von Apparaten, wie sie bei der Spiritusreinigung in Gebrauch sind (Kolonnenapparate), so läßt es sich in mehrere Bestandteile zerlegen, welche unter sich hauptsächlich durch den Siedepunkt verschieden sind. Der erste Körper der Reihe, das Benzol, siedet schon bei 80°C., also 20° niedriger als Wasser, der zweite, das Toluol, bei 111°, also schon 11° höher als Wasser, dann folgen bei 140° das Xylol, und weiterhin noch mehrere andere ähnliche Verbindungen. Das Benzol und das Toluol sind es, die für die Darstellung des Fuchsins von Wichtigkeit sind; die höher siedenden Anteile dienen teilweise ebenfalls zur Gewinnung von Farbstoffen, außerdem aber als Lösungsmittel für Fette u. s. w. (Brönnersches Fleckwasser). Bringt man das Benzol oder Toluol unter geeigneten Bedingungen mit Salpetersäure zusammen, so entstehen zwei neue Körper von ganz verschiedenen Eigenschaften, das Nitrobenzol und das Nitrotoluol. Es sind gelbliche Öle, welche um 125° höher sieden, als das Benzol oder Toluol, aus dem sie erhalten wurden; insbesondere das Nitrobenzol hat einen starken, bittermandel- artigen Geruch, und findet deshalb unter dem Namen Mirbanöl in der Seifenfabrikation ausgedehnte Verwendung zum Parfümieren der gewöhnlichen Seifen. Unterwirft man die beiden Nitrokörper der Ein- wirkung von Eisen und Salzsäure, so entstehen aus ihnen die beiden Verbindungen, welche wir als zur Fuchsingewinnung notwendig kennen gelernt haben, das Anilin und Toluidin. Wir sehen also, wie Nitrobenzol und Anilin mit einander in engstem Zusammenhange stehen. Kehren wir zum Fuchsin zurück. Die Fabrikation aus Anilin (Toluidin) und Nitrobenzol ist heute die fast ausschließlich gebräuch- liche und sie liefert jährlich ganz bedeutende Mengen dieses wichtigen Farbstoffes.
Das Fuchsin dient nicht nur als solches zum Färben, sondern es wird auch noch auf blaue Farben weiter verarbeitet. Zu diesem Zwecke erhitzt man es mit Anilin auf höhere Temperatur (180° C.). Je nach der Intensität der Einwirkung erhält man rötere oder grünere Blaus. Die Entdecker dieses Prozesses waren Girard und de Laire 1860. Die so erhaltenen Farben sind aber nicht in Wasser, sondern nur in Spiritus löslich, und konnten daher nur zur Seiden- färberei verwendet werden. 1862 entdeckte aber Nicholson, daß sich das Anilinblau wasserlöslich machen ließ, wenn man es mit starker Schwefelsäure erhitzte; erst seit dieser Zeit erhielt der schöne Farbstoff seine eigentliche Bedeutung, da er nunmehr in der Woll- und Baum- wollfärberei ausgedehnte Anwendung finden konnte und auch bis heute findet.
Im Jahre 1862 fand A. W. Hofmann, daß man vom Fuchsin aus auch zu violetten und grünen Farbstoffen gelangen könne. Das Hülfsmittel hier- zu war das Jodaethyl, ein Körper, der bei der gemeinsamen Einwirkung von Jod und Phosphor auf unseren gewöhnlichen Spiritus erhalten wird. Bei der Einwirkung des Jodaethyls auf Fuchsin in der Wärme ent-
Die Teerfarbſtoffe.
von Apparaten, wie ſie bei der Spiritusreinigung in Gebrauch ſind (Kolonnenapparate), ſo läßt es ſich in mehrere Beſtandteile zerlegen, welche unter ſich hauptſächlich durch den Siedepunkt verſchieden ſind. Der erſte Körper der Reihe, das Benzol, ſiedet ſchon bei 80°C., alſo 20° niedriger als Waſſer, der zweite, das Toluol, bei 111°, alſo ſchon 11° höher als Waſſer, dann folgen bei 140° das Xylol, und weiterhin noch mehrere andere ähnliche Verbindungen. Das Benzol und das Toluol ſind es, die für die Darſtellung des Fuchſins von Wichtigkeit ſind; die höher ſiedenden Anteile dienen teilweiſe ebenfalls zur Gewinnung von Farbſtoffen, außerdem aber als Löſungsmittel für Fette u. ſ. w. (Brönnerſches Fleckwaſſer). Bringt man das Benzol oder Toluol unter geeigneten Bedingungen mit Salpeterſäure zuſammen, ſo entſtehen zwei neue Körper von ganz verſchiedenen Eigenſchaften, das Nitrobenzol und das Nitrotoluol. Es ſind gelbliche Öle, welche um 125° höher ſieden, als das Benzol oder Toluol, aus dem ſie erhalten wurden; insbeſondere das Nitrobenzol hat einen ſtarken, bittermandel- artigen Geruch, und findet deshalb unter dem Namen Mirbanöl in der Seifenfabrikation ausgedehnte Verwendung zum Parfümieren der gewöhnlichen Seifen. Unterwirft man die beiden Nitrokörper der Ein- wirkung von Eiſen und Salzſäure, ſo entſtehen aus ihnen die beiden Verbindungen, welche wir als zur Fuchſingewinnung notwendig kennen gelernt haben, das Anilin und Toluidin. Wir ſehen alſo, wie Nitrobenzol und Anilin mit einander in engſtem Zuſammenhange ſtehen. Kehren wir zum Fuchſin zurück. Die Fabrikation aus Anilin (Toluidin) und Nitrobenzol iſt heute die faſt ausſchließlich gebräuch- liche und ſie liefert jährlich ganz bedeutende Mengen dieſes wichtigen Farbſtoffes.
