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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Sprengstoffe und ihre Verwendung.
gewaltigen Lagern vorkommenden Chilesalpeter oder Natronsalpeter
ausgeht. Leider ist dieser für die Pulverfabrikation wegen seiner
hygroskopischen Eigenschaften nicht selbst verwendbar. Schon vor 1850
stellte man aber aus ihm kleine Mengen Kalisalpeter dar, indem man
seine Lösung mit Pottaschenlauge vermischte; aus Natronsalpeter und
kohlensaurem Kalium bildete sich hierbei durch einen Austausch der
Bestandteile Kalisalpeter und kohlensaures Natrium (Soda). Gegen-
wärtig benutzt man nicht mehr Pottasche zu diesem "Conversions-
prozeß", sondern das aus den Staßfurter und anderen Salzlagern in
Menge gewonnene Chlorkalium. Mischt man nämlich heiße gesättigte
Lösungen von Natronsalpeter und Chlorkalium, so entsteht Kalisalpeter
und Chlornatrium, welche sich beide durch ihre sehr verschiedene Lös-
lichkeit in Wasser sehr leicht trennen lassen. Aus der heißen Lösung
sondert sich nämlich eine große Menge Chlornatrium, als das in
heißem Wasser minder lösliche Salz, ab; beim Erkalten der ab-
gegossenen Lauge scheidet sich dann aber der in kaltem Wasser schwer
lösliche Salpeter in Krystallen aus, während das in kaltem, wie in
warmem Wasser etwa gleich leicht lösliche Chlornatrium in Lösung
bleibt. Durch wiederholtes Auflösen und Umkrystallisieren reinigt man
den so gewonnenen "Conversionssalpeter"; derselbe findet heute fast
ausschließliche Anwendung bei der Darstellung des Pulvers und wird
[Abbildung] Fig. 393.

Pulverstampfwerk.

den Pulvermühlen im Zustande ge-
nügender Reinheit geliefert. Man
fordert von gutem Salpeter, daß er
ganz frei von Natronsalpeter und
Chlornatrium sei.

Die drei genannten Ingredien-
zien des Schießpulvers müssen zu-
nächst fein gepulvert werden. Es
geschah dies früher durch Bearbeiten
der Materialien unter Stampfwerken
(Fig. 393), welche durch Wasser be-
wegt wurden, oder zwischen Mühl-
steinen. Beide Methoden werden
zwar noch hier und dort ange-
wendet, sie sind aber fast vollkommen
verdrängt von der Zerkleinerung nach dem Revolutionsverfahren,
welches seit der französischen Revolution sich immer mehr Bahn ge-
brochen hat. Hiernach verbindet man das Zerkleinern häufig gleich
mit dem Mischen des Satzes.

Das Verhältnis der Mischung ist in den verschiedenen Staaten
und für verschiedene Pulversorten ein wechselndes. Auf 100 Gewichts-
teile Salpeter nimmt man 12--25 Teile Kohle und 15-- 22 Teile
Schwefel; als mittleres Verhältnis dürfte sich für 100 Teile fertiges
Pulver 75 : 12 : 13 herausstellen. Man bringt die abgewogenen

Die Sprengſtoffe und ihre Verwendung.
gewaltigen Lagern vorkommenden Chileſalpeter oder Natronſalpeter
ausgeht. Leider iſt dieſer für die Pulverfabrikation wegen ſeiner
hygroſkopiſchen Eigenſchaften nicht ſelbſt verwendbar. Schon vor 1850
ſtellte man aber aus ihm kleine Mengen Kaliſalpeter dar, indem man
ſeine Löſung mit Pottaſchenlauge vermiſchte; aus Natronſalpeter und
kohlenſaurem Kalium bildete ſich hierbei durch einen Austauſch der
Beſtandteile Kaliſalpeter und kohlenſaures Natrium (Soda). Gegen-
wärtig benutzt man nicht mehr Pottaſche zu dieſem „Converſions-
prozeß“, ſondern das aus den Staßfurter und anderen Salzlagern in
Menge gewonnene Chlorkalium. Miſcht man nämlich heiße geſättigte
Löſungen von Natronſalpeter und Chlorkalium, ſo entſteht Kaliſalpeter
und Chlornatrium, welche ſich beide durch ihre ſehr verſchiedene Lös-
lichkeit in Waſſer ſehr leicht trennen laſſen. Aus der heißen Löſung
ſondert ſich nämlich eine große Menge Chlornatrium, als das in
heißem Waſſer minder lösliche Salz, ab; beim Erkalten der ab-
gegoſſenen Lauge ſcheidet ſich dann aber der in kaltem Waſſer ſchwer
lösliche Salpeter in Kryſtallen aus, während das in kaltem, wie in
warmem Waſſer etwa gleich leicht lösliche Chlornatrium in Löſung
bleibt. Durch wiederholtes Auflöſen und Umkryſtalliſieren reinigt man
den ſo gewonnenen „Converſionsſalpeter“; derſelbe findet heute faſt
ausſchließliche Anwendung bei der Darſtellung des Pulvers und wird
[Abbildung] Fig. 393.

