sie es doch auf der andern Seite darin, dass sie ihn zuweilen zu Hause oder in Gesellschaft Redensarten hören liess, wovon sie zwar ver- muthete, dass sie ihm nicht verstaendlich wae- ren, deren Bedeutung er aber doch verstand, und die seine Aufmerksamkeit desto reger machten, je mehr man ihn darüber in der Un- wissenheit zu erhalten suchte. Bey folgender Gelegenheit ereignete sich der Fall.
Eines Tages ward die Mutter von einer Nachbarin besucht, und der K[n]abe war zuge- gen. Diese gab ihre Verwunderung darüber zu erkennen, dass auf diesen R. nicht mehrere Kinder eefolgt waeren, und legte die Schuld davon der Mutter bey. Diese wandte sie von sich ab, und schob sie auf ihren dabey sitzen- den Mann. Die Nachbarin that darauf eine Gewissensfrage an diesen, und sagte: "ob er denn nicht mehr könne etc.?" der Knabe ver- stand diess und hatte von da an immer einen dunkeln Begriff von dem Zeugungsgeschaefte in seiner Seele, der sich nach und nach durch mehrere dergleichen Redensarten immer wei- ter entwickelte, indem er alle Aufmerksam- keit anwendete, keine Gelegenheit dazu vor- beyzulassen, und Gelegenheiten dieser Art gab
es
Von heimlichen Sünden. (H)
ſie es doch auf der andern Seite darin, daſs ſie ihn zuweilen zu Hauſe oder in Geſellſchaft Redensarten hören lieſs, wovon ſie zwar ver- muthete, daſs ſie ihm nicht verſtændlich wæ- ren, deren Bedeutung er aber doch verſtand, und die ſeine Aufmerkſamkeit deſto reger machten, je mehr man ihn darüber in der Un- wiſſenheit zu erhalten ſuchte. Bey folgender Gelegenheit ereignete ſich der Fall.
Eines Tages ward die Mutter von einer Nachbarin beſucht, und der K[n]abe war zuge- gen. Dieſe gab ihre Verwunderung darüber zu erkennen, daſs auf dieſen R. nicht mehrere Kinder eefolgt wæren, und legte die Schuld davon der Mutter bey. Dieſe wandte ſie von ſich ab, und ſchob ſie auf ihren dabey ſitzen- den Mann. Die Nachbarin that darauf eine Gewiſſensfrage an dieſen, und ſagte: “ob er denn nicht mehr könne etc.?” der Knabe ver- ſtand dieſs und hatte von da an immer einen dunkeln Begriff von dem Zeugungsgeſchæfte in ſeiner Seele, der ſich nach und nach durch mehrere dergleichen Redensarten immer wei- ter entwickelte, indem er alle Aufmerkſam- keit anwendete, keine Gelegenheit dazu vor- beyzulaſſen, und Gelegenheiten dieſer Art gab
es
Von heimlichen Sünden. (H)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0123"n="113"/>ſie es doch auf der andern Seite darin, daſs ſie<lb/>
ihn zuweilen zu Hauſe oder in Geſellſchaft<lb/>
Redensarten hören lieſs, wovon ſie zwar ver-<lb/>
muthete, daſs ſie ihm nicht verſtændlich wæ-<lb/>
ren, deren Bedeutung er aber doch verſtand,<lb/>
und die ſeine Aufmerkſamkeit deſto reger<lb/>
machten, je mehr man ihn darüber in der Un-<lb/>
wiſſenheit zu erhalten ſuchte. Bey folgender<lb/>
Gelegenheit ereignete ſich der Fall.</p><lb/><p>Eines Tages ward die Mutter von einer<lb/>
Nachbarin beſucht, und der K<supplied>n</supplied>abe war zuge-<lb/>
gen. Dieſe gab ihre Verwunderung darüber<lb/>
zu erkennen, daſs auf dieſen R. nicht mehrere<lb/>
Kinder eefolgt wæren, und legte die Schuld<lb/>
davon der Mutter bey. Dieſe wandte ſie von<lb/>ſich ab, und ſchob ſie auf ihren dabey ſitzen-<lb/>
den Mann. Die Nachbarin that darauf eine<lb/>
Gewiſſensfrage an dieſen, und ſagte: “ob er<lb/>
denn nicht mehr könne etc.?” der Knabe ver-<lb/>ſtand dieſs und hatte von da an immer einen<lb/>
dunkeln Begriff von dem Zeugungsgeſchæfte<lb/>
in ſeiner Seele, der ſich nach und nach durch<lb/>
mehrere dergleichen Redensarten immer wei-<lb/>
ter entwickelte, indem er alle Aufmerkſam-<lb/>
keit anwendete, keine Gelegenheit dazu vor-<lb/>
beyzulaſſen, und Gelegenheiten dieſer Art gab<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#i">Von heimlichen Sünden.</hi> (H)</fw><fwplace="bottom"type="catch">es</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[113/0123]
ſie es doch auf der andern Seite darin, daſs ſie
ihn zuweilen zu Hauſe oder in Geſellſchaft
Redensarten hören lieſs, wovon ſie zwar ver-
muthete, daſs ſie ihm nicht verſtændlich wæ-
ren, deren Bedeutung er aber doch verſtand,
und die ſeine Aufmerkſamkeit deſto reger
machten, je mehr man ihn darüber in der Un-
wiſſenheit zu erhalten ſuchte. Bey folgender
Gelegenheit ereignete ſich der Fall.
Eines Tages ward die Mutter von einer
Nachbarin beſucht, und der Knabe war zuge-
gen. Dieſe gab ihre Verwunderung darüber
zu erkennen, daſs auf dieſen R. nicht mehrere
Kinder eefolgt wæren, und legte die Schuld
davon der Mutter bey. Dieſe wandte ſie von
ſich ab, und ſchob ſie auf ihren dabey ſitzen-
den Mann. Die Nachbarin that darauf eine
Gewiſſensfrage an dieſen, und ſagte: “ob er
denn nicht mehr könne etc.?” der Knabe ver-
ſtand dieſs und hatte von da an immer einen
dunkeln Begriff von dem Zeugungsgeſchæfte
in ſeiner Seele, der ſich nach und nach durch
mehrere dergleichen Redensarten immer wei-
ter entwickelte, indem er alle Aufmerkſam-
keit anwendete, keine Gelegenheit dazu vor-
beyzulaſſen, und Gelegenheiten dieſer Art gab
es
Von heimlichen Sünden. (H)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/123>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.