Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die elektrischen Erfindungen.
französischen Gelehrten, der ihnen ein besonderes Studium zuwendete.
Aber gerade diese Ströme sind den Technikern höchst unwillkommen,
sie verzögern die Bewegung des Ankers, und wenn man diese zu
beschleunigen trachtet, so erwärmen sie das Eisen ganz beträchtlich.
Der Trommelinduktor ist allen diesen Übeln ausgesetzt, aber man kann
wenigstens das letzterwähnte leicht verringern, wenn man nur statt der
massiven eine hohle Eisentrommel nimmt, deren Inneres etwa mit
Holz ausgefüllt ist.

Überhaupt ist leicht einzusehen, daß die genannten Verluste durch
eine Vermehrung der Größe und des Leitungsvermögens der Drähte,
sowie durch eine Verminderung des Eisenkörpers sich auf ein Minimum
einschränken lassen. Was den letzteren anbetrifft, so hat bereits 1860
Dr. Pacinotti in Florenz eine Form des Ankers erfunden und 1864
ausführlich beschrieben, welche für den bezeichneten Zweck völlig geeignet
erscheint. Sie geriet aber in Vergessenheit und wurde im Jahre 1871
von Zenobe Theophile Gramme, welcher als Modelltischler bei der
Gesellschaft L'Alliance in Brüssel angestellt war und bereits mehrere
elektrische Patente besaß, selbständig noch einmal erfunden, und sie heißt
meist nach diesem der Grammesche Ringanker. Um die Wirkung desselben
ganz zu verstehen, müssen wir noch einmal auf Faradays Grundversuch
zurückweisen. Durch die Bewegung eines Magnetstabes in eine Draht-
rolle hinein oder aus ihr heraus konnte er verschieden gerichtete elektrische
Ströme in ihr erregen. Wenn man zwei Magnetstäbe etwa an ihren
Südpolen an einander legt und mit diesem Doppelmagneten die Spule
durchwandert, so kann man leicht zeigen, daß der Induktionsstrom
nicht immer seine Richtung behält, sondern dieselbe gerade dann
wechselt, wenn bestimmte Punkte der Magnete, welche ziemlich die
Mitte zwischen Nord- und Südpol halten, und an denen die Magnete
gar keine Anziehung ausüben, die sogenannten Indifferenzpunkte, die
Rolle passieren. Man kann sich nun zunächst statt der geraden Mag-
nete halbkreisförmig gebogene gerade an ihren gleichnamigen Polen
verbunden und zu einem Ringe zusammengesetzt denken, auch kann
man statt einer zwei mit einander verbundene Induktionsrollen sich
denken, die wie diejenigen eines Elektromagnets über den Ring geschoben
werden. Dreht man den Ring innerhalb der beiden Spulen, so treten
in diesen Wechselstöme auf, und zwar vertauscht der Induktionsstrom
gerade immer in dem Augenblicke seine Richtung, wenn die beiden
Indifferenzpunkte durch die Drahtrollen gehen. Denken wir uns ferner,
der Ring in der Fig. 119 sei der eben beschriebene Magnetring; er sei
mit einer Menge von Spulen umgeben, die hier durch einzelne Striche
angedeutet sind, so werden beim Durchpassieren des Ringes durch die
Spulen immer in denjenigen, die der Nordhälfte des Ringes anliegen,
Ströme von einer bestimmten Richtung, in der entgegengesetzten Hälfte,
aber solche von dem entgegengesetzten Strome induziert werden, wie
dies durch die Pfeile in der Figur angedeutet ist und noch besser aus

Die elektriſchen Erfindungen.
franzöſiſchen Gelehrten, der ihnen ein beſonderes Studium zuwendete.
Aber gerade dieſe Ströme ſind den Technikern höchſt unwillkommen,
ſie verzögern die Bewegung des Ankers, und wenn man dieſe zu
beſchleunigen trachtet, ſo erwärmen ſie das Eiſen ganz beträchtlich.
Der Trommelinduktor iſt allen dieſen Übeln ausgeſetzt, aber man kann
wenigſtens das letzterwähnte leicht verringern, wenn man nur ſtatt der
maſſiven eine hohle Eiſentrommel nimmt, deren Inneres etwa mit
Holz ausgefüllt iſt.

