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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Das Schießpulver.
welcher die mittelst einer besonderen Luftpumpe bis auf 90 Atmosphären
komprimierte, zur Bewegung der Maschine notwendige Preßluft enthält.
Die Maschine liegt hinter dem Kessel; sie bewegt eine horizontale, bis
in das Schwanzstück reichende Welle, deren Drehung sich auf ein Paar
dicht hintereinander liegender, in entgegengesetzter Richtung rotierender,
aber auch entgegengesetzt gewundener und daher in demselben Sinne
wirkender Schraubenpropeller überträgt. Der Torpedo wird in der
Regel aus Metallkanonen vermittelst komprimierter Luft in schräger
Richtung in das Wasser gestoßen; erst beim Austritt springt die Maschine
an, deren Bewegung den Torpedo mit einer Geschwindigkeit von etwa
15 m in der Sekunde bis auf 500 m zu treiben vermag. Stößt er
nun gegen eine Schiffswand, so erfolgt die Explosion; verfehlt er sein
Ziel, was bei der großen Sicherheit, mit der man ihn abzuschießen
versteht, nur selten vorkommen dürfte, so öffnet sich, nachdem er seinen
Lauf beendet hat, ein Bodenventil; er füllt sich mit Wasser und versinkt,
damit er nicht den eignen Fahrzeugen schaden kann. Man schießt die
Torpedos direkt von den großen Schlachtschiffen, viel häufiger aber
von sogenannten Torpedobooten, welche sich, durch geringes Hervor-
ragen über Wasser und dunkle Farbe gedeckt, an die Geschwader
heranzuschleichen vermögen. Die letzteren versuchen sich ihrerseits durch
Ausstellen von metallenen Schutznetzen zu sichern, durch welche der
Torpedo im gegebenen Falle schon in einer so großen Entfernung von
der Schiffswand explodiert, daß seine Wirkung nicht zum Schlagen
eines Lecks genügt. Es ist gewiß bemerkenswert, daß man den Torpedo
15 Jahre hindurch kannte, ohne eine Probe von seiner Wirkung im
Ernstfalle zu haben; erst der neueste chilenische Krieg von 1891 hat
eine solche geliefert, indem ein Schiff der Kongreßpartei durch einen
wohlgezielten Torpedo getroffen und vernichtet wurde. (Vergl. elektrischer
Torpedo S. 226.)

Die furchtbare Kraftleistung der komprimierten Schießwolle läßt
diese von vornherein für Schießzwecke untauglich erscheinen; trotzdem
hat es seit ihrer Entdeckung nicht an Versuchen gefehlt, um sie als
Pulver zu verwenden. Man vermischte sie bei der Fabrikation mit
indifferenten Substanzen und mäßigte hierdurch ihre Wirkung; in-
dessen gelang es auf diesem Wege nicht, ein gleichmäßig wirkendes
Pulver, wie es für Kriegszwecke nötig gewesen wäre, zu erhalten. Als
aber im Jahre 1886 die französische Regierung mit der Einführung
des Lebelgewehres plötzlich von dem früheren Kaliber von 11 mm auf
8 mm herabging, war es nötig, den Mangel, welcher sich aus der
Verminderung des Geschoßgewichts von 25 g auf 14 g ergab, durch
erhebliche Erhöhung der Anfangsgeschwindigkeit auszugleichen. Man
führte ein neues Pulver, das "Poudre B." ein, welches aller Wahr-
scheinlichkeit nach, d. h. so weit man dem Geheimnis auf die Spur
kommen konnte, aus einer Mischung von Pikrinsäure und Schießbaum-
wolle bestand. Auch die Pikrinsäure ist eine Nitroverbindung, nämlich

Das Schießpulver.
welcher die mittelſt einer beſonderen Luftpumpe bis auf 90 Atmoſphären
komprimierte, zur Bewegung der Maſchine notwendige Preßluft enthält.
Die Maſchine liegt hinter dem Keſſel; ſie bewegt eine horizontale, bis
in das Schwanzſtück reichende Welle, deren Drehung ſich auf ein Paar
dicht hintereinander liegender, in entgegengeſetzter Richtung rotierender,
aber auch entgegengeſetzt gewundener und daher in demſelben Sinne
wirkender Schraubenpropeller überträgt. Der Torpedo wird in der
Regel aus Metallkanonen vermittelſt komprimierter Luft in ſchräger
Richtung in das Waſſer geſtoßen; erſt beim Austritt ſpringt die Maſchine
an, deren Bewegung den Torpedo mit einer Geſchwindigkeit von etwa
15 m in der Sekunde bis auf 500 m zu treiben vermag. Stößt er
nun gegen eine Schiffswand, ſo erfolgt die Exploſion; verfehlt er ſein
Ziel, was bei der großen Sicherheit, mit der man ihn abzuſchießen
verſteht, nur ſelten vorkommen dürfte, ſo öffnet ſich, nachdem er ſeinen
Lauf beendet hat, ein Bodenventil; er füllt ſich mit Waſſer und verſinkt,
damit er nicht den eignen Fahrzeugen ſchaden kann. Man ſchießt die
Torpedos direkt von den großen Schlachtſchiffen, viel häufiger aber
von ſogenannten Torpedobooten, welche ſich, durch geringes Hervor-
ragen über Waſſer und dunkle Farbe gedeckt, an die Geſchwader
heranzuſchleichen vermögen. Die letzteren verſuchen ſich ihrerſeits durch
Ausſtellen von metallenen Schutznetzen zu ſichern, durch welche der
Torpedo im gegebenen Falle ſchon in einer ſo großen Entfernung von
der Schiffswand explodiert, daß ſeine Wirkung nicht zum Schlagen
eines Lecks genügt. Es iſt gewiß bemerkenswert, daß man den Torpedo
15 Jahre hindurch kannte, ohne eine Probe von ſeiner Wirkung im
Ernſtfalle zu haben; erſt der neueſte chileniſche Krieg von 1891 hat
eine ſolche geliefert, indem ein Schiff der Kongreßpartei durch einen
wohlgezielten Torpedo getroffen und vernichtet wurde. (Vergl. elektriſcher
Torpedo S. 226.)