Das Fuchſin dient nicht nur als ſolches zum Färben, ſondern es wird auch noch auf blaue Farben weiter verarbeitet. Zu dieſem Zwecke erhitzt man es mit Anilin auf höhere Temperatur (180° C.). Je nach der Intenſität der Einwirkung erhält man rötere oder grünere Blaus. Die Entdecker dieſes Prozeſſes waren Girard und de Laire 1860. Die ſo erhaltenen Farben ſind aber nicht in Waſſer, ſondern nur in Spiritus löslich, und konnten daher nur zur Seiden- färberei verwendet werden. 1862 entdeckte aber Nicholſon, daß ſich das Anilinblau waſſerlöslich machen ließ, wenn man es mit ſtarker Schwefelſäure erhitzte; erſt ſeit dieſer Zeit erhielt der ſchöne Farbſtoff ſeine eigentliche Bedeutung, da er nunmehr in der Woll- und Baum- wollfärberei ausgedehnte Anwendung finden konnte und auch bis heute findet.
Im Jahre 1862 fand A. W. Hofmann, daß man vom Fuchſin aus auch zu violetten und grünen Farbſtoffen gelangen könne. Das Hülfsmittel hier- zu war das Jodaethyl, ein Körper, der bei der gemeinſamen Einwirkung von Jod und Phosphor auf unſeren gewöhnlichen Spiritus erhalten wird. Bei der Einwirkung des Jodaethyls auf Fuchſin in der Wärme ent-
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Die Teerfarbſtoffe.
von Apparaten, wie ſie bei der Spiritusreinigung in Gebrauch ſind
(Kolonnenapparate), ſo läßt es ſich in mehrere Beſtandteile zerlegen,
welche unter ſich hauptſächlich durch den Siedepunkt verſchieden ſind.
Der erſte Körper der Reihe, das Benzol, ſiedet ſchon bei 80°C., alſo
20° niedriger als Waſſer, der zweite, das Toluol, bei 111°, alſo
ſchon 11° höher als Waſſer, dann folgen bei 140° das Xylol, und
weiterhin noch mehrere andere ähnliche Verbindungen. Das Benzol
und das Toluol ſind es, die für die Darſtellung des Fuchſins von
Wichtigkeit ſind; die höher ſiedenden Anteile dienen teilweiſe ebenfalls
zur Gewinnung von Farbſtoffen, außerdem aber als Löſungsmittel für
Fette u. ſ. w. (Brönnerſches Fleckwaſſer). Bringt man das Benzol oder
Toluol unter geeigneten Bedingungen mit Salpeterſäure zuſammen, ſo
entſtehen zwei neue Körper von ganz verſchiedenen Eigenſchaften, das
Nitrobenzol und das Nitrotoluol. Es ſind gelbliche Öle, welche um
125° höher ſieden, als das Benzol oder Toluol, aus dem ſie erhalten
wurden; insbeſondere das Nitrobenzol hat einen ſtarken, bittermandel-
artigen Geruch, und findet deshalb unter dem Namen Mirbanöl in
der Seifenfabrikation ausgedehnte Verwendung zum Parfümieren der
gewöhnlichen Seifen. Unterwirft man die beiden Nitrokörper der Ein-
wirkung von Eiſen und Salzſäure, ſo entſtehen aus ihnen die beiden
Verbindungen, welche wir als zur Fuchſingewinnung notwendig
kennen gelernt haben, das Anilin und Toluidin. Wir ſehen alſo, wie
Nitrobenzol und Anilin mit einander in engſtem Zuſammenhange
ſtehen. Kehren wir zum Fuchſin zurück. Die Fabrikation aus Anilin
(Toluidin) und Nitrobenzol iſt heute die faſt ausſchließlich gebräuch-
liche und ſie liefert jährlich ganz bedeutende Mengen dieſes wichtigen
Farbſtoffes.
Das Fuchſin dient nicht nur als ſolches zum Färben, ſondern
es wird auch noch auf blaue Farben weiter verarbeitet. Zu dieſem
Zwecke erhitzt man es mit Anilin auf höhere Temperatur (180° C.).
Je nach der Intenſität der Einwirkung erhält man rötere oder
grünere Blaus. Die Entdecker dieſes Prozeſſes waren Girard und
de Laire 1860. Die ſo erhaltenen Farben ſind aber nicht in Waſſer,
ſondern nur in Spiritus löslich, und konnten daher nur zur Seiden-
färberei verwendet werden. 1862 entdeckte aber Nicholſon, daß ſich
das Anilinblau waſſerlöslich machen ließ, wenn man es mit ſtarker
Schwefelſäure erhitzte; erſt ſeit dieſer Zeit erhielt der ſchöne Farbſtoff
ſeine eigentliche Bedeutung, da er nunmehr in der Woll- und Baum-
wollfärberei ausgedehnte Anwendung finden konnte und auch bis heute
findet.
Im Jahre 1862 fand A. W. Hofmann, daß man vom Fuchſin aus auch
zu violetten und grünen Farbſtoffen gelangen könne. Das Hülfsmittel hier-
zu war das Jodaethyl, ein Körper, der bei der gemeinſamen Einwirkung
von Jod und Phosphor auf unſeren gewöhnlichen Spiritus erhalten wird.
Bei der Einwirkung des Jodaethyls auf Fuchſin in der Wärme ent-
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/425>, abgerufen am 22.11.2024.
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