Überhaupt iſt leicht einzuſehen, daß die genannten Verluſte durch
eine Vermehrung der Größe und des Leitungsvermögens der Drähte,
ſowie durch eine Verminderung des Eiſenkörpers ſich auf ein Minimum
einſchränken laſſen. Was den letzteren anbetrifft, ſo hat bereits 1860
Dr. Pacinotti in Florenz eine Form des Ankers erfunden und 1864
ausführlich beſchrieben, welche für den bezeichneten Zweck völlig geeignet
erſcheint. Sie geriet aber in Vergeſſenheit und wurde im Jahre 1871
von Zénobe Theophile Gramme, welcher als Modelltiſchler bei der
Geſellſchaft L’Alliance in Brüſſel angeſtellt war und bereits mehrere
elektriſche Patente beſaß, ſelbſtändig noch einmal erfunden, und ſie heißt
meiſt nach dieſem der Grammeſche Ringanker. Um die Wirkung desſelben
ganz zu verſtehen, müſſen wir noch einmal auf Faradays Grundverſuch
zurückweiſen. Durch die Bewegung eines Magnetſtabes in eine Draht-
rolle hinein oder aus ihr heraus konnte er verſchieden gerichtete elektriſche
Ströme in ihr erregen. Wenn man zwei Magnetſtäbe etwa an ihren
Südpolen an einander legt und mit dieſem Doppelmagneten die Spule
durchwandert, ſo kann man leicht zeigen, daß der Induktionsſtrom
nicht immer ſeine Richtung behält, ſondern dieſelbe gerade dann
wechſelt, wenn beſtimmte Punkte der Magnete, welche ziemlich die
Mitte zwiſchen Nord- und Südpol halten, und an denen die Magnete
gar keine Anziehung ausüben, die ſogenannten Indifferenzpunkte, die
Rolle paſſieren. Man kann ſich nun zunächſt ſtatt der geraden Mag-
nete halbkreisförmig gebogene gerade an ihren gleichnamigen Polen
verbunden und zu einem Ringe zuſammengeſetzt denken, auch kann
man ſtatt einer zwei mit einander verbundene Induktionsrollen ſich
denken, die wie diejenigen eines Elektromagnets über den Ring geſchoben
werden. Dreht man den Ring innerhalb der beiden Spulen, ſo treten
in dieſen Wechſelſtöme auf, und zwar vertauſcht der Induktionsſtrom
gerade immer in dem Augenblicke ſeine Richtung, wenn die beiden
Indifferenzpunkte durch die Drahtrollen gehen. Denken wir uns ferner,
der Ring in der Fig. 119 ſei der eben beſchriebene Magnetring; er ſei
mit einer Menge von Spulen umgeben, die hier durch einzelne Striche
angedeutet ſind, ſo werden beim Durchpaſſieren des Ringes durch die
Spulen immer in denjenigen, die der Nordhälfte des Ringes anliegen,
Ströme von einer beſtimmten Richtung, in der entgegengeſetzten Hälfte,
aber ſolche von dem entgegengeſetzten Strome induziert werden, wie
dies durch die Pfeile in der Figur angedeutet iſt und noch beſſer aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0180" n="162"/><fw place="top" type="header">Die elektri&#x017F;chen Erfindungen.</fw><lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;chen Gelehrten, der ihnen ein be&#x017F;onderes Studium zuwendete.<lb/>
Aber gerade die&#x017F;e Ströme &#x017F;ind den Technikern höch&#x017F;t unwillkommen,<lb/>
&#x017F;ie verzögern die Bewegung des Ankers, und wenn man die&#x017F;e zu<lb/>
be&#x017F;chleunigen trachtet, &#x017F;o erwärmen &#x017F;ie das Ei&#x017F;en ganz beträchtlich.<lb/>
Der Trommelinduktor i&#x017F;t allen die&#x017F;en Übeln ausge&#x017F;etzt, aber man kann<lb/>
wenig&#x017F;tens das letzterwähnte leicht verringern, wenn man nur &#x017F;tatt der<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;iven eine hohle Ei&#x017F;entrommel nimmt, deren Inneres etwa mit<lb/>
