Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Induktion.
beim Schließen und beim Öffnen des Stromes wird auch in dem
benachbarten Drahte BB' ein Strom induziert, welcher beim Schließen
von B' nach B, beim Öffnen von B nach B' fließt, wenn die Richtung
des ursprünglichen Stromes die des Pfeiles ist.
Man nennt den ursprünglichen Strom auch den
primären, den induzierten den sekundären, und
ebenso bezeichnet man die beiden Leiter AA' und BB',
denen man gewöhnlich die Form zweier Spulen
giebt, über welche der Draht in vielen Windungen
zu einer Spirale gewickelt ist. Diese Drahtwindungen
müssen von einander isoliert sein, und dazu ist es
nötig, den Draht mit einem schlecht leitenden
Stoff zu umspinnen, am besten mit Seide, und wohl
auch mit Wachs zu tränken. Gewöhnlich sind solche
Induktionsapparate derart eingerichtet, daß die
primäre Spule, aus verhältnismäßig wenigen
Windungen dickeren Drahtes, die sekundäre da-
gegen aus sehr vielen Windungen recht dünnen
Drahtes besteht. Die Gründe, welche gerade diese
Einrichtung vorteilhaft erscheinen lassen, werden
[Abbildung] Fig. 109.

Induktion eines Stromes
durch einen anderen Strom.

wir sofort entwickeln. Man hat zweierlei solcher Apparate. Die einen,
bei denen die beiden Spulen sich nicht gegen einander bewegen lassen,
heißen nach dem Pariser Mechaniker Ruhmkorff, der sie in besonderer
Vollkommenheit herstellte, Ruhmkorffsche, die andern, bei denen die eine
Spirale sich in die andere hineinschieben läßt, sind die Dubois-
Reymondschen Schlittenapparate. Man kann bei beiden die Wirkung
noch dadurch verstärken, daß man in ihrem Innern einen Kern von
Eisendrähten anbringt. In diesem wird durch den Strom Magnetismus
erregt, der beim Entstehen oder Vergehen seinerseits in der sekundären
Spule einen Strom induzieren kann. Man kann gerade mit dem
sekundären Strome Wirkungen erzielen, zu denen der ursprüngliche
Batteriestrom untauglich ist. Dieser Strom läßt, wenn man ihn öffnet
ganz geringe Funken erkennen. Man kann ihn von einer großen
Zahl von Elementen entnehmen und, ohne das geringste zu spüren,
durch den Körper hindurchleiten. Wo dagegen der Schließungsbogen
des sekundären Stromes unterbrochen wird, treten Funken auf, wie
man sie sonst nur bei der Reibungselektrizität beobachtet mit einer
Schlagweite von mehreren Dezimetern. Der induzierte Strom bringt,
wenn der menschliche Körper in den Schließungsbogen eingeschaltet ist,
sehr fühlbare Wirkungen hervor, erzeugt bei schwachen Strömen eine
leise Kontraktion der Muskeln, bei stärkeren schmerzhafte Zusammen-
ziehungen und der sekundäre Strom eines starken Ruhmkorffschen
Apparates mag sogar tötliche Wirkungen haben. Der Funken zer-
trümmert dickes Glas, und es ist, als ob die gezähmte Elektrizität des
galvanischen Stromes hier in jene alte Wildheit zurückfiele, die wir beim

Die Induktion.
beim Schließen und beim Öffnen des Stromes wird auch in dem
benachbarten Drahte BB' ein Strom induziert, welcher beim Schließen
von B' nach B, beim Öffnen von B nach B' fließt, wenn die Richtung
des urſprünglichen Stromes die des Pfeiles iſt.
Man nennt den urſprünglichen Strom auch den
primären, den induzierten den ſekundären, und
ebenſo bezeichnet man die beiden Leiter AA' und BB',
denen man gewöhnlich die Form zweier Spulen
giebt, über welche der Draht in vielen Windungen
zu einer Spirale gewickelt iſt. Dieſe Drahtwindungen
müſſen von einander iſoliert ſein, und dazu iſt es
nötig, den Draht mit einem ſchlecht leitenden
Stoff zu umſpinnen, am beſten mit Seide, und wohl
auch mit Wachs zu tränken. Gewöhnlich ſind ſolche
Induktionsapparate derart eingerichtet, daß die
primäre Spule, aus verhältnismäßig wenigen
Windungen dickeren Drahtes, die ſekundäre da-
gegen aus ſehr vielen Windungen recht dünnen
Drahtes beſteht. Die Gründe, welche gerade dieſe
Einrichtung vorteilhaft erſcheinen laſſen, werden
[Abbildung] Fig. 109.

