Stunde befördert. Ja, als die eigentlichen Versuchs-
fahrten bereits beendet waren, führte Stephenson seine Maschine noch
einmal vor und legte nun 25 Meilen in der Stunde zurück. Von
diesem Tage an war der Sieg der Eisenbahnen endgiltig entschieden;
die Aktien der Liverpool-Manchester-Bahn stiegen sofort um 10 %.

Einen erheblichen Teil seines Erfolges hatte Stephenson der
eigenartigen Konstruktion des Kessels der Rocket zu verdanken; dieselbe
rührte merkwürdiger Weise von einem Nichttechniker, dem kaufmännischen
Sekretär der Liverpool-Manchester-Bahn Henry Booth her, und es
erhielt daher letzterer einen besonderen Anteil von dem ausgesetzten
Preise. Dieser neuartige Kessel gelangt noch jetzt bei den Lokomotiven
allgemein zur Anwendung; sein wesentlichstes Merkmal besteht darin,
daß der Wasserraum desselben von zahlreichen Röhren durchzogen wird,
in welchen die Feuergase zum Schornstein entlang streichen. Des
weiteren wurde Stephensons Sieg noch dadurch entschieden, daß jener
den entweichenden Dampf zum Anfachen des Feuers ausnutzte.

So war die Welt in den Besitz eines neuen gewaltigen Verkehrs-
mittels gelangt. Stephenson war der Held des Tages, und von nun
ab begann das Dampfroß unaufhaltsam seinen Siegeslauf um die
Erde. Man betrachtete dasselbe als einen lebenden Dämon, die Stahl
und Eisen gewordene Nachahmung des Pferdes, des bisherigen voll-
kommensten Repräsentanten des Verkehrswesens zu Lande. "Was an
der Dampfmaschine", so sagt Ernst Kapp in seinem vortrefflichen Werke
"Grundlinien einer Philosophie der Technik", "die hohe Bewunderung
einflößt, das sind ja nicht jene technischen Einzelheiten, wie etwa die
Nachbildung einer organischen Gelenkverbindung durch metallene Dreh-
flächen mit Ölglätte, nicht die Schrauben, Arme, Hebel, Kolben,
sondern es ist die Speisung der Maschine, die Umsetzung der Brenn-
stoffe in Wärme und Bewegung, kurz der eigentümlich dämonische
Schein selbsteigener Arbeitsleistung. Hier spricht die Erinnerung an
höhere Herkünfte, die den Menschen, dessen Hand das eiserne Ungetüm
gebaut und freigegeben hat zum Wettlauf mit Sturm und Wind und
Wogen, in sich selbst erkennen macht."

Allgemeines.

Die vier um die Palme des Sieges ringenden Lokomotiven
waren:

The Rocket, die Rakete, von Stephenſon in ſeiner Fabrik
zu Newcaſtle erbaut;
The Novelty, die Neuigkeit, von Braithwaite und Ericſon;
The Sanspareil, die Unvergleichliche, von Hackworth;
The Perseverance, die Beharrlichkeit, von Burſtall.

Der Wettbewerb dieſer vier Maſchinen fand in Gegenwart einer
großen Menge von Gelehrten, Fachmännern und Laien ſtatt und endete
mit einem vollſtändigen Siege der Stephenſonſchen Lokomotive „The
Rocket“
. Dieſelbe hatte bei einem Eigenwicht von 4¼ Tonnen einen
12¾ Tonnen ſchweren Zug mit einer Geſchwindigkeit von 13,8 engliſchen
Meilen in der Stunde befördert. Ja, als die eigentlichen Verſuchs-
fahrten bereits beendet waren, führte Stephenſon ſeine Maſchine noch
einmal vor und legte nun 25 Meilen in der Stunde zurück. Von
dieſem Tage an war der Sieg der Eiſenbahnen endgiltig entſchieden;
die Aktien der Liverpool-Mancheſter-Bahn ſtiegen ſofort um 10 %.

Einen erheblichen Teil ſeines Erfolges hatte Stephenſon der
eigenartigen Konſtruktion des Keſſels der Rocket zu verdanken; dieſelbe
rührte merkwürdiger Weiſe von einem Nichttechniker, dem kaufmänniſchen
Sekretär der Liverpool-Mancheſter-Bahn Henry Booth her, und es
erhielt daher letzterer einen beſonderen Anteil von dem ausgeſetzten
Preiſe. Dieſer neuartige Keſſel gelangt noch jetzt bei den Lokomotiven
allgemein zur Anwendung; ſein weſentlichſtes Merkmal beſteht darin,
daß der Waſſerraum desſelben von zahlreichen Röhren durchzogen wird,
in welchen die Feuergaſe zum Schornſtein entlang ſtreichen. Des
weiteren wurde Stephenſons Sieg noch dadurch entſchieden, daß jener
den entweichenden Dampf zum Anfachen des Feuers ausnutzte.