Holz ausgefüllt i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Überhaupt i&#x017F;t leicht einzu&#x017F;ehen, daß die genannten Verlu&#x017F;te durch<lb/>
eine Vermehrung der Größe und des Leitungsvermögens der Drähte,<lb/>
&#x017F;owie durch eine Verminderung des Ei&#x017F;enkörpers &#x017F;ich auf ein Minimum<lb/>
ein&#x017F;chränken la&#x017F;&#x017F;en. Was den letzteren anbetrifft, &#x017F;o hat bereits 1860<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> Pacinotti in Florenz eine Form des Ankers erfunden und 1864<lb/>
ausführlich be&#x017F;chrieben, welche für den bezeichneten Zweck völlig geeignet<lb/>
er&#x017F;cheint. Sie geriet aber in Verge&#x017F;&#x017F;enheit und wurde im Jahre 1871<lb/>
von Z<hi rendition="#aq">é</hi>nobe Theophile Gramme, welcher als Modellti&#x017F;chler bei der<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft L&#x2019;Alliance in Brü&#x017F;&#x017F;el ange&#x017F;tellt war und bereits mehrere<lb/>
elektri&#x017F;che Patente be&#x017F;aß, &#x017F;elb&#x017F;tändig noch einmal erfunden, und &#x017F;ie heißt<lb/>
mei&#x017F;t nach die&#x017F;em der Gramme&#x017F;che Ringanker. Um die Wirkung des&#x017F;elben<lb/>
ganz zu ver&#x017F;tehen, mü&#x017F;&#x017F;en wir noch einmal auf Faradays Grundver&#x017F;uch<lb/>
zurückwei&#x017F;en. Durch die Bewegung eines Magnet&#x017F;tabes in eine Draht-<lb/>
rolle hinein oder aus ihr heraus konnte er ver&#x017F;chieden gerichtete elektri&#x017F;che<lb/>
Ströme in ihr erregen. Wenn man zwei Magnet&#x017F;täbe etwa an ihren<lb/>
Südpolen an einander legt und mit die&#x017F;em Doppelmagneten die Spule<lb/>
durchwandert, &#x017F;o kann man leicht zeigen, daß der Induktions&#x017F;trom<lb/>
nicht immer &#x017F;eine Richtung behält, &#x017F;ondern die&#x017F;elbe gerade dann<lb/>
wech&#x017F;elt, wenn be&#x017F;timmte Punkte der Magnete, welche ziemlich die<lb/>
Mitte zwi&#x017F;chen Nord- und Südpol halten, und an denen die Magnete<lb/>
gar keine Anziehung ausüben, die &#x017F;ogenannten Indifferenzpunkte, die<lb/>
Rolle pa&#x017F;&#x017F;ieren. Man kann &#x017F;ich nun zunäch&#x017F;t &#x017F;tatt der geraden Mag-<lb/>
nete halbkreisförmig gebogene gerade an ihren gleichnamigen Polen<lb/>
verbunden und zu einem Ringe zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt denken, auch kann<lb/>
man &#x017F;tatt einer zwei mit einander verbundene Induktionsrollen &#x017F;ich<lb/>
denken, die wie diejenigen eines Elektromagnets über den Ring ge&#x017F;choben<lb/>
werden. Dreht man den Ring innerhalb der beiden Spulen, &#x017F;o treten<lb/>
in die&#x017F;en Wech&#x017F;el&#x017F;töme auf, und zwar vertau&#x017F;cht der Induktions&#x017F;trom<lb/>
gerade immer in dem Augenblicke &#x017F;eine Richtung, wenn die beiden<lb/>
Indifferenzpunkte durch die Drahtrollen gehen. Denken wir uns ferner,<lb/>
der Ring in der Fig. 119 &#x017F;ei der eben be&#x017F;chriebene Magnetring; er &#x017F;ei<lb/>
mit einer Menge von Spulen umgeben, die hier durch einzelne Striche<lb/>
angedeutet &#x017F;ind, &#x017F;o werden beim Durchpa&#x017F;&#x017F;ieren des Ringes durch die<lb/>
Spulen immer in denjenigen, die der Nordhälfte des Ringes anliegen,<lb/>
Ströme von einer be&#x017F;timmten Richtung, in der entgegenge&#x017F;etzten Hälfte,<lb/>
aber &#x017F;olche von dem entgegenge&#x017F;etzten Strome induziert werden, wie<lb/>