Induktion eines Stromes
durch einen anderen Strom.

wir ſofort entwickeln. Man hat zweierlei ſolcher Apparate. Die einen,
bei denen die beiden Spulen ſich nicht gegen einander bewegen laſſen,
heißen nach dem Pariſer Mechaniker Ruhmkorff, der ſie in beſonderer
Vollkommenheit herſtellte, Ruhmkorffſche, die andern, bei denen die eine
Spirale ſich in die andere hineinſchieben läßt, ſind die Dubois-
Reymondſchen Schlittenapparate. Man kann bei beiden die Wirkung
noch dadurch verſtärken, daß man in ihrem Innern einen Kern von
Eiſendrähten anbringt. In dieſem wird durch den Strom Magnetismus
erregt, der beim Entſtehen oder Vergehen ſeinerſeits in der ſekundären
Spule einen Strom induzieren kann. Man kann gerade mit dem
ſekundären Strome Wirkungen erzielen, zu denen der urſprüngliche
Batterieſtrom untauglich iſt. Dieſer Strom läßt, wenn man ihn öffnet
ganz geringe Funken erkennen. Man kann ihn von einer großen
Zahl von Elementen entnehmen und, ohne das geringſte zu ſpüren,
durch den Körper hindurchleiten. Wo dagegen der Schließungsbogen
des ſekundären Stromes unterbrochen wird, treten Funken auf, wie
man ſie ſonſt nur bei der Reibungselektrizität beobachtet mit einer
Schlagweite von mehreren Dezimetern. Der induzierte Strom bringt,
wenn der menſchliche Körper in den Schließungsbogen eingeſchaltet iſt,
ſehr fühlbare Wirkungen hervor, erzeugt bei ſchwachen Strömen eine
leiſe Kontraktion der Muskeln, bei ſtärkeren ſchmerzhafte Zuſammen-
ziehungen und der ſekundäre Strom eines ſtarken Ruhmkorffſchen
Apparates mag ſogar tötliche Wirkungen haben. Der Funken zer-
trümmert dickes Glas, und es iſt, als ob die gezähmte Elektrizität des
galvaniſchen Stromes hier in jene alte Wildheit zurückfiele, die wir beim

