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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Metallverarbeitung.
Stahl überall, wo bei Verwendung von Gußeisen die Werkstücke selbst
schon zu schwer werden würden, oder wo letzteres Metall sich zu schnell
abnutzen würde. 1824 beschäftigte sich Needham in London zuerst mit
dem Gießen von Stahl, aber erst seit der Erfindung des Bessemer
Verfahrens finden wir Stahlschienen, Stahlkanonen, Turmglocken, Rad-
kränze, Scheibenräder, Walzen und andere große Gegenstände. Sicherlich
steht man hier erst am Anfang und der Fortgang ist noch nicht ab-
zusehen, namentlich beim Brückenbau blüht dem Stahl noch eine große
Zukunft.

Von geringerer Bedeutung ist das Gießen von Messing und Neu-
silber, das gleichfalls in Sand oder in Lehmformen vor sich geht; der
Gebrauch dieser Metalle ist allerdings auch ein ziemlich großer, aber
doch auf einen verhältnismäßig geringen Kreis beschränkt.

Von höchstem Interesse ist der Bronzeguß. Bronze wird haupt-
sächlich für Kanonen, Glocken und Bildsäulen verwertet. Gegossen
wird Bronze wie die anderen Metalle, und nur beim Glocken- und
Statuenguß findet ein besonderes Verfahren Platz, das hier näher
erläutert werden soll. Glocken werden in der Dammgrube geformt und
gegossen, mit der Mündung nach unten. Auf dem für den Mittelpunkt
der Form bestimmten Platz schlägt man einen Pfahl ein, um den ein
ringförmiges Mauerwerk aufgeführt wird, über welches der hohle,
ebenfalls gemauerte Kern sich aufbaut, den man außen mit Lehm
bestreicht. Auf ein quer über den Pfahl gelegtes und in den Kern
eingemauertes Eisen stützt man eine senkrechte eiserne Spindel, deren
oberes Ende in einem wagerecht über der Grube liegenden Balken läuft.
An der Spindel wird ein Brett befestigt, das genau die Form des
inneren Querschnitts der Glocke hat; führt man also mit der Spindel diese
Lehre um den Kern, so wird sie allen überschüssigen Lehm fortnehmen,
so daß der Kern jetzt dem Glockeninnern vollkommen gleicht. Dann macht
man Feuer in dem Kern an, damit derselbe trockne, und bestreicht ihn
mit in Wasser gelöster Asche, damit das Hemde nicht am Kern festhafte.
Das Hemde wird aus Lehm gemacht und ebenfalls mit einer Lehre,
die natürlich die äußere Glockenform nachahmt, abgestrichen. Endlich
bekommt dieses Hemde oder Modell einen Überzug aus Talg oder Wachs,
der flüssig aufgetragen und mit der Lehre geglättet wird. Bilder,
Schrift, Verzierungen werden in nassen hölzernen, gipsenen oder
messingenen Formen aus Wachs gedrückt, mit Terpentin auf das
Modell aufgeklebt, das dadurch der äußeren Glocke vollkommen gleicht.
Endlich wird über das Hemd Lehm schichtenweise aufgetragen und der
Mantel gebildet und mit einer dritten Lehre abgedreht. Durch ge-
lindes Heizen des Kernes trocknet der Mantel, indem gleichzeitig die
wächsernen Verzierungen ausschmelzen und ihnen gleiche Vertiefungen
im Mantel zurücklassen. Auf die Öffnung, welche die Form oben,
entsprechend der Höhlung des Kerns, immer noch hat, wird die Form
zu den Henkeln aus Lehm über hölzernen oder wächsernen Modellen

Die Metallverarbeitung.
Stahl überall, wo bei Verwendung von Gußeiſen die Werkſtücke ſelbſt
ſchon zu ſchwer werden würden, oder wo letzteres Metall ſich zu ſchnell
abnutzen würde. 1824 beſchäftigte ſich Needham in London zuerſt mit
dem Gießen von Stahl, aber erſt ſeit der Erfindung des Beſſemer
Verfahrens finden wir Stahlſchienen, Stahlkanonen, Turmglocken, Rad-
kränze, Scheibenräder, Walzen und andere große Gegenſtände. Sicherlich
ſteht man hier erſt am Anfang und der Fortgang iſt noch nicht ab-
zuſehen, namentlich beim Brückenbau blüht dem Stahl noch eine große
Zukunft.

Von geringerer Bedeutung iſt das Gießen von Meſſing und Neu-
ſilber, das gleichfalls in Sand oder in Lehmformen vor ſich geht; der
Gebrauch dieſer Metalle iſt allerdings auch ein ziemlich großer, aber
doch auf einen verhältnismäßig geringen Kreis beſchränkt.