dies durch die Pfeile in der Figur angedeutet i&#x017F;t und noch be&#x017F;&#x017F;er aus<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0180] Die elektriſchen Erfindungen. franzöſiſchen Gelehrten, der ihnen ein beſonderes Studium zuwendete. Aber gerade dieſe Ströme ſind den Technikern höchſt unwillkommen, ſie verzögern die Bewegung des Ankers, und wenn man dieſe zu beſchleunigen trachtet, ſo erwärmen ſie das Eiſen ganz beträchtlich. Der Trommelinduktor iſt allen dieſen Übeln ausgeſetzt, aber man kann wenigſtens das letzterwähnte leicht verringern, wenn man nur ſtatt der maſſiven eine hohle Eiſentrommel nimmt, deren Inneres etwa mit Holz ausgefüllt iſt. Überhaupt iſt leicht einzuſehen, daß die genannten Verluſte durch eine Vermehrung der Größe und des Leitungsvermögens der Drähte, ſowie durch eine Verminderung des Eiſenkörpers ſich auf ein Minimum einſchränken laſſen. Was den letzteren anbetrifft, ſo hat bereits 1860 Dr. Pacinotti in Florenz eine Form des Ankers erfunden und 1864 ausführlich beſchrieben, welche für den bezeichneten Zweck völlig geeignet erſcheint. Sie geriet aber in Vergeſſenheit und wurde im Jahre 1871 von Zénobe Theophile Gramme, welcher als Modelltiſchler bei der Geſellſchaft L’Alliance in Brüſſel angeſtellt war und bereits mehrere elektriſche Patente beſaß, ſelbſtändig noch einmal erfunden, und ſie heißt meiſt nach dieſem der Grammeſche Ringanker. Um die Wirkung desſelben ganz zu verſtehen, müſſen wir noch einmal auf Faradays Grundverſuch zurückweiſen. Durch die Bewegung eines Magnetſtabes in eine Draht- rolle hinein oder aus ihr heraus konnte er verſchieden gerichtete elektriſche Ströme in ihr erregen. Wenn man zwei Magnetſtäbe etwa an ihren Südpolen an einander legt und mit dieſem Doppelmagneten die Spule durchwandert, ſo kann man leicht zeigen, daß der Induktionsſtrom nicht immer ſeine Richtung behält, ſondern dieſelbe gerade dann wechſelt, wenn beſtimmte Punkte der Magnete, welche ziemlich die Mitte zwiſchen Nord- und Südpol halten, und an denen die Magnete gar keine Anziehung ausüben, die ſogenannten Indifferenzpunkte, die Rolle paſſieren. Man kann ſich nun zunächſt ſtatt der geraden Mag- nete halbkreisförmig gebogene gerade an ihren gleichnamigen Polen verbunden und zu einem Ringe zuſammengeſetzt denken, auch kann man ſtatt einer zwei mit einander verbundene Induktionsrollen ſich denken, die wie diejenigen eines Elektromagnets über den Ring geſchoben werden. Dreht man den Ring innerhalb der beiden Spulen, ſo treten in dieſen Wechſelſtöme auf, und zwar vertauſcht der Induktionsſtrom gerade immer in dem Augenblicke ſeine Richtung, wenn die beiden Indifferenzpunkte durch die Drahtrollen gehen. Denken wir uns ferner, der Ring in der Fig. 119 ſei der eben beſchriebene Magnetring; er ſei mit einer Menge von Spulen umgeben, die hier durch einzelne Striche angedeutet ſind, ſo werden beim Durchpaſſieren des Ringes durch die Spulen immer in denjenigen, die der Nordhälfte des Ringes anliegen, Ströme von einer beſtimmten Richtung, in der entgegengeſetzten Hälfte, aber ſolche von dem entgegengeſetzten Strome induziert werden, wie dies durch die Pfeile in der Figur angedeutet iſt und noch beſſer aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/180
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/180>, abgerufen am 01.05.2024.