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0171" n="153"/><fw place="top" type="header">Die Induktion.</fw><lb/>
beim Schließen und beim Öffnen des Stromes wird auch in dem<lb/>
benachbarten Drahte <hi rendition="#aq">BB</hi>' ein Strom induziert, welcher beim Schließen<lb/>
von <hi rendition="#aq">B</hi>' nach <hi rendition="#aq">B</hi>, beim Öffnen von <hi rendition="#aq">B</hi> nach <hi rendition="#aq">B</hi>' fließt, wenn die Richtung<lb/>
des ur&#x017F;prünglichen Stromes die des Pfeiles i&#x017F;t.<lb/>
Man nennt den ur&#x017F;prünglichen Strom auch den<lb/>
primären, den induzierten den &#x017F;ekundären, und<lb/>
eben&#x017F;o bezeichnet man die beiden Leiter <hi rendition="#aq">AA</hi>' und <hi rendition="#aq">BB</hi>',<lb/>
denen man gewöhnlich die Form zweier Spulen<lb/>
giebt, über welche der Draht in vielen Windungen<lb/>
zu einer Spirale gewickelt i&#x017F;t. Die&#x017F;e Drahtwindungen<lb/>&#x017F;&#x017F;en von einander i&#x017F;oliert &#x017F;ein, und dazu i&#x017F;t es<lb/>
nötig, den Draht mit einem &#x017F;chlecht leitenden<lb/>
Stoff zu um&#x017F;pinnen, am be&#x017F;ten mit Seide, und wohl<lb/>
auch mit Wachs zu tränken. Gewöhnlich &#x017F;ind &#x017F;olche<lb/>
Induktionsapparate derart eingerichtet, daß die<lb/>
primäre Spule, aus verhältnismäßig wenigen<lb/>
Windungen dickeren Drahtes, die &#x017F;ekundäre da-<lb/>
gegen aus &#x017F;ehr vielen Windungen recht dünnen<lb/>
Drahtes be&#x017F;teht. Die Gründe, welche gerade die&#x017F;e<lb/>
Einrichtung vorteilhaft er&#x017F;cheinen la&#x017F;&#x017F;en, werden<lb/><figure><head>Fig. 109.</head><lb/><p>Induktion eines Stromes<lb/>
durch einen anderen Strom.</p></figure><lb/>
wir &#x017F;ofort entwickeln. Man hat zweierlei &#x017F;olcher Apparate. Die einen,<lb/>
bei denen die beiden Spulen &#x017F;ich nicht gegen einander bewegen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
heißen nach dem Pari&#x017F;er Mechaniker Ruhmkorff, der &#x017F;ie in be&#x017F;onderer<lb/>
Vollkommenheit her&#x017F;tellte, Ruhmkorff&#x017F;che, die andern, bei denen die eine<lb/>
Spirale &#x017F;ich in die andere hinein&#x017F;chieben läßt, &#x017F;ind die Dubois-<lb/>
Reymond&#x017F;chen Schlittenapparate. Man kann bei beiden die Wirkung<lb/>
noch dadurch ver&#x017F;tärken, daß man in ihrem Innern einen Kern von<lb/>
Ei&#x017F;endrähten anbringt. In die&#x017F;em wird durch den Strom Magnetismus<lb/>
erregt, der beim Ent&#x017F;tehen oder Vergehen &#x017F;einer&#x017F;eits in der &#x017F;ekundären<lb/>
Spule einen Strom induzieren kann. Man kann gerade mit dem<lb/>
&#x017F;ekundären Strome Wirkungen erzielen, zu denen der ur&#x017F;prüngliche<lb/>
Batterie&#x017F;trom untauglich i&#x017F;t. Die&#x017F;er Strom läßt, wenn man ihn öffnet<lb/>
ganz geringe Funken erkennen. Man kann ihn von einer großen<lb/>
Zahl von Elementen entnehmen und, ohne das gering&#x017F;te zu &#x017F;püren,<lb/>
durch den Körper hindurchleiten. Wo dagegen der Schließungsbogen<lb/>
des &#x017F;ekundären Stromes unterbrochen wird, treten Funken auf, wie<lb/>
man &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t nur bei der Reibungselektrizität beobachtet mit einer<lb/>
Schlagweite von mehreren Dezimetern. Der induzierte Strom bringt,<lb/>
wenn der men&#x017F;chliche Körper in den Schließungsbogen einge&#x017F;chaltet i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ehr fühlbare Wirkungen hervor, erzeugt bei &#x017F;chwachen Strömen eine<lb/>
lei&#x017F;e Kontraktion der Muskeln, bei &#x017F;tärkeren &#x017F;chmerzhafte Zu&#x017F;ammen-<lb/>
ziehungen und der &#x017F;ekundäre Strom eines &#x017F;tarken Ruhmkorff&#x017F;chen<lb/>
Apparates mag &#x017F;ogar tötliche Wirkungen haben. Der Funken zer-<lb/>
trümmert dickes Glas, und es i&#x017F;t, als ob die gezähmte Elektrizität des<lb/>
galvani&#x017F;chen Stromes hier in jene alte Wildheit zurückfiele, die wir beim<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0171] Die Induktion. beim Schließen und beim Öffnen des Stromes wird auch in dem benachbarten Drahte BB' ein Strom induziert, welcher beim Schließen von B' nach B, beim Öffnen von B nach B' fließt, wenn die Richtung des urſprünglichen Stromes die des Pfeiles iſt. Man nennt den urſprünglichen Strom auch den primären, den induzierten den ſekundären, und ebenſo bezeichnet man die beiden Leiter AA' und BB', denen man gewöhnlich die Form zweier Spulen giebt, über welche der Draht in vielen Windungen zu einer Spirale gewickelt iſt. Dieſe Drahtwindungen müſſen von einander iſoliert ſein, und dazu iſt es nötig, den Draht mit einem ſchlecht leitenden Stoff zu umſpinnen, am beſten mit Seide, und wohl auch mit Wachs zu tränken. Gewöhnlich ſind ſolche Induktionsapparate derart eingerichtet, daß die primäre Spule, aus verhältnismäßig wenigen Windungen dickeren Drahtes, die ſekundäre da- gegen aus ſehr vielen Windungen recht dünnen Drahtes beſteht. Die Gründe, welche gerade dieſe Einrichtung vorteilhaft erſcheinen laſſen, werden [Abbildung Fig. 109. Induktion eines Stromes durch einen anderen Strom.] wir ſofort entwickeln. Man hat zweierlei ſolcher Apparate. Die einen, bei denen die beiden Spulen ſich nicht gegen einander bewegen laſſen, heißen nach dem Pariſer Mechaniker Ruhmkorff, der ſie in beſonderer Vollkommenheit herſtellte, Ruhmkorffſche, die andern, bei denen die eine Spirale ſich in die andere hineinſchieben läßt, ſind die Dubois- Reymondſchen Schlittenapparate. Man kann bei beiden die Wirkung noch dadurch verſtärken, daß man in ihrem Innern einen Kern von Eiſendrähten anbringt. In dieſem wird durch den Strom Magnetismus erregt, der beim Entſtehen oder Vergehen ſeinerſeits in der ſekundären Spule einen Strom induzieren kann. Man kann gerade mit dem ſekundären Strome Wirkungen erzielen, zu denen der urſprüngliche Batterieſtrom untauglich iſt. Dieſer Strom läßt, wenn man ihn öffnet ganz geringe Funken erkennen. Man kann ihn von einer großen Zahl von Elementen entnehmen und, ohne das geringſte zu ſpüren, durch den Körper hindurchleiten. Wo dagegen der Schließungsbogen des ſekundären Stromes unterbrochen wird, treten Funken auf, wie man ſie ſonſt nur bei der Reibungselektrizität beobachtet mit einer Schlagweite von mehreren Dezimetern. Der induzierte Strom bringt, wenn der menſchliche Körper in den Schließungsbogen eingeſchaltet iſt, ſehr fühlbare Wirkungen hervor, erzeugt bei ſchwachen Strömen eine leiſe Kontraktion der Muskeln, bei ſtärkeren ſchmerzhafte Zuſammen- ziehungen und der ſekundäre Strom eines ſtarken Ruhmkorffſchen Apparates mag ſogar tötliche Wirkungen haben. Der Funken zer- trümmert dickes Glas, und es iſt, als ob die gezähmte Elektrizität des galvaniſchen Stromes hier in jene alte Wildheit zurückfiele, die wir beim

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/171
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/171>, abgerufen am 30.04.2024.