Herz schlug mir allemal dabey; aber bloss aus Leidenschaft, nicht aus Gewissensangst. Nimmermehr haette ich mir damals einbilden können, dass diese Bewegung, die ich für ein unschuldiges Vergnügen hielt, Ruhe und Glückseligkeit stöhrendes Laster werden könn- te. Glauben Sie ja nicht, dass ich Ihnen hier meine Unwissenheit grösser vorstelle, als sie war. Hören Sie einen Beweiss davon, der laecherlich genug klingt, aber einigermassen zu meiner Entschuldigung dienen kann. Ich war 11 Jahr, und jene schaedliche Gewohn- heit existirte schon, als meine Mutter nieder- kam. Ich musste waehrend der Zeit mit in meines Vaters Bette schlafen. Glauben Sie wohl, dass ich thöricht genug war, mir ein- zubilden, dass ich nun auch über lang oder kurz in die Wochen kommen könnte? und dass ich mich mit dieser Idee fast ein halb Jahr getragen habe? mein Lehrer, ein vernünftiger und guter Mann, mochte die übeln Folgen mei- ner schaedlichen Gewohnheit ahnden. Er ver- bot mir sie (wider seine Gewohnheit) aufs strengste. Ich muste gehorchen. Ich unter- liess es in der Kirche, und thats zu Hause, so oft ich allein oder bey Leuten war, vor de-
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Herz ſchlug mir allemal dabey; aber bloſs aus Leidenſchaft, nicht aus Gewiſſensangſt. Nimmermehr hætte ich mir damals einbilden können, daſs dieſe Bewegung, die ich für ein unſchuldiges Vergnügen hielt, Ruhe und Glückſeligkeit ſtöhrendes Laſter werden könn- te. Glauben Sie ja nicht, daſs ich Ihnen hier meine Unwiſſenheit gröſser vorſtelle, als ſie war. Hören Sie einen Beweiſs davon, der læcherlich genug klingt, aber einigermaſsen zu meiner Entſchuldigung dienen kann. Ich war 11 Jahr, und jene ſchædliche Gewohn- heit exiſtirte ſchon, als meine Mutter nieder- kam. Ich muſste wæhrend der Zeit mit in meines Vaters Bette ſchlafen. Glauben Sie wohl, daſs ich thöricht genug war, mir ein- zubilden, daſs ich nun auch über lang oder kurz in die Wochen kommen könnte? und daſs ich mich mit dieſer Idee faſt ein halb Jahr getragen habe? mein Lehrer, ein vernünftiger und guter Mann, mochte die übeln Folgen mei- ner ſchædlichen Gewohnheit ahnden. Er ver- bot mir ſie (wider ſeine Gewohnheit) aufs ſtrengſte. Ich muſte gehorchen. Ich unter- lieſs es in der Kirche, und thats zu Hauſe, ſo oft ich allein oder bey Leuten war, vor de-
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Herz ſchlug mir allemal dabey; aber bloſs
aus Leidenſchaft, nicht aus Gewiſſensangſt.
Nimmermehr hætte ich mir damals einbilden
können, daſs dieſe Bewegung, die ich für
ein unſchuldiges Vergnügen hielt, Ruhe und
Glückſeligkeit ſtöhrendes Laſter werden könn-
te. Glauben Sie ja nicht, daſs ich Ihnen hier
meine Unwiſſenheit gröſser vorſtelle, als ſie
war. Hören Sie einen Beweiſs davon, der
læcherlich genug klingt, aber einigermaſsen
zu meiner Entſchuldigung dienen kann. Ich
war 11 Jahr, und jene ſchædliche Gewohn-
heit exiſtirte ſchon, als meine Mutter nieder-
kam. Ich muſste wæhrend der Zeit mit in
meines Vaters Bette ſchlafen. Glauben Sie
wohl, daſs ich thöricht genug war, mir ein-
zubilden, daſs ich nun auch über lang oder
kurz in die Wochen kommen könnte? und
daſs ich mich mit dieſer Idee faſt ein halb Jahr
getragen habe? mein Lehrer, ein vernünftiger
und guter Mann, mochte die übeln Folgen mei-
ner ſchædlichen Gewohnheit ahnden. Er ver-
bot mir ſie (wider ſeine Gewohnheit) aufs
ſtrengſte. Ich muſte gehorchen. Ich unter-
lieſs es in der Kirche, und thats zu Hauſe, ſo
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/295>, abgerufen am 23.11.2024.
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