Die furchtbare Kraftleiſtung der komprimierten Schießwolle läßt
dieſe von vornherein für Schießzwecke untauglich erſcheinen; trotzdem
hat es ſeit ihrer Entdeckung nicht an Verſuchen gefehlt, um ſie als
Pulver zu verwenden. Man vermiſchte ſie bei der Fabrikation mit
indifferenten Subſtanzen und mäßigte hierdurch ihre Wirkung; in-
deſſen gelang es auf dieſem Wege nicht, ein gleichmäßig wirkendes
Pulver, wie es für Kriegszwecke nötig geweſen wäre, zu erhalten. Als
aber im Jahre 1886 die franzöſiſche Regierung mit der Einführung
des Lebelgewehres plötzlich von dem früheren Kaliber von 11 mm auf
8 mm herabging, war es nötig, den Mangel, welcher ſich aus der
Verminderung des Geſchoßgewichts von 25 g auf 14 g ergab, durch
erhebliche Erhöhung der Anfangsgeſchwindigkeit auszugleichen. Man
führte ein neues Pulver, das „Poudre B.“ ein, welches aller Wahr-
ſcheinlichkeit nach, d. h. ſo weit man dem Geheimnis auf die Spur
kommen konnte, aus einer Miſchung von Pikrinſäure und Schießbaum-
wolle beſtand. Auch die Pikrinſäure iſt eine Nitroverbindung, nämlich

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[709/0727] Das Schießpulver. welcher die mittelſt einer beſonderen Luftpumpe bis auf 90 Atmoſphären komprimierte, zur Bewegung der Maſchine notwendige Preßluft enthält. Die Maſchine liegt hinter dem Keſſel; ſie bewegt eine horizontale, bis in das Schwanzſtück reichende Welle, deren Drehung ſich auf ein Paar dicht hintereinander liegender, in entgegengeſetzter Richtung rotierender, aber auch entgegengeſetzt gewundener und daher in demſelben Sinne wirkender Schraubenpropeller überträgt. Der Torpedo wird in der Regel aus Metallkanonen vermittelſt komprimierter Luft in ſchräger Richtung in das Waſſer geſtoßen; erſt beim Austritt ſpringt die Maſchine an, deren Bewegung den Torpedo mit einer Geſchwindigkeit von etwa 15 m in der Sekunde bis auf 500 m zu treiben vermag. Stößt er nun gegen eine Schiffswand, ſo erfolgt die Exploſion; verfehlt er ſein Ziel, was bei der großen Sicherheit, mit der man ihn abzuſchießen verſteht, nur ſelten vorkommen dürfte, ſo öffnet ſich, nachdem er ſeinen Lauf beendet hat, ein Bodenventil; er füllt ſich mit Waſſer und verſinkt, damit er nicht den eignen Fahrzeugen ſchaden kann. Man ſchießt die Torpedos direkt von den großen Schlachtſchiffen, viel häufiger aber von ſogenannten Torpedobooten, welche ſich, durch geringes Hervor- ragen über Waſſer und dunkle Farbe gedeckt, an die Geſchwader heranzuſchleichen vermögen. Die letzteren verſuchen ſich ihrerſeits durch Ausſtellen von metallenen Schutznetzen zu ſichern, durch welche der Torpedo im gegebenen Falle ſchon in einer ſo großen Entfernung von der Schiffswand explodiert, daß ſeine Wirkung nicht zum Schlagen eines Lecks genügt. Es iſt gewiß bemerkenswert, daß man den Torpedo 15 Jahre hindurch kannte, ohne eine Probe von ſeiner Wirkung im Ernſtfalle zu haben; erſt der neueſte chileniſche Krieg von 1891 hat eine ſolche geliefert, indem ein Schiff der Kongreßpartei durch einen wohlgezielten Torpedo getroffen und vernichtet wurde. (Vergl. elektriſcher Torpedo S. 226.) Die furchtbare Kraftleiſtung der komprimierten Schießwolle läßt dieſe von vornherein für Schießzwecke untauglich erſcheinen; trotzdem hat es ſeit ihrer Entdeckung nicht an Verſuchen gefehlt, um ſie als Pulver zu verwenden. Man vermiſchte ſie bei der Fabrikation mit indifferenten Subſtanzen und mäßigte hierdurch ihre Wirkung; in- deſſen gelang es auf dieſem Wege nicht, ein gleichmäßig wirkendes Pulver, wie es für Kriegszwecke nötig geweſen wäre, zu erhalten. Als aber im Jahre 1886 die franzöſiſche Regierung mit der Einführung des Lebelgewehres plötzlich von dem früheren Kaliber von 11 mm auf 8 mm herabging, war es nötig, den Mangel, welcher ſich aus der Verminderung des Geſchoßgewichts von 25 g auf 14 g ergab, durch erhebliche Erhöhung der Anfangsgeſchwindigkeit auszugleichen. Man führte ein neues Pulver, das „Poudre B.“ ein, welches aller Wahr- ſcheinlichkeit nach, d. h. ſo weit man dem Geheimnis auf die Spur kommen konnte, aus einer Miſchung von Pikrinſäure und Schießbaum- wolle beſtand. Auch die Pikrinſäure iſt eine Nitroverbindung, nämlich

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/727>, abgerufen am 23.11.2024.