So war die Welt in den Beſitz eines neuen gewaltigen Verkehrs-
mittels gelangt. Stephenſon war der Held des Tages, und von nun
ab begann das Dampfroß unaufhaltſam ſeinen Siegeslauf um die
Erde. Man betrachtete dasſelbe als einen lebenden Dämon, die Stahl
und Eiſen gewordene Nachahmung des Pferdes, des bisherigen voll-
kommenſten Repräſentanten des Verkehrsweſens zu Lande. „Was an
der Dampfmaſchine“, ſo ſagt Ernſt Kapp in ſeinem vortrefflichen Werke
„Grundlinien einer Philoſophie der Technik“, „die hohe Bewunderung
einflößt, das ſind ja nicht jene techniſchen Einzelheiten, wie etwa die
Nachbildung einer organiſchen Gelenkverbindung durch metallene Dreh-
flächen mit Ölglätte, nicht die Schrauben, Arme, Hebel, Kolben,
ſondern es iſt die Speiſung der Maſchine, die Umſetzung der Brenn-
ſtoffe in Wärme und Bewegung, kurz der eigentümlich dämoniſche
Schein ſelbſteigener Arbeitsleiſtung. Hier ſpricht die Erinnerung an
höhere Herkünfte, die den Menſchen, deſſen Hand das eiſerne Ungetüm
gebaut und freigegeben hat zum Wettlauf mit Sturm und Wind und
Wogen, in ſich ſelbſt erkennen macht.“

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[743/0761] Allgemeines. Die vier um die Palme des Sieges ringenden Lokomotiven waren: The Rocket, die Rakete, von Stephenſon in ſeiner Fabrik zu Newcaſtle erbaut; The Novelty, die Neuigkeit, von Braithwaite und Ericſon; The Sanspareil, die Unvergleichliche, von Hackworth; The Perseverance, die Beharrlichkeit, von Burſtall. Der Wettbewerb dieſer vier Maſchinen fand in Gegenwart einer großen Menge von Gelehrten, Fachmännern und Laien ſtatt und endete mit einem vollſtändigen Siege der Stephenſonſchen Lokomotive „The Rocket“. Dieſelbe hatte bei einem Eigenwicht von 4¼ Tonnen einen 12¾ Tonnen ſchweren Zug mit einer Geſchwindigkeit von 13,8 engliſchen Meilen in der Stunde befördert. Ja, als die eigentlichen Verſuchs- fahrten bereits beendet waren, führte Stephenſon ſeine Maſchine noch einmal vor und legte nun 25 Meilen in der Stunde zurück. Von dieſem Tage an war der Sieg der Eiſenbahnen endgiltig entſchieden; die Aktien der Liverpool-Mancheſter-Bahn ſtiegen ſofort um 10 %. Einen erheblichen Teil ſeines Erfolges hatte Stephenſon der eigenartigen Konſtruktion des Keſſels der Rocket zu verdanken; dieſelbe rührte merkwürdiger Weiſe von einem Nichttechniker, dem kaufmänniſchen Sekretär der Liverpool-Mancheſter-Bahn Henry Booth her, und es erhielt daher letzterer einen beſonderen Anteil von dem ausgeſetzten Preiſe. Dieſer neuartige Keſſel gelangt noch jetzt bei den Lokomotiven allgemein zur Anwendung; ſein weſentlichſtes Merkmal beſteht darin, daß der Waſſerraum desſelben von zahlreichen Röhren durchzogen wird, in welchen die Feuergaſe zum Schornſtein entlang ſtreichen. Des weiteren wurde Stephenſons Sieg noch dadurch entſchieden, daß jener den entweichenden Dampf zum Anfachen des Feuers ausnutzte. So war die Welt in den Beſitz eines neuen gewaltigen Verkehrs- mittels gelangt. Stephenſon war der Held des Tages, und von nun ab begann das Dampfroß unaufhaltſam ſeinen Siegeslauf um die Erde. Man betrachtete dasſelbe als einen lebenden Dämon, die Stahl und Eiſen gewordene Nachahmung des Pferdes, des bisherigen voll- kommenſten Repräſentanten des Verkehrsweſens zu Lande. „Was an der Dampfmaſchine“, ſo ſagt Ernſt Kapp in ſeinem vortrefflichen Werke „Grundlinien einer Philoſophie der Technik“, „die hohe Bewunderung einflößt, das ſind ja nicht jene techniſchen Einzelheiten, wie etwa die Nachbildung einer organiſchen Gelenkverbindung durch metallene Dreh- flächen mit Ölglätte, nicht die Schrauben, Arme, Hebel, Kolben, ſondern es iſt die Speiſung der Maſchine, die Umſetzung der Brenn- ſtoffe in Wärme und Bewegung, kurz der eigentümlich dämoniſche Schein ſelbſteigener Arbeitsleiſtung. Hier ſpricht die Erinnerung an höhere Herkünfte, die den Menſchen, deſſen Hand das eiſerne Ungetüm gebaut und freigegeben hat zum Wettlauf mit Sturm und Wind und Wogen, in ſich ſelbſt erkennen macht.“

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 743. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/761>, abgerufen am 22.11.2024.