Pulverſtampfwerk.

den Pulvermühlen im Zuſtande ge-
nügender Reinheit geliefert. Man
fordert von gutem Salpeter, daß er
ganz frei von Natronſalpeter und
Chlornatrium ſei.

Die drei genannten Ingredien-
zien des Schießpulvers müſſen zu-
nächſt fein gepulvert werden. Es
geſchah dies früher durch Bearbeiten
der Materialien unter Stampfwerken
(Fig. 393), welche durch Waſſer be-
wegt wurden, oder zwiſchen Mühl-
ſteinen. Beide Methoden werden
zwar noch hier und dort ange-
wendet, ſie ſind aber faſt vollkommen
verdrängt von der Zerkleinerung nach dem Revolutionsverfahren,
welches ſeit der franzöſiſchen Revolution ſich immer mehr Bahn ge-
brochen hat. Hiernach verbindet man das Zerkleinern häufig gleich
mit dem Miſchen des Satzes.

Das Verhältnis der Miſchung iſt in den verſchiedenen Staaten
und für verſchiedene Pulverſorten ein wechſelndes. Auf 100 Gewichts-
teile Salpeter nimmt man 12—25 Teile Kohle und 15— 22 Teile
Schwefel; als mittleres Verhältnis dürfte ſich für 100 Teile fertiges
Pulver 75 : 12 : 13 herausſtellen. Man bringt die abgewogenen

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[694/0712] Die Sprengſtoffe und ihre Verwendung. gewaltigen Lagern vorkommenden Chileſalpeter oder Natronſalpeter ausgeht. Leider iſt dieſer für die Pulverfabrikation wegen ſeiner hygroſkopiſchen Eigenſchaften nicht ſelbſt verwendbar. Schon vor 1850 ſtellte man aber aus ihm kleine Mengen Kaliſalpeter dar, indem man ſeine Löſung mit Pottaſchenlauge vermiſchte; aus Natronſalpeter und kohlenſaurem Kalium bildete ſich hierbei durch einen Austauſch der Beſtandteile Kaliſalpeter und kohlenſaures Natrium (Soda). Gegen- wärtig benutzt man nicht mehr Pottaſche zu dieſem „Converſions- prozeß“, ſondern das aus den Staßfurter und anderen Salzlagern in Menge gewonnene Chlorkalium. Miſcht man nämlich heiße geſättigte Löſungen von Natronſalpeter und Chlorkalium, ſo entſteht Kaliſalpeter und Chlornatrium, welche ſich beide durch ihre ſehr verſchiedene Lös- lichkeit in Waſſer ſehr leicht trennen laſſen. Aus der heißen Löſung ſondert ſich nämlich eine große Menge Chlornatrium, als das in heißem Waſſer minder lösliche Salz, ab; beim Erkalten der ab- gegoſſenen Lauge ſcheidet ſich dann aber der in kaltem Waſſer ſchwer lösliche Salpeter in Kryſtallen aus, während das in kaltem, wie in warmem Waſſer etwa gleich leicht lösliche Chlornatrium in Löſung bleibt. Durch wiederholtes Auflöſen und Umkryſtalliſieren reinigt man den ſo gewonnenen „Converſionsſalpeter“; derſelbe findet heute faſt ausſchließliche Anwendung bei der Darſtellung des Pulvers und wird [Abbildung Fig. 393. Pulverſtampfwerk.] den Pulvermühlen im Zuſtande ge- nügender Reinheit geliefert. Man fordert von gutem Salpeter, daß er ganz frei von Natronſalpeter und Chlornatrium ſei. Die drei genannten Ingredien- zien des Schießpulvers müſſen zu- nächſt fein gepulvert werden. Es geſchah dies früher durch Bearbeiten der Materialien unter Stampfwerken (Fig. 393), welche durch Waſſer be- wegt wurden, oder zwiſchen Mühl- ſteinen. Beide Methoden werden zwar noch hier und dort ange- wendet, ſie ſind aber faſt vollkommen verdrängt von der Zerkleinerung nach dem Revolutionsverfahren, welches ſeit der franzöſiſchen Revolution ſich immer mehr Bahn ge- brochen hat. Hiernach verbindet man das Zerkleinern häufig gleich mit dem Miſchen des Satzes. Das Verhältnis der Miſchung iſt in den verſchiedenen Staaten und für verſchiedene Pulverſorten ein wechſelndes. Auf 100 Gewichts- teile Salpeter nimmt man 12—25 Teile Kohle und 15— 22 Teile Schwefel; als mittleres Verhältnis dürfte ſich für 100 Teile fertiges Pulver 75 : 12 : 13 herausſtellen. Man bringt die abgewogenen

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/712>, abgerufen am 16.06.2024.