Von höchſtem Intereſſe iſt der Bronzeguß. Bronze wird haupt-
ſächlich für Kanonen, Glocken und Bildſäulen verwertet. Gegoſſen
wird Bronze wie die anderen Metalle, und nur beim Glocken- und
Statuenguß findet ein beſonderes Verfahren Platz, das hier näher
erläutert werden ſoll. Glocken werden in der Dammgrube geformt und
gegoſſen, mit der Mündung nach unten. Auf dem für den Mittelpunkt
der Form beſtimmten Platz ſchlägt man einen Pfahl ein, um den ein
ringförmiges Mauerwerk aufgeführt wird, über welches der hohle,
ebenfalls gemauerte Kern ſich aufbaut, den man außen mit Lehm
beſtreicht. Auf ein quer über den Pfahl gelegtes und in den Kern
eingemauertes Eiſen ſtützt man eine ſenkrechte eiſerne Spindel, deren
oberes Ende in einem wagerecht über der Grube liegenden Balken läuft.
An der Spindel wird ein Brett befeſtigt, das genau die Form des
inneren Querſchnitts der Glocke hat; führt man alſo mit der Spindel dieſe
Lehre um den Kern, ſo wird ſie allen überſchüſſigen Lehm fortnehmen,
ſo daß der Kern jetzt dem Glockeninnern vollkommen gleicht. Dann macht
man Feuer in dem Kern an, damit derſelbe trockne, und beſtreicht ihn
mit in Waſſer gelöſter Aſche, damit das Hemde nicht am Kern feſthafte.
Das Hemde wird aus Lehm gemacht und ebenfalls mit einer Lehre,
die natürlich die äußere Glockenform nachahmt, abgeſtrichen. Endlich
bekommt dieſes Hemde oder Modell einen Überzug aus Talg oder Wachs,
der flüſſig aufgetragen und mit der Lehre geglättet wird. Bilder,
Schrift, Verzierungen werden in naſſen hölzernen, gipſenen oder
meſſingenen Formen aus Wachs gedrückt, mit Terpentin auf das
Modell aufgeklebt, das dadurch der äußeren Glocke vollkommen gleicht.
Endlich wird über das Hemd Lehm ſchichtenweiſe aufgetragen und der
Mantel gebildet und mit einer dritten Lehre abgedreht. Durch ge-
lindes Heizen des Kernes trocknet der Mantel, indem gleichzeitig die
wächſernen Verzierungen ausſchmelzen und ihnen gleiche Vertiefungen
im Mantel zurücklaſſen. Auf die Öffnung, welche die Form oben,
entſprechend der Höhlung des Kerns, immer noch hat, wird die Form
zu den Henkeln aus Lehm über hölzernen oder wächſernen Modellen

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[636/0654] Die Metallverarbeitung. Stahl überall, wo bei Verwendung von Gußeiſen die Werkſtücke ſelbſt ſchon zu ſchwer werden würden, oder wo letzteres Metall ſich zu ſchnell abnutzen würde. 1824 beſchäftigte ſich Needham in London zuerſt mit dem Gießen von Stahl, aber erſt ſeit der Erfindung des Beſſemer Verfahrens finden wir Stahlſchienen, Stahlkanonen, Turmglocken, Rad- kränze, Scheibenräder, Walzen und andere große Gegenſtände. Sicherlich ſteht man hier erſt am Anfang und der Fortgang iſt noch nicht ab- zuſehen, namentlich beim Brückenbau blüht dem Stahl noch eine große Zukunft. Von geringerer Bedeutung iſt das Gießen von Meſſing und Neu- ſilber, das gleichfalls in Sand oder in Lehmformen vor ſich geht; der Gebrauch dieſer Metalle iſt allerdings auch ein ziemlich großer, aber doch auf einen verhältnismäßig geringen Kreis beſchränkt. Von höchſtem Intereſſe iſt der Bronzeguß. Bronze wird haupt- ſächlich für Kanonen, Glocken und Bildſäulen verwertet. Gegoſſen wird Bronze wie die anderen Metalle, und nur beim Glocken- und Statuenguß findet ein beſonderes Verfahren Platz, das hier näher erläutert werden ſoll. Glocken werden in der Dammgrube geformt und gegoſſen, mit der Mündung nach unten. Auf dem für den Mittelpunkt der Form beſtimmten Platz ſchlägt man einen Pfahl ein, um den ein ringförmiges Mauerwerk aufgeführt wird, über welches der hohle, ebenfalls gemauerte Kern ſich aufbaut, den man außen mit Lehm beſtreicht. Auf ein quer über den Pfahl gelegtes und in den Kern eingemauertes Eiſen ſtützt man eine ſenkrechte eiſerne Spindel, deren oberes Ende in einem wagerecht über der Grube liegenden Balken läuft. An der Spindel wird ein Brett befeſtigt, das genau die Form des inneren Querſchnitts der Glocke hat; führt man alſo mit der Spindel dieſe Lehre um den Kern, ſo wird ſie allen überſchüſſigen Lehm fortnehmen, ſo daß der Kern jetzt dem Glockeninnern vollkommen gleicht. Dann macht man Feuer in dem Kern an, damit derſelbe trockne, und beſtreicht ihn mit in Waſſer gelöſter Aſche, damit das Hemde nicht am Kern feſthafte. Das Hemde wird aus Lehm gemacht und ebenfalls mit einer Lehre, die natürlich die äußere Glockenform nachahmt, abgeſtrichen. Endlich bekommt dieſes Hemde oder Modell einen Überzug aus Talg oder Wachs, der flüſſig aufgetragen und mit der Lehre geglättet wird. Bilder, Schrift, Verzierungen werden in naſſen hölzernen, gipſenen oder meſſingenen Formen aus Wachs gedrückt, mit Terpentin auf das Modell aufgeklebt, das dadurch der äußeren Glocke vollkommen gleicht. Endlich wird über das Hemd Lehm ſchichtenweiſe aufgetragen und der Mantel gebildet und mit einer dritten Lehre abgedreht. Durch ge- lindes Heizen des Kernes trocknet der Mantel, indem gleichzeitig die wächſernen Verzierungen ausſchmelzen und ihnen gleiche Vertiefungen im Mantel zurücklaſſen. Auf die Öffnung, welche die Form oben, entſprechend der Höhlung des Kerns, immer noch hat, wird die Form zu den Henkeln aus Lehm über hölzernen oder wächſernen Modellen

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/654>, abgerufen am 22